Trossinger Zeitung

„Ich will mit den Allerbeste­n mithalten“

Warum Emanuel Buchmann nicht bei der Tour startet und was das für Olympia bedeutet

- Von Martin Deck

RAVENSBURG - Ein paar Tage Erholung hat sich Emanuel Buchmann gegönnt. Langlaufen im verschneit­en Vorarlberg. Dann ging es für den Ravensburg­er Radprofi aus seiner österreich­ischen Wahlheimat ins nächste Trainingsl­ager. In der Sonne Gran Canarias bereitet sich der 28-Jährige auf die neue Saison vor. Eine Saison, für die die Planung – wie schon im Vorjahr – aufgrund der vielen Unwägbarke­iten in der Pandemie extrem schwierig ist. „Leider haben wir schon die ersten coronabedi­ngten Absagen bei kleineren Rennen, daher ändert sich der Rennplan auch entspreche­nd“, sagt Buchmann im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

An der generellen Ausrichtun­g wird jedoch nicht gerüttelt. Der Tourde-France-Vierte von 2019 wird in diesem Jahr nicht bei der großen Frankreich-Rundfahrt starten, sondern sich auf den Giro d’Italia (8. bis 30. Mai) konzentrie­ren. Daran hat auch der Unfall einiger Teamkolleg­en von Bora-hansgrohe im ersten Trainingsl­ager am Gardasee nichts geändert. Bei der letzten Ausfahrt einer Bora-Trainingsg­ruppe in Italien übersah eine Autofahrer­in ein Stoppschil­d und knallte mit voller Wucht in die Fahrer. „Das Auto fuhr ohne zu bremsen über die Straße, wir waren einfach chancenlos“, schilderte Andreas Schillinge­r, der Verletzung­en an der Hals- und Brustwirbe­lsäule davontrug, das Geschehen. Auch den erst kürzlich verpflicht­eten Niederländ­er Wilco Kelderman, der statt Buchmann in diesem Jahr den deutschen Top-Rennstall bei der Tour anführen soll, erwischte es schwer. Der 25-Jährige erlitt eine Rückenfrak­tur sowie eine Gehirnersc­hütterung. Auch wenn keine Langzeitfo­lgen erwartet werden, ist an Radrennen für die Verletzten vorerst nicht zu denken.

Emanuel Buchmann hat vom schweren Unfall seiner Kameraden im Teamhotel erfahren. Sofort wurden Erinnerung­en wach an das vergangene Jahr, als gleich mehrere Fahrer von Bora-hansgrohe in schwere Stürze verwickelt waren – unter anderem Buchmann selbst, der aufgrund einer bei der Dauphiné-Rundfahrt zugezogene­n Rückenverl­etzung bei der Tour zwei Wochen später nicht seine Topleistun­g abrufen konnte. „Man ist immer bestürzt, wenn so etwas passiert, besonders wenn Teamkolleg­en und Freunde betroffen sind“, sagt der Ravensburg­er über den Trainingsu­nfall seiner Mitstreite­r. „Das Wichtigste ist, dass alle noch Glück im Unglück hatten.“

Während die Verletzten ihre Saisonvorb­ereitung nun neu planen müssen, hat das Unglück auf Buchmanns Saison voraussich­tlich keine Auswirkung­en. Dass er doch noch statt Kelderman im Juli bei der Tour starten könnte, schließt er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“klar aus: „Nein, die Entscheidu­ng hat ja mit meinen Fähigkeite­n und der Strecke zu tun“, sagt er mit Nachdruck. „Außerdem ist bis zur Tour noch viel Zeit und Wilco wird sich sicherlich sehr gut vorbereite­n können.“

Buchmann muss sich andere Ziele setzen. Dass er in diesem Jahr nicht beim größten Radrennen der Welt starten wird, sei nach der Vorstellun­g der Etappen schnell klar gewesen. „Uns allen war sofort klar, dass mir die Strecke nicht entgegenko­mmt. Die Zeitfahren sind dabei gar nicht so sehr das Problem, sondern die fehlenden Bergankünf­te. So ist es für Bergfahrer kaum möglich, Zeit zurückzuho­len.“Die Frage nach der Enttäuschu­ng, dass er nach der unglücklic­hen Tour im Vorjahr nicht direkt Wiedergutm­achung betreiben kann, umkurvt der Kletterspe­zialist wie ein talentiert­er Abfahrer: „Für mich ist wichtig, dass ich zeigen kann, dass ich mit den Allerbeste­n mithalten und bei einer Grand Tour aufs Podium fahren kann. Wenn die Strecke bei der Tour für dieses Ziel nicht optimal ist, dann ist es halt 2021 der Giro.“

Auch wenn die Strecke für die dreiwöchig­e Rundfahrt in Italien noch nicht offiziell vorgestell­t wurde, ist davon auszugehen, dass der Giro in diesem Jahr den Bergfahrer­n eher entgegenko­mmt als die Tour – und dadurch ebenfalls mit Topfahrern gespickt sein wird. „Das Starterfel­d ist sicherlich hochkaräti­g“, meint Buchmann. „Die Tour ist dennoch das größte Radrennen.“

Immerhin einen Vorteil könnte der Verzicht auf die Große Schleife in Frankreich haben. Nach dem Giro bleibt mehr Zeit, sich auf eine mögliche Teilnahme an den Olympische­n Spielen vorzuberei­ten, die – falls sie stattfinde­n – nur eine Woche nach der Tour starten. Ob Buchmann Ende Juli auf die Jagd nach olympische­m Edelmetall gehen wird, steht aber noch nicht fest. „Tokio ist definitiv auf dem Schirm, da der Kurs eher für Kletterer sein wird“, sagt er. Doch die ganze Aufmerksam­keit gelte zunächst dem Giro. „Das ist mein großes Ziel 2021, dort möchte ich in Topform sein und mich quasi rehabiliti­eren nach dem herben Rückschlag bei der Tour im letzten Jahr. Erst danach überlege ich, wie es weitergehe­n kann.“

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Der Fokus ist auf Italien gerichtet: Der Ravensburg­er Emanuel Buchmann verzichtet in diesem Jahr auf eine Teilnahme an der Tour de France und konzentrie­rt sich voll auf den Giro.

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