Trossinger Zeitung

Lepra ist noch nicht besiegt

Auch fast 150 Jahre nach Entdeckung des Erregers ist er noch nicht ausgerotte­t

- Von Angelika Resenhoeft

WÜRZBURG (dpa) - Seit gut einem Jahr sind das neue Coronaviru­s SarsCoV-2 und die damit verbundene Krankheit Covid-19 das Thema rund um den Globus. Millionen Menschen infizieren sich, viele sterben. Mut machen die kürzlich zugelassen­en Impfstoffe – entwickelt im Rekordtemp­o von wenigen Monaten.

Andere Krankheite­n wie Tollwut, Malaria, Ebola, Tuberkulos­e und viele mehr sind seit Beginn der CoronaPand­emie aus dem Blickfeld der Öffentlich­keit geraten, obwohl ebenfalls etliche Millionen Menschen von ihnen betroffen sind – vor allem jenseits der Industrien­ationen. Auch Lepra gehört dazu. Ausgangsbe­schränkung­en und Unterbrech­ungen in der Gesundheit­sversorgun­g könnten in den nächsten Jahren zu Abertausen­den zusätzlich­en Infektione­n führen, die es ohne Corona womöglich nie gegeben hätte, warnen Hilfsorgan­isationen weltweit. Medikament­e fehlen vielerorts, coronabedi­ngt kommt es zu Lieferengp­ässen.

Jenifer Gabel von der Deutschen Lepra- und Tuberkulos­ehilfe (DAHW) in Würzburg, deren Mitarbeite­r seit 1957 gegen viele Armutskran­kheiten aktiv sind, sagt: „Wir haben mit den Schutzmaßn­ahmen gegen die Corona-Ausbreitun­g zu kämpfen, weil unsere Leute in vielen Ländern nicht mehr an die Menschen rankommen.“Gerade in ärmeren Ländern sei die Lage kritisch. „Neue Fälle können wir nicht finden und dementspre­chend nicht behandeln.“Ein später Behandlung­sbeginn bedeute, dass das Risiko einer bleibenden Behinderun­g steige. Frühzeitig­e Behandlung­en mit einem Mix aus Antibiotik­a seien wichtig, um solche Schäden zu verhindern. „Das ist eine Riesensorg­e von uns“, sagt Gabel anlässlich des Welt-Lepra-Tages am Sonntag, 31. Januar.

Lepra wurde schon in der Bibel erwähnt und an Mumien im alten Ägypten nachgewies­en. Lepra-Bakterien zerstören die Haut und die Schleimhäu­te und befallen Nervenzell­en. Der Erreger Mycobacter­ium leprae wird wahrschein­lich per Tröpfcheni­nfektion übertragen. „Eine Berührung allein führt noch nicht zu einer Infektion, der Kontakt muss eng und längerfris­tig sein“, erklärt Gabel. Die durchschni­ttliche Inkubation­szeit betrage drei bis vier Jahre, manchmal aber auch bis zu 20 Jahre.

Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) meldete für das Jahr 2019 mehr als 200 000 Neuinfekti­onen weltweit. Die Statistik für das Jahr 2020 wird wahrschein­lich weniger Fälle aufweisen, glauben die Experten beim Würzburger Hilfswerk. „Jedoch nicht, weil sich tatsächlic­h weniger Menschen infizieren, sondern weil coronabedi­ngte Kontaktbes­chränkunge­n und Ausgangssp­erren die Fallsuche zusätzlich erschweren.“In Deutschlan­d gilt Lepra seit den 1920er-Jahren als ausgerotte­t.

Die Krankheit ist heilbar, aber etwa vier Millionen Menschen weltweit müssen mit teils schwersten Behinderun­gen leben – und mit Stigmatisi­erung. Nach Angaben des RobertKoch-Instituts (RKI) können nur fünf Prozent der Weltbevölk­erung überhaupt erkranken, der Rest ist immun. Bei mehr als jedem zehnten Menschen wird die Krankheit so spät entdeckt, dass körperlich­e Schäden bestehen bleiben.

Bei Mathias Duck wurde 2010 Lepra diagnostiz­iert. Heute gilt er als geheilt. Der Theologe mit deutschen Wurzeln lebt in Paraguay und leitet bei der internatio­nalen Vereinigun­g der Lepra-Hilfswerke (Ilep) den Ausschuss der Lepra-Betroffene­n. „Ich möchte keine Krankheit gegen die andere ausspielen“, sagt der 42-Jährige. Aber vernachläs­sigte Krankheite­n wie Lepra müssten wieder sichtbarer werden, trotz Corona und seinen massiven Folgen für das gesellscha­ftliche Leben in vielen Ländern.

„Es geht denen, die Macht, Geld und das Sagen haben, derzeit an die Haut“, fasst der dreifache Vater die Pandemie-Auswirkung­en zusammen. Weil von Corona alle Gesellscha­ftsschicht­en gleicherma­ßen betroffen seien, sei sehr viel Geld investiert worden, um gegen die Krankheit Covid-19 ein Mittel zu finden. „Wir brauchen diesen Impfstoff gegen Corona“, sagt Duck, das sei keine Frage. Aber es sei schon verwunderl­ich, dass es gegen Lepra auch nach Jahrzehnte­n noch keinen Impfstoff gebe.

Seit rund 20 Jahren wird daran gearbeitet. Im Jahr 2020 sollten in Brasilien – wo Lepra sehr verbreitet ist – wichtige klinische Tests starten. „Doch da hat uns und unseren Partnern die Pandemie leider einen Strich durch die Rechnung gemacht“, erläutert DAHW-Forschungs­koordinato­rin Christa Kasang. In diesem Frühjahr soll es nun losgehen. Sollten sich die bisherigen Testergebn­isse im Verlauf der Studie bestätigen, sei mit einer Zulassung des Impfstoffe­s 2025 zu rechnen – mehr als 150 Jahre nach der Entdeckung des Lepra-Erregers 1873.

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FOTO: IMAGO IMAGES Einige Menschen sind verstümmel­t, andere teilweise gelähmt: Lepra ist eine Krankheit, die oft die Ärmsten trifft. Einen Impfstoff gibt es noch nicht, obwohl der Erreger schon lange bekannt ist.

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