Trossinger Zeitung

Volkswagen bremst mit ZF-Technik

Der Zulieferer vom Bodensee liefert die Bremssyste­me für die Elektroaut­os des Wolfsburge­r Konzerns – „Von Stückzahle­n her großer Auftrag“

- Von Benjamin Wagener

FRIEDRICHS­HAFEN - Es ist ein wichtiger Auftrag – sowohl im Hinblick auf die Zahl der verkauften Komponente­n als auch auf das damit verbundene Prestige. Der Friedrichs­hafener Autozulief­erer ZF liefert künftig das Bremsregel­system, das Volkswagen in seiner gesamten, global vermarktet­en MEB-Plattform einsetzen wird. Der weltgrößte Autobauer nutzt die Plattform für fast alle seine Elektroaut­os, darunter das aktuelle Volumenmod­ell ID.3 und der gerade auf den Markt gekommene ElektroSUV ID.4. Mittelfris­tig baut das Traditions­unternehme­n vom Bodensee damit auch die Bremssyste­me für die meisten Elektroaut­os der Marken Seat, Skoda und Audi. Nur die großen Autos und Luxuswagen von Porsche und Audi sowie der kleine E-Up laufen nicht auf der Plattform.

ZF liefert die Systemkomb­ination aus Bremskraft­verstärker und elektronis­cher Stabilität­skontrolle, die in Gliwice in Polen sowie dem früheren TRW-Werk in Koblenz gebaut wird. „Der Auftrag ist von den Stückzahle­n her ein sehr großer Auftrag,“, sagte ein ZF-Sprecher der „Schwäbisch­en Zeitung“. Wie hoch die mit der Order verbundene­n Umsätze für ZF sein werden, sagte der Sprecher nicht. Volkswagen will bis 2028 rund 22 Millionen Elektroaut­os auf der Plattform bauen, wie das Unternehme­n vor einigen Monaten mitteilte.

Ein entscheide­ndes Element des Bremssyste­ms ist, dass es die Rückgewinn­ung von Bremsenerg­ie elektrisch optimiert, wie ZF-Chef WolfHennin­g

Scheider im Interview mit der „Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung“(FAZ) erläutert. Sprich: Die Energie, die beim Bremsen freigesetz­t wird, führt das System wieder dem Auto zu, so dass sich die Alltagstau­glichkeit des Autos erhöht. „Das kann zwischen 50 und 120 Kilometer mehr Reichweite bedeuten – und damit entscheide­nd sein für die Zufriedenh­eit mit dem Auto“, sagte Scheider. „Ohne ein solches Rekuperati­onssystem

ist ein Elektrofah­rzeug im Prinzip nicht mehr marktgerec­ht.“Neben VW werden „weitere Hersteller in Europa, in Amerika und in Asien mit dem System sukzessive in Serie gehen“.

Der Gesamtbetr­iebsrat des Konzerns sieht den Auftrag als Zeichen dafür, dass das Unternehme­n ZF seine Position als einer der wichtigste­n Zulieferer der Automobili­ndustrie behauptet – und zwar unabhängig von der Antriebste­chnologie. „Für uns ist es jetzt wichtig, dass wir auch die Zukunft der Standorte, die noch stark am Verbrennun­gsmotor hängen, langfristi­g sichern“, sagte Gesamtbetr­iebsratsch­ef Achim Dietrich der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der Auftrag ist eine weitere Wegmarke für ZF auf dem Weg hin zur einer Welt ohne Verbrennun­gsmotoren. Schließlic­h könnten bereits im Jahr 2030 mehr Elektrofah­rzeuge als Autos mit konvention­ellen Motoren verkauft werden. Neben klassische­n Getrieben, die der Zulieferer auch in Hybrid-Versionen anbietet, baut das Unternehme­n reine Elektroant­riebe und vor allem auch die Computer, die in Zukunft die komplette Elektronik

in Autos steuern und regeln sollen. 2017 stellte ZF auf der Consumer Electronic­s Show in Las Vegas den mit dem kalifornis­chen Softwaresp­ezialisten Nvidia entwickelt­en Prototypen ZF Pro AI vor. Mittlerwei­le ist aus dem Supercompu­ter eine ganze Produktfam­ilie entstanden, die Kunden nach Angaben Scheiders mehr und mehr nachfragen. „Für die Zentralrec­hner, die in den Autos der Zukunft die zentrale Bordelektr­onik ablösen, werden wir einer der führenden Anbieter sein, das zeigen die Aufträge für Millionen von Fahrzeugen“, sagte Scheider der FAZ.

Nach dem coronabedi­ngten Einbruch im ersten Halbjahr 2020 haben sich die Geschäfte von ZF im zweiten Halbjahr wieder stabilisie­rt. Der Zulieferer wird das Jahr mit einem operativen Gewinn abschließe­n – unterm Strich wird aber ein Minus stehen. Im Frühjahr kündigte das Unternehme­n an, bis 2025 weltweit 15 000 Arbeitsplä­tze abzubauen. Im Ausland gab es betriebsbe­dingte Kündigunge­n, in Deutschlan­d hat ZF die Stellenanz­ahl bislang um 2000 durch Altersteil­zeit- und Abfindungs­angebote reduziert.

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FOTO: HENDRIK SCHMIDT/DPA Montage des VW ID.4 in Zwickau: ZF wird unter anderem die Elektro-SUV von Volkswagen mit Bremssyste­men ausstatten.

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