Die heiße Phase lässt noch auf sich warten
Bei der ersten Kandidatendiskussion vor der Landtagswahl geht es in der Videokonferenz des DGB zahm zu
TUTTLINGEN - Der Ticker läuft: Noch sechs Wochen sind es bis zur Landtagswahl in Baden-Württemberg. Zeit für die heiße Phase des Wahlkampfs. Die wird allerdings, wie so vieles derzeit, online ablaufen. Am Donnerstagabend trafen die Kandidaten der größeren Parteien zum ersten Mal im Video-Talk aufeinander. Überraschungen gab es dabei wenige – und das nicht nur wegen der Technik.
Eingeladen hatten der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und die Allianz Mobilitätswende BadenWürttemberg. Vertreten waren fünf Kandidaten: Jens Metzger (Bündnis 90/Die Grünen), Guido Wolf (CDU), Christine Treublut (SPD), Niko Reith (FDP) und Philipp Polster (Die Linke). Etwa 80 Zuschauer waren laut DGB live dabei. Die AfD – obwohl Drittbester bei der Landtagswahl 2016 – lädt der DGB grundsätzlich nicht ein. Rüdiger Klos, der bereits Abgeordneter ist und nun im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen antritt, fehlte somit.
Auch mit ihm, soviel dürfte klar sein, wäre es schwer geworden, die Diskussion anzuheizen. Wenn zwei gleichzeitig reden, wird es auf einem normalen Podium schon schwer verständlich – im Videocall versteht man gar nichts mehr. So hielten sich die Kandidaten mit Widerworten zurück und folgten der Zwei-Minutenpro-AntwortVorgabe nahezu vorbildlich. Einzig der grüne Jens Metzger und der schwarze Guido Wolf teilten den ein oder anderen Seitenhieb gegen den Koalitionspartner aus.
Im Fokus standen die Themen Mobilität und Bildung. Geradezu einträchtig die Meinungen beim ersten Thema: Ja, es braucht die Verkehrswende, und ja, der öffentliche Nahverkehr muss ausgebaut werden. Nur den Weg dahin wollen die Kandidaten unterschiedlich beschreiten. Während Metzger neben der ÖPNVFörderung bedingungslos auf E-Mobilität setzt, wollen die anderen Parteien den Verbrenner „nicht verteufeln“, so Niko Reith. Er hält die Wasserstofftechnologie für ein verkanntes Gut: „Wir waren da schon auf einem guten Weg, haben dann aber Fehler gemacht“, meinte er. Wie ihm liegt auch Wolf die Mobilität der Menschen im ländlichen Raum am Herzen: „Wir werden dort künftig auch noch stärker auf Individualverkehr angewiesen sein“, glaubt Wolf. Metzger hielt dagegen: „Ich habe noch nie ein eigenes Auto besessen und pendle trotzdem jeden Tag zwischen Tuttlingen und Rottweil. Auch bei jüngeren Menschen findet ein Umdenken statt“, so der 30-Jährige.
Dabei nutzt er im Übrigen oft die Bahn, und mit dieser haben alle Kandidaten so ihre eigenen Erfahrungen gemacht. Der zweigleisige Ausbau der Gäubahn müsse endlich vorankommen – auch da sind sich alle Kandidaten einig. Doch während Philipp Polster der Politik vorwarf, es sei „nichts passiert“, führte Wolf die – zugegeben mageren – Erfolge der letzten Legislaturperiode ins Feld: Für den zweigleisigen Ausbau des Abschnitts
Horb-Neckarhausen ist nun immerhin Geld veranschlagt. Und doch müsse noch mehr passieren in Sachen Streckenausbau, zeigte sich Christine Treublut überzeugt: „Man hat gemerkt, wie fragil die Infrastruktur ist, als die Rheintalbahn (zwischen Karlsruhe und Basel, Anm. d. Red.) ausgefallen ist“, argumentierte sie.
Darüber hinaus dürfen die Bürgerinnen und Bürger in der kommenden Wahlperiode erwarten, dass das Tarifsystem im Land vereinfacht und ein erschwingliches Jahresticket eingeführt
FDP-Kandidat Niko Reith glaubt an die Wasserstofftechnologie. wird – denn das hatten am Donnerstag alle Kandidaten auf der Agenda.
Ebenso mit einem Sternchen in Sachen Priorität versehen: der Ausbau der digitalen Infrastruktur. Das wurde beim Thema Bildung deutlich. Treublut, die als Lehrerin nach eigenen Angaben täglich vier bis acht Stunden Fernunterricht gibt, stellt immer wieder fest, „dass es hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen Dörfer gibt, die schlechtes Internet haben“. Woran es darüber hinaus beim digitalen Unterricht fehle, seien digital aufbereitete Schulinhalte, wusste Philipp Polster von der Linken: „Das hätte das Land längst bereitstellen können, da sind andere, kleinere Länder viel weiter als wir.“
Wolf gab sich dennoch überzeugt, „dass es nicht nur an den technischen Gegebenheiten, sondern auch an den handelnden Personen liegt“. In vielen Fällen funktioniere Home Schooling gut. Bei der generellen Haltung bleibt er aber auf einer Linie mit CDU-Kultusministerin und -Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann: „Präsenzunterricht ist nach meiner Überzeugung durch nichts zu ersetzen.“
Bleibt die Frage, wie gute Lehrkräfte den Weg in den Landkreis Tuttlingen finden. Zuletzt war der Kreis stark unterversorgt. Ideen wie die höhere Besoldung von Grundschulrektoren unterstützten neben Wolf auch die anderen. Darüber hinaus soll eine höhere Zahl von Lehrern insgesamt helfen (Treublut), ein noch kleinerer Klassenteiler und mehr Praxisbezug im Studium (Metzger), keine Befristungen und gleiche Bezahlung in allen Schularten (Polster). Und, so Reith, „wir müssen selbstbewusster auftreten und klar machen, dass es attraktiv ist, in der Region zu arbeiten“.
„Wir waren da schon auf einem guten Weg, haben dann aber Fehler gemacht.“