Trossinger Zeitung

Augustinum-Skandal vor Gericht

Der angeklagte Ex-Geschäftsf­ührer des Seniorenhe­imbetreibe­rs räumt Mitschuld beim Immobilien­betrug ein

- Von Britta Schultejan­s und Benjamin Wagener

MÜNCHEN/RAVENSBURG (dpa/sz) Im Prozess um Veruntreuu­ng und Betrug gegen einen ehemaligen Geschäftsf­ührer der Augustinum-Seniorenhe­ime hat der Angeklagte eine Mitschuld eingeräumt. „Der Angeklagte steht zu seiner Verantwort­ung“, sagte sein Anwalt zu Prozessbeg­inn am Freitag vor dem Landgerich­t München I. Er trage aber keinesfall­s allein die Schuld daran, dass die Augustinum-Gruppe bei dubiosen Immobilien­geschäften um Millionen geprellt wurde. Er sei „ans Messer geliefert“worden.

Die Hauptveran­twortung trage ein inzwischen verstorben­er Rechtsbera­ter des Augustinum­s, dem der Ex-Geschäftsf­ührer nahezu blind vertraut habe. „Es gab für mich keinen Anlass, ihm nicht zu trauen“, sagte der Angeklagte. „Ich hab die Verträge auch nicht verstanden, ich bin ehrlich. Ich bin ja kein Jurist.“Aus Sicht der Verteidigu­ng tragen auch noch andere Augustinum-Verantwort­liche eine Mitschuld. Ursprüngli­ch waren in der Sache noch drei weitere mutmaßlich­e Mittäter beschuldig­t worden, die nicht zur Augustinum-Gruppe, sondern zur Käuferseit­e gehörten. Das Verfahren gegen sie wurde allerdings nach Gerichtsan­gaben gegen teils hohe Geldauflag­en eingestell­t.

Initiator der Machenscha­ften soll der im Januar 2014 verstorben­e, frühere Aufsichtsr­atschef des Konzerns, Artur Maccari, ein in Oberschwab­en bekannter Anwalt aus Biberach, gewesen sein. Kern der ursprüngli­chen

Anklage gegen die vier Beschuldig­ten war nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft der Vorwurf, „sich die Zustimmung zum Abschluss von für das Augustinum wirtschaft­lich nachteilig­en Geschäften erschliche­n zu haben, um sich selbst zu bereichern“. Das Augustinum hatte 2014 nach der Entdeckung von Unregelmäß­igkeiten bei früheren Immobilien­verkäufen selbst Strafanzei­ge gestellt. Die Geschäfte haben nach Augustinum­Angaben einen Umfang von rund 700 Millionen Euro gehabt.

Nicht alle dem Ex-Geschäftsf­ührer vorgeworfe­nen Taten, die die Staatsanwa­lt in ihrer Anklage auflistete, wurden bei Gericht zur Hauptverha­ndlung zugelassen, wie ein Gerichtssp­recher erläuterte. Bei den Vorfällen, die jetzt noch vor Gericht verhandelt werden, soll ein Schaden von sechs Millionen Euro entstanden sein. Wie hoch die Augustinum­Gruppe selbst den Gesamtscha­den in dem mutmaßlich­en Betrugsfal­l heute beziffert, wollte ein Sprecher des Unternehme­ns auf Anfrage nicht sagen. 2017 hatte Augustinum-Sprecher Matthias Steiner der „Schwäbisch­en Zeitung“gesagt, dass „wir in der Bilanz 2014 einen Fehlbetrag von 32 Millionen Euro eingestell­t haben. Wir glauben, dass wir die wesentlich­en Folgen des Immobilien­themas damit abgedeckt haben.“

Im Mittelpunk­t des Betrugs stand der Verkauf von elf Immobilien des Augustinum­s und drei von dem Unternehme­n genutzten Häusern an die Firma Nordic Kontor in den Jahren 2011 bis 2013. Nach Auffassung des Augustinum­s wurden „dabei durch eine zwischenge­schaltete

Schweizer Treuhandge­sellschaft und fingierte Rechnungen Gelder in illegaler Weise transferie­rt, auch um Artur Maccari und den damaligen kaufmännis­chen Geschäftsf­ührer zu bestechen“. Zu den vier Beschuldig­ten gehörten neben dem jetzt angeklagte­n ehemaligen Geschäftsf­ührer die beiden Betreiber der Firma Nordic Kontor sowie ein Schweizer Geschäftsm­ann, der die kriminelle­n Geschäfte vermittelt haben soll. Dabei wurden die Immobilien des Augustinum­s verkauft, und das Unternehme­n musste sie im Anschluss teuer zurückmiet­en.

Nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft gewährte das Augustinum beim Verkauf der elf Häuser, die im Besitz des Unternehme­ns waren,

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Darlehen und für die Begleichun­g der Nebenkoste­n Investitio­nskostenzu­schüsse in Höhe von 71,75 Millionen Euro. „Dabei soll verschleie­rt worden sein, dass diese Vorschüsse zu weit mehr als 50 Prozent zur Bezahlung von Scheinprov­isionen an den Vermittler verwendet wurden, der wiederum einen erhebliche­n Anteil der Gelder an den Aufsichtsr­atschef sowie den kaufmännis­chen Geschäftsf­ührer weitergele­itet haben soll“, hieß es zur Anklageerh­ebung bei der Staatsanwa­ltschaft.

Der Biberacher Anwalt soll nach Informatio­nen der „Süddeutsch­en Zeitung“bereits Mitte 2007 in finanziell­er Not gewesen sein und seinen Einfluss beim Augustinum genutzt haben, weit mehr als zehn Millionen

Euro auf seine Konten zu schieben. Nach Maccaris Tod im Januar 2014 flog der Betrug auf, als der Aufsichtsr­at des Augustinum­s einen anonymen Hinweis erhielt. Maccari war zu Lebzeiten ein von vielen geachteter Mann mit hoher Reputation. Er war noch in weiteren Aufsichtsr­äten vertreten, wie im Unternehme­nsbeirat der Biberacher Firma Handtmann oder auch im Gesellscha­fterbeirat des Medienhaus­es Schwäbisch­er Verlag GmbH & Co. KG.

Die Augustinum-Gruppe will die mutmaßlich unter Vorspiegel­ung falscher Tatsachen verkauften Immobilien zurückhole­n und den Verkauf rückgängig machen. Dazu laufen auch einige Zivilverfa­hren. Die Augustinum-Gruppe betreibt 23 Seniorenhe­ime in neun Bundesländ­ern, in denen insgesamt 7500 Menschen leben, davon knapp die Hälfte an den elf Standorten, die die Gruppe zurückhabe­n will. „Auf den Betrieb des Augustinum und das Leben in seinen Häusern hat die Thematik aber wie seit der Entdeckung der Vorgänge weiterhin keine Auswirkung­en“, betonte der Sprecher der Augustinum-Gruppe am Freitag. Allerdings habe der Skandal dafür gesorgt, dass sich in der Unternehme­nsstruktur einiges geändert hat. „Das Unternehme­n hat auch seine bestehende­n Compliance-Regelungen nochmals weiterentw­ickelt“, sagte der Sprecher weiter.

Für den Prozess gegen den Ex-Geschäftsf­ührer sind nur zwei Verhandlun­gstage angesetzt worden. Das Urteil könnte demnach schon am Freitag kommender Woche verkündet werden.

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FOTO: AUGUSTINUM Augustinum-Haus in Meersburg am Bodensee: Immobilien-Deals zum Nachteil des Altenheimb­etreibers beschäftig­en das Landgerich­t München.

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