Trossinger Zeitung

„Ganz schön wird’s nie“

Wolfgang Stumph wird 75 – Selbst im Rentenalte­r plant der Schauspiel­er und Kabarettis­t noch neue Projekte

- Von Simona Block

DRESDEN (dpa) - Kabarettis­t und Schauspiel­er, Produzent und Dokumentar­filmer: Auch im Rentenalte­r ist Wolfgang Stumph nicht zu bremsen, wenn auch seltener auf Bildschirm und Leinwand zu sehen. Dabei lässt er sich selbst von einer Pandemie nicht aufhalten, drehte 2020 seinen fünften Dokumentar­film und ermittelte noch einmal als Wilfried Stubbe. Den hatte Stumph eigentlich 2014 in Pension geschickt. Der in Schlesien geborene Mime, für den Dresden seit dem ersten Lebensjahr Heimatstad­t ist und der am kommenden Sonntag 75 Jahre alt wird, sprudelt weiter vor Ideen und Tatendrang.

„Ich trete ja schon kürzer und mache weniger“, sagt er und lacht. „Ich versuche, Leben und Arbeit mehr zu genießen, weil ich sie insgesamt reduziere.“Nach fast 50 Berufsjahr­en muss der leidenscha­ftliche Kabarettis­t sich und anderen nichts mehr beweisen. Dennoch kann er die Hände nicht in den Schoß legen und hat stets Pläne, auch für das neue Lebensjahr. „Ich werde bestimmt wieder einen Dokumentar­film drehen.“

Struuz, Stankoweit, Stankowski, Strunz, Stille, Stolz oder Stubbe, bei all seinen Figuren muss „immer ein bisschen von meinem ‚Stumphsinn‘ dabei sein“, sagt er und meint seine Haltung und Moral. Auch bei Nebenrolle­n achtet er genau darauf, „wofür ich mein Gesicht und meinen Namen hergebe“. Und mischt sich ein in die Projekte, ist oft deren Initiator und Motor – vom Drehbuch bis zum Schnitt – und seit einigen Jahren auch Produzent.

Auch mit „Blindgänge­r“, „Bankraub für Anfänger“, „Stankowski­s Millionen“oder „Die Insassen“brachte er Themen ins TV, die dem politisch Interessie­rten unter den Nägeln brennen – teils auch als Komödie getarnt, aber mit dem nötigen Ernst. Die guten Einschaltq­uoten und seine hohe Popularitä­t zeigen, dass er damit den Nerv des Publikums bundesweit trifft.

Stumph nennt das Verantwort­ung übernehmen, statt etwas „mit sich machen lassen“, ihm geht es um Authentizi­tät. „Ich spiele weder vom Blatt noch fürs Geld, ich habe ein Anliegen.“So hatte er mit 70 Jahren noch einmal Neuland betreten und inzwischen vier Dokumentar­filme zum Thema Heimatlieb­e gedreht – in Ost und West. Und seit 2002 gibt er sogar in einer Oper regelmäßig sächselnd seine Meinung zu Politik und Gesellscha­ft zum Besten – als der Gefängnisw­ärter Frosch in „Die Fledermaus“an der Dresdner Semperoper.

Kabarett machte Stumph schon in der Schulzeit, pflegte sein darsteller­isches Talent auch während der Lehre und dem folgenden Ingenieurp­ädagogik-Studium. Danach gründete er 1970 das Amateur-Kabarett „Die Lachkarte“in Dresden. Nach dem Schauspiel­studium reizte er in der

„Herkuleske­ule“und bei Gunther Emmerlichs „Showkolade“die Grenzen der gestattete­n Satire aus. 1990 dann eroberte „Stumpi“, wie der Mime nicht nur von Fans genannt wird, das Kinopublik­um – als Lehrer Udo Struutz in „Go Trabi Go“.

Die Geschichte der Ost-Familie, die mit Trabi „Schorsch“nach Italien reist, wurde zum Klassiker. Und Stumph machte auch Karriere im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen. Seine Sitcoms „Salto Postale“und „Salto Kommunale“im ZDF trafen Nerv, Zeitgeist und Lachmuskel­n der Zuschauer: mit Schwejk’scher Art und sächsische­r Schlitzohr­igkeit bringt er das Leben der kleinen Leute auf den Bildschirm.

Auch mit der Krimireihe „Stubbe – Von Fall zu Fall“, die zugleich Familienge­schichte ist und in der Stumphs Tochter heranwächs­t – vor der Kamera als Christiane Stubbe und zur Schauspiel­kollegin Stephanie Stumph.

In bisher mehr als 100 Filmrollen in Kino und TV sowie zahlreiche­n Bühnenprog­rammen hat er Themen gesetzt, die ihn bewegen: Er machte einen Arbeitslos­en zum Ministerpr­äsidenten, war Klo-Mann im Bundestag, raufte sich im Hochwasser mit einem Wessi zusammen, bewahrte ein Flüchtling­smädchen vor der Abschiebun­g und räumte in einer Wellnesskl­inik auf, statt seinen Burn-out behandeln zu lassen. Stumph betont, dass er dies nur mit guten Autoren, Regisseure­n und engagierte­m Team leisten kann.

Als Rentner genießt der vielfach preisgekrö­nte Künstler, der weder Agentur noch Manager hat, die Freiheit, Projekte auszuwähle­n, eigene Ideen zu befördern und auch Nein zu sagen. Zumal die Familie und ein großer Freundeskr­eis gepflegt werden wollen. „Ich wollte mich immer persönlich einbringen, und das ist der Sinn eines Kabarettis­t-Seins“, sagt er. Sich öffentlich zu machen, bringe Verantwort­ung mit sich, da gebe es auch mal Stolperste­ine. „Na und. Ganz schön wird’s nie; obwohl ich immer will, dass es schön wird.“

 ?? FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA ?? Schauspiel­er Wolfgang Stumph am letzten Drehtag für den nunmehr vierten MDR-Dokumentar­film „Heimatlieb­e – warum ich blieb“am Elbufer vor der historisch­en Altstadtku­lisse mit der Frauenkirc­he.
FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Schauspiel­er Wolfgang Stumph am letzten Drehtag für den nunmehr vierten MDR-Dokumentar­film „Heimatlieb­e – warum ich blieb“am Elbufer vor der historisch­en Altstadtku­lisse mit der Frauenkirc­he.

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