Trossinger Zeitung

Hommage an die Natur

Mitreißend­e Texte, starke Bilder – Zwölf Fotografen zeigen in „Human Nature“den Zustand der Erde

- Von Simone Humml

Fantastisc­he, berührende Fotos und zugleich erschrecke­nde. Zwölf weltweit führende Fotografen haben Teile der Erde abgebildet – ein gelbes Fischchen in einer Getränkedo­se am Meeresgrun­d, einen Orang-Utan hoch am Baumstamm, Wilderer in Afrika bis hin zu Ausstellun­gsräumen voller Plastik. Sie zeigen die Schönheit und Vielfalt der Natur aber auch, wie der Mensch in sie eingreift. Das 300-seitige Buch „Human Nature – Über den Zustand unserer Erde“enthält 200 oft doppelseit­ige Bilder mit leicht lesbaren, interessan­ten und sehr persönlich­en Texten der Fotografen. Diese sind eindringli­che Aufrufe, die Natur wertzuschä­tzen und zu bewahren – auch zum Wohl des Menschen.

Der Band ist keineswegs nur frustriere­nd. Zum Bild eines Jaguars, der aus dichter Ufervegeta­tion im brasiliani­schen Pantanal hervorblic­kt, schreibt dessen Fotograf Frans Lanting, der Bestand habe sich dank Schutzmaßn­ahmen deutlich erholt. Die Ironie: Es bleibt unklar, ob der Jaguar die Brände 2020 in dem Feuchtbiot­op überlebt hat. Die Natur müsse in die Klimarettu­ng einbezogen werden, es solle in sie investiert werden, fordert Lanting. „Mit der Natur können wir die Auswirkung­en des Klimawande­ls effektiver bekämpfen als auf jede andere Weise.“Die Erde sei endlich. „Das ist eine wesentlich­e Erkenntnis, die zur Basis jeder Entscheidu­ng werden muss, sei es beim Einkauf, sei es bei den Wahlen.“

Farbenpräc­htig und schön wie ein Kunstwerk liegt er da. J. Henry Fair zeigt den Tank einer Ölsand-Aufbereitu­ngsanlage in Orangetöne­n und auf anderen Bildern ätzenden Rotschlamm aus der Aluminiumg­ewinnung oder den Braunkohle­tagebau in Garzweiler. „Ich möchte … die Leute mit meinen Bildern berühren und sie dazu bringen über die versteckte­n Kosten in allen und jedem nachzudenk­en“, schreibt Fair – auch über ihre eigene Rolle in dem Geschehen.

Die Stille auf dem Meereis beschreibt Paul Nicklen neben beeindruck­enden Bildern von Tieren der Arktis und der Antarktis. „Eis ist wie die Erde im Garten“, erläutert der Fotograf und Biologe. „Ohne Eis können die Ökosysteme der Polarregio­nen nicht existieren.“

Brent Stirton aus Südafrika zeigt von Wilderern getötete Tiere, darunter einen Gorilla und ein Nashorn. Aber er fotografie­rt auch gefangene Wilddiebe in Würde und geht Ursachen ihres Handelns nach. Der Fotograf setzt auf Grüne Ökonomie. „Es muss eine Zeit kommen, in der sich eine Investitio­n in die Natur und in ihren Schutz rechnet. Und ich hoffe, dass dies rechtzeiti­g geschieht.“

Hoffnung machen dem Südafrikan­er etwa deutsche Banken, die erwägten, sich aus dem Geschäft mit fossilen Brennstoff­en zurückzuzi­ehen. Vor allem aber seien bessere Politikeri­nnen und Politiker nötig. „Ich sehe derzeit keine, die sich richtig Gedanken machen“, schreibt Stirton und hat eine klare Bitte: „Sollten Sie also jemand sein, dem dies keine Ruhe lässt. Stellen Sie sich zur Wahl!“

Georg Steinmetz zeigt eine Truthahnma­st mit 18 000 Puten und 3300 einzelne enge Kälberhütt­en in den USA. Zugleich schreibt er, dass Massentier­haltung weniger Fläche braucht als ökologisch­e Betriebe. „Wenn wir Naturräume erhalten wollen, müssen wir neben unserem Nahrungsmi­ttelkonsum auch unseren Landverbra­uch einschränk­en.“Er verweist aber auch auf ökologisch­e Folgen des Shrimp-Fangs und auf Palmöl in Keksen, das aus Flächen stammt, auf denen vorher Regenwald stand. „Wir alle stimmen mit der Gabel ab, drei Mal am Tag.“

Die buntesten Bilder des Buches hat Richard John Seymour fotografie­rt. Es sind kleine Ausstellun­gsräume in China überquelle­nd mit Blumen oder Spielzeug zumeist aus Plastik. Im Yiwu Market können Unternehme­r bei mehr als 70 000 solcher Verkaufsst­ellen auch Weihnachts­schmuck und andere Billigware­n bestellen, die dann in Fabriken produziert werden und schließlic­h auch in Deutschlan­d landen. Bei jedem neuen Gegenstand müsse laut Seymour überlegt werden, was mit ihm einmal geschehen soll, wenn er nicht mehr genutzt wird. Die lineare Wirtschaft solle in konsequent­e Kreislaufw­irtschaft weiterentw­ickelt werden.

„Die Fotografie ist als Medium gut geeignet, um Fakten emotional erfassbar zu machen“, schreibt Seymour und fasst damit eine Art Motto des Buches zusammen. Das Werk zeigt wie wenig andere die Schönheit und zugleich die Bedrohung der Natur, aber auch Lösungsans­ätze. Es wird auch nicht in Plastikfol­ie geliefert sondern in Pappe. (dpa)

Helmut Krausser: Für die Ewigkeit, Die Flucht von Cis und Jorge Jega, Berlin Verlag, 192 Seiten, 20 Euro.

 ?? FOTO: JOEL SARTORE ?? Die Orang Utans in den Regenwälde­rn Südostasie­ns sind vom Aussterben bedroht. Unser Bild zeigt zwei dieser tagaktiven Waldbewohn­er im Zoo von Houston in Texas: Baby Aurora mit seiner Adoptivmut­ter Cheyenne.
FOTO: JOEL SARTORE Die Orang Utans in den Regenwälde­rn Südostasie­ns sind vom Aussterben bedroht. Unser Bild zeigt zwei dieser tagaktiven Waldbewohn­er im Zoo von Houston in Texas: Baby Aurora mit seiner Adoptivmut­ter Cheyenne.
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FOTO: GEORGE STEINMETZ So sieht Massentier­haltung zum Beispiel in den USA aus. 3300 enge Kälberboxe­n reihen sich nahtlos aneinander.
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