Volkswagen bremst mit ZF-Technik
Der Zulieferer vom Bodensee liefert die Bremssysteme für die Elektroautos des Wolfsburger Konzerns – „Von Stückzahlen her großer Auftrag“
FRIEDRICHSHAFEN - Es ist ein wichtiger Auftrag – sowohl im Hinblick auf die Zahl der verkauften Komponenten als auch auf das damit verbundene Prestige. Der Friedrichshafener Autozulieferer ZF liefert künftig das Bremsregelsystem, das Volkswagen in seiner gesamten, global vermarkteten MEB-Plattform einsetzen wird. Der weltgrößte Autobauer nutzt die Plattform für fast alle seine Elektroautos, darunter das aktuelle Volumenmodell ID.3 und der gerade auf den Markt gekommene ElektroSUV ID.4. Mittelfristig baut das Traditionsunternehmen vom Bodensee damit auch die Bremssysteme für die meisten Elektroautos der Marken Seat, Skoda und Audi. Nur die großen Autos und Luxuswagen von Porsche und Audi sowie der kleine E-Up laufen nicht auf der Plattform.
ZF liefert die Systemkombination aus Bremskraftverstärker und elektronischer Stabilitätskontrolle, die in Gliwice in Polen sowie dem früheren TRW-Werk in Koblenz gebaut wird. „Der Auftrag ist von den Stückzahlen her ein sehr großer Auftrag,“, sagte ein ZF-Sprecher der „Schwäbischen Zeitung“. Wie hoch die mit der Order verbundenen Umsätze für ZF sein werden, sagte der Sprecher nicht. Volkswagen will bis 2028 rund 22 Millionen Elektroautos auf der Plattform bauen, wie das Unternehmen vor einigen Monaten mitteilte.
Ein entscheidendes Element des Bremssystems ist, dass es die Rückgewinnung von Bremsenergie elektrisch optimiert, wie ZF-Chef WolfHenning
Scheider im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“(FAZ) erläutert. Sprich: Die Energie, die beim Bremsen freigesetzt wird, führt das System wieder dem Auto zu, so dass sich die Alltagstauglichkeit des Autos erhöht. „Das kann zwischen 50 und 120 Kilometer mehr Reichweite bedeuten – und damit entscheidend sein für die Zufriedenheit mit dem Auto“, sagte Scheider. „Ohne ein solches Rekuperationssystem
ist ein Elektrofahrzeug im Prinzip nicht mehr marktgerecht.“Neben VW werden „weitere Hersteller in Europa, in Amerika und in Asien mit dem System sukzessive in Serie gehen“.
Der Gesamtbetriebsrat des Konzerns sieht den Auftrag als Zeichen dafür, dass das Unternehmen ZF seine Position als einer der wichtigsten Zulieferer der Automobilindustrie behauptet – und zwar unabhängig von der Antriebstechnologie. „Für uns ist es jetzt wichtig, dass wir auch die Zukunft der Standorte, die noch stark am Verbrennungsmotor hängen, langfristig sichern“, sagte Gesamtbetriebsratschef Achim Dietrich der „Schwäbischen Zeitung“.
Der Auftrag ist eine weitere Wegmarke für ZF auf dem Weg hin zur einer Welt ohne Verbrennungsmotoren. Schließlich könnten bereits im Jahr 2030 mehr Elektrofahrzeuge als Autos mit konventionellen Motoren verkauft werden. Neben klassischen Getrieben, die der Zulieferer auch in Hybrid-Versionen anbietet, baut das Unternehmen reine Elektroantriebe und vor allem auch die Computer, die in Zukunft die komplette Elektronik
in Autos steuern und regeln sollen. 2017 stellte ZF auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas den mit dem kalifornischen Softwarespezialisten Nvidia entwickelten Prototypen ZF Pro AI vor. Mittlerweile ist aus dem Supercomputer eine ganze Produktfamilie entstanden, die Kunden nach Angaben Scheiders mehr und mehr nachfragen. „Für die Zentralrechner, die in den Autos der Zukunft die zentrale Bordelektronik ablösen, werden wir einer der führenden Anbieter sein, das zeigen die Aufträge für Millionen von Fahrzeugen“, sagte Scheider der FAZ.
Nach dem coronabedingten Einbruch im ersten Halbjahr 2020 haben sich die Geschäfte von ZF im zweiten Halbjahr wieder stabilisiert. Der Zulieferer wird das Jahr mit einem operativen Gewinn abschließen – unterm Strich wird aber ein Minus stehen. Im Frühjahr kündigte das Unternehmen an, bis 2025 weltweit 15 000 Arbeitsplätze abzubauen. Im Ausland gab es betriebsbedingte Kündigungen, in Deutschland hat ZF die Stellenanzahl bislang um 2000 durch Altersteilzeit- und Abfindungsangebote reduziert.