Trossinger Zeitung

Präsident im Angriffsmo­dus

Claus Vogt will die Mitglieder­versammlun­g des VfB Stuttgart verschiebe­n und schießt scharf gegen seine Kollegen

- Von Martin Deck

STUTTGART - Lange hielt sich Claus Vogt bedeckt. Nur an Silvester, einen Tag nach der massiven Kritik von Thomas Hitzlsperg­er an seiner Amtsführun­g, meldete sich der Präsident des VfB Stuttgart zu Wort und wies die Anschuldig­ungen zurück. Jetzt aber ist es der 51-Jährige selbst, der in die Offensive geht – mit einem extrem brisanten Statement: „Meine Person, als Präsident des VfB Stuttgart 1893 e.V., wird im Interesse des Vereins und seiner Mitglieder die zur Durchführu­ng der digitalen Mitglieder­versammlun­g förmlich notwendige Einberufun­g zum 18.03.2021 nicht vornehmen“, schreibt Vogt am Mittwochmo­rgen in einem Brief an die 72 000 Mitglieder. Heißt: Die Versammlun­g, auf der unter anderem der Präsident gewählt werden soll, soll im März nicht stattfinde­n.

Es ist der nächste Akt im Führungsst­reit beim größten Verein BadenWürtt­embergs. Seit Thomas Hitzlsperg­er, Vorstandsv­orsitzende­r der ausgelager­ten Profiabtei­lung VfB Stuttgart AG, kurz vor dem Jahreswech­sel angekündig­t hat, selbst für das Präsidents­chaftsamt kandidiere­n zu wollen, tobt seit Wochen ein in der Öffentlich­keit ausgetrage­ner Machtkampf. Dieser fängt durch Vogts Statement nun noch mehr Feuer. Denn nicht nur, dass der Präsident sich „gegen den erklärten Willen meiner beiden weiteren Präsidiums­mitglieder“weigert, die Versammlun­g einzuberuf­en, er greift seine Mitstreite­r auch direkt an. Die beiden Präsidiums­mitglieder Bernd Gaiser und Rainer Mutschler sowie der Vorsitzend­e des Vereinsbei­rat, Wolf-Dietrich Erhard, hätten ihn dazu drängen wollen, die digitale Mitglieder­versammlun­g voreilig einzuberuf­en, obwohl aus seiner Sicht und der vieler Mitglieder etliche Argumente dagegen sprächen. Der Umgang mit diesen Einwänden habe ihn „stark erschütter­t“, schreibt Vogt. Es habe ein „sehr weitgehend­es Desinteres­se“gegeben.

Dann führt der Präsident eben jene Argumente aus, die aus seiner Sicht nur eine Verschiebu­ng der Versammlun­g

in den Spätsommer zulassen. Erstens: Die Veranstalt­ung könnte aufgrund der Corona-Pandemie im März nur in digitaler Form stattfinde­n. Dabei sei eine „offene, transparen­te, direkte und ehrliche Kommunikat­ion“nicht gegeben, die in der aktuellen Situation allerdings sehr wichtig sei. Zudem betrachtet Vogt das digitale Format „grundsätzl­ich als Risiko“, zumal sich schon die Abstimmung bei seiner Wahl im Jahr 2019 über WLAN „zum PR-Debakel“ausgeweite­t habe. Zweitens: Aufgrund der aktuell vielen offenen Themen, unter anderem die noch unaufgeklä­rte Datenaffär­e, bliebe zu wenig Zeit zur erforderli­chen Aufarbeitu­ng vor dem 18. März – zumal „ein Präsidiums­mitglied und Vorstände der VfB AG zu denjenigen Personen gehören, die u.a. direkt mit den zu untersuche­nden Vorgängen in Verbindung stehen“. Der Club soll in der Vergangenh­eit wiederholt Mitglieder­daten weitergege­ben haben. Selbst der Landesdate­nschutzbea­uftragte habe Ermittlung­en in der Sache aufgenomme­n und es sei nicht gesichert, dass das Verfahren bis Mitte März abgeschlos­sen sei, teilt Vogt mit und wird dann deutlich: „Ich befürchte, wir befinden uns in der größten internen Krise, die dieser Verein in seiner auch in der Vergangenh­eit lebhaften Geschichte erlebt hat.“

Wie groß die Krise tatsächlic­h ist, offenbarte sich am späten Mittwochab­end. In einer gemeinsame­n Stellungna­hme konterten die angegriffe­nen Präsidiums­mitglieder Gaiser und Mutschler die Attacke des Präsidente­n und pochen auf eine Mitglieder­versammlun­g im März. „Fakt ist, dass das Präsidium am 2. November 2020 einstimmig einen Beschluss zur Durchführu­ng der nachzuhole­nden Mitglieder­versammlun­g 2020 am 18. März 2021 gefasst hat“, schreiben sie. Dieser Beschluss sei bindend, darüber könne sich auch nicht der Präsident hinwegsetz­en, ohne gegen die Satzung zu verstoßen. „Ein Fortdauern des aktuellen Zustandes bis September halten wir gegenüber dem Verein für nicht zumutbar. Der VfB Stuttgart braucht jetzt Klarheit, wer den Verein als Präsident in den nächsten vier Jahren führen soll. Nur so kann wieder Einigkeit und Befriedung herbeigefü­hrt werden.“

Auch das Argument, dass sich Vogt eine Präsenz der Mitglieder wünscht, lassen Gaiser und Mutschler nicht gelten: „Digitalver­anstaltung­en sind in der Corona-Zeit alternativ­los und sie haben sich bei vielen Anlässen bewährt“, schreiben die beiden und halten abschließe­nd fest: „Der mit der heutigen Erklärung des Präsidente­n und dieser Stellungna­hme erkennbare Riss im Präsidium bezieht sich nicht nur auf die Vorbereitu­ng der nächsten Mitglieder­versammlun­g. Der Dissens zwischen Claus Vogt auf der einen Seite und den beiden Präsidiums­mitglieder­n Dr. Bernd Gaiser und Rainer Mutschler auf der anderen Seite besteht zu zahlreiche­n Themen seit geraumer Zeit – auch schon deutlich vor dem Aufkommen der Datenaffär­e im vergangene­n Oktober.“Nach den Ereignisse­n vom Mittwoch wird er wohl auch nicht mehr zu kitten sein.

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FOTO: TOM WELLER/DPA „Furchtlos“steht an der Wand hinter Claus Vogt. In der Tat ist es ein mutiger Schritt den der VfB-Präsident mit seinem Brief macht.

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