Augustinum-Skandal vor Gericht
Der angeklagte Ex-Geschäftsführer des Seniorenheimbetreibers räumt Mitschuld beim Immobilienbetrug ein
MÜNCHEN/RAVENSBURG (dpa/sz) Im Prozess um Veruntreuung und Betrug gegen einen ehemaligen Geschäftsführer der Augustinum-Seniorenheime hat der Angeklagte eine Mitschuld eingeräumt. „Der Angeklagte steht zu seiner Verantwortung“, sagte sein Anwalt zu Prozessbeginn am Freitag vor dem Landgericht München I. Er trage aber keinesfalls allein die Schuld daran, dass die Augustinum-Gruppe bei dubiosen Immobiliengeschäften um Millionen geprellt wurde. Er sei „ans Messer geliefert“worden.
Die Hauptverantwortung trage ein inzwischen verstorbener Rechtsberater des Augustinums, dem der Ex-Geschäftsführer nahezu blind vertraut habe. „Es gab für mich keinen Anlass, ihm nicht zu trauen“, sagte der Angeklagte. „Ich hab die Verträge auch nicht verstanden, ich bin ehrlich. Ich bin ja kein Jurist.“Aus Sicht der Verteidigung tragen auch noch andere Augustinum-Verantwortliche eine Mitschuld. Ursprünglich waren in der Sache noch drei weitere mutmaßliche Mittäter beschuldigt worden, die nicht zur Augustinum-Gruppe, sondern zur Käuferseite gehörten. Das Verfahren gegen sie wurde allerdings nach Gerichtsangaben gegen teils hohe Geldauflagen eingestellt.
Initiator der Machenschaften soll der im Januar 2014 verstorbene, frühere Aufsichtsratschef des Konzerns, Artur Maccari, ein in Oberschwaben bekannter Anwalt aus Biberach, gewesen sein. Kern der ursprünglichen
Anklage gegen die vier Beschuldigten war nach Angaben der Staatsanwaltschaft der Vorwurf, „sich die Zustimmung zum Abschluss von für das Augustinum wirtschaftlich nachteiligen Geschäften erschlichen zu haben, um sich selbst zu bereichern“. Das Augustinum hatte 2014 nach der Entdeckung von Unregelmäßigkeiten bei früheren Immobilienverkäufen selbst Strafanzeige gestellt. Die Geschäfte haben nach AugustinumAngaben einen Umfang von rund 700 Millionen Euro gehabt.
Nicht alle dem Ex-Geschäftsführer vorgeworfenen Taten, die die Staatsanwalt in ihrer Anklage auflistete, wurden bei Gericht zur Hauptverhandlung zugelassen, wie ein Gerichtssprecher erläuterte. Bei den Vorfällen, die jetzt noch vor Gericht verhandelt werden, soll ein Schaden von sechs Millionen Euro entstanden sein. Wie hoch die AugustinumGruppe selbst den Gesamtschaden in dem mutmaßlichen Betrugsfall heute beziffert, wollte ein Sprecher des Unternehmens auf Anfrage nicht sagen. 2017 hatte Augustinum-Sprecher Matthias Steiner der „Schwäbischen Zeitung“gesagt, dass „wir in der Bilanz 2014 einen Fehlbetrag von 32 Millionen Euro eingestellt haben. Wir glauben, dass wir die wesentlichen Folgen des Immobilienthemas damit abgedeckt haben.“
Im Mittelpunkt des Betrugs stand der Verkauf von elf Immobilien des Augustinums und drei von dem Unternehmen genutzten Häusern an die Firma Nordic Kontor in den Jahren 2011 bis 2013. Nach Auffassung des Augustinums wurden „dabei durch eine zwischengeschaltete
Schweizer Treuhandgesellschaft und fingierte Rechnungen Gelder in illegaler Weise transferiert, auch um Artur Maccari und den damaligen kaufmännischen Geschäftsführer zu bestechen“. Zu den vier Beschuldigten gehörten neben dem jetzt angeklagten ehemaligen Geschäftsführer die beiden Betreiber der Firma Nordic Kontor sowie ein Schweizer Geschäftsmann, der die kriminellen Geschäfte vermittelt haben soll. Dabei wurden die Immobilien des Augustinums verkauft, und das Unternehmen musste sie im Anschluss teuer zurückmieten.
Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft gewährte das Augustinum beim Verkauf der elf Häuser, die im Besitz des Unternehmens waren,
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Darlehen und für die Begleichung der Nebenkosten Investitionskostenzuschüsse in Höhe von 71,75 Millionen Euro. „Dabei soll verschleiert worden sein, dass diese Vorschüsse zu weit mehr als 50 Prozent zur Bezahlung von Scheinprovisionen an den Vermittler verwendet wurden, der wiederum einen erheblichen Anteil der Gelder an den Aufsichtsratschef sowie den kaufmännischen Geschäftsführer weitergeleitet haben soll“, hieß es zur Anklageerhebung bei der Staatsanwaltschaft.
Der Biberacher Anwalt soll nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“bereits Mitte 2007 in finanzieller Not gewesen sein und seinen Einfluss beim Augustinum genutzt haben, weit mehr als zehn Millionen
Euro auf seine Konten zu schieben. Nach Maccaris Tod im Januar 2014 flog der Betrug auf, als der Aufsichtsrat des Augustinums einen anonymen Hinweis erhielt. Maccari war zu Lebzeiten ein von vielen geachteter Mann mit hoher Reputation. Er war noch in weiteren Aufsichtsräten vertreten, wie im Unternehmensbeirat der Biberacher Firma Handtmann oder auch im Gesellschafterbeirat des Medienhauses Schwäbischer Verlag GmbH & Co. KG.
Die Augustinum-Gruppe will die mutmaßlich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verkauften Immobilien zurückholen und den Verkauf rückgängig machen. Dazu laufen auch einige Zivilverfahren. Die Augustinum-Gruppe betreibt 23 Seniorenheime in neun Bundesländern, in denen insgesamt 7500 Menschen leben, davon knapp die Hälfte an den elf Standorten, die die Gruppe zurückhaben will. „Auf den Betrieb des Augustinum und das Leben in seinen Häusern hat die Thematik aber wie seit der Entdeckung der Vorgänge weiterhin keine Auswirkungen“, betonte der Sprecher der Augustinum-Gruppe am Freitag. Allerdings habe der Skandal dafür gesorgt, dass sich in der Unternehmensstruktur einiges geändert hat. „Das Unternehmen hat auch seine bestehenden Compliance-Regelungen nochmals weiterentwickelt“, sagte der Sprecher weiter.
Für den Prozess gegen den Ex-Geschäftsführer sind nur zwei Verhandlungstage angesetzt worden. Das Urteil könnte demnach schon am Freitag kommender Woche verkündet werden.