Trossinger Zeitung

Die heiße Phase lässt noch auf sich warten

Bei der ersten Kandidaten­diskussion vor der Landtagswa­hl geht es in der Videokonfe­renz des DGB zahm zu

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Der Ticker läuft: Noch sechs Wochen sind es bis zur Landtagswa­hl in Baden-Württember­g. Zeit für die heiße Phase des Wahlkampfs. Die wird allerdings, wie so vieles derzeit, online ablaufen. Am Donnerstag­abend trafen die Kandidaten der größeren Parteien zum ersten Mal im Video-Talk aufeinande­r. Überraschu­ngen gab es dabei wenige – und das nicht nur wegen der Technik.

Eingeladen hatten der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) und die Allianz Mobilitäts­wende BadenWürtt­emberg. Vertreten waren fünf Kandidaten: Jens Metzger (Bündnis 90/Die Grünen), Guido Wolf (CDU), Christine Treublut (SPD), Niko Reith (FDP) und Philipp Polster (Die Linke). Etwa 80 Zuschauer waren laut DGB live dabei. Die AfD – obwohl Drittbeste­r bei der Landtagswa­hl 2016 – lädt der DGB grundsätzl­ich nicht ein. Rüdiger Klos, der bereits Abgeordnet­er ist und nun im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschi­ngen antritt, fehlte somit.

Auch mit ihm, soviel dürfte klar sein, wäre es schwer geworden, die Diskussion anzuheizen. Wenn zwei gleichzeit­ig reden, wird es auf einem normalen Podium schon schwer verständli­ch – im Videocall versteht man gar nichts mehr. So hielten sich die Kandidaten mit Widerworte­n zurück und folgten der Zwei-Minutenpro-AntwortVor­gabe nahezu vorbildlic­h. Einzig der grüne Jens Metzger und der schwarze Guido Wolf teilten den ein oder anderen Seitenhieb gegen den Koalitions­partner aus.

Im Fokus standen die Themen Mobilität und Bildung. Geradezu einträchti­g die Meinungen beim ersten Thema: Ja, es braucht die Verkehrswe­nde, und ja, der öffentlich­e Nahverkehr muss ausgebaut werden. Nur den Weg dahin wollen die Kandidaten unterschie­dlich beschreite­n. Während Metzger neben der ÖPNVFörder­ung bedingungs­los auf E-Mobilität setzt, wollen die anderen Parteien den Verbrenner „nicht verteufeln“, so Niko Reith. Er hält die Wasserstof­ftechnolog­ie für ein verkanntes Gut: „Wir waren da schon auf einem guten Weg, haben dann aber Fehler gemacht“, meinte er. Wie ihm liegt auch Wolf die Mobilität der Menschen im ländlichen Raum am Herzen: „Wir werden dort künftig auch noch stärker auf Individual­verkehr angewiesen sein“, glaubt Wolf. Metzger hielt dagegen: „Ich habe noch nie ein eigenes Auto besessen und pendle trotzdem jeden Tag zwischen Tuttlingen und Rottweil. Auch bei jüngeren Menschen findet ein Umdenken statt“, so der 30-Jährige.

Dabei nutzt er im Übrigen oft die Bahn, und mit dieser haben alle Kandidaten so ihre eigenen Erfahrunge­n gemacht. Der zweigleisi­ge Ausbau der Gäubahn müsse endlich vorankomme­n – auch da sind sich alle Kandidaten einig. Doch während Philipp Polster der Politik vorwarf, es sei „nichts passiert“, führte Wolf die – zugegeben mageren – Erfolge der letzten Legislatur­periode ins Feld: Für den zweigleisi­gen Ausbau des Abschnitts

Horb-Neckarhaus­en ist nun immerhin Geld veranschla­gt. Und doch müsse noch mehr passieren in Sachen Streckenau­sbau, zeigte sich Christine Treublut überzeugt: „Man hat gemerkt, wie fragil die Infrastruk­tur ist, als die Rheintalba­hn (zwischen Karlsruhe und Basel, Anm. d. Red.) ausgefalle­n ist“, argumentie­rte sie.

Darüber hinaus dürfen die Bürgerinne­n und Bürger in der kommenden Wahlperiod­e erwarten, dass das Tarifsyste­m im Land vereinfach­t und ein erschwingl­iches Jahrestick­et eingeführt

FDP-Kandidat Niko Reith glaubt an die Wasserstof­ftechnolog­ie. wird – denn das hatten am Donnerstag alle Kandidaten auf der Agenda.

Ebenso mit einem Sternchen in Sachen Priorität versehen: der Ausbau der digitalen Infrastruk­tur. Das wurde beim Thema Bildung deutlich. Treublut, die als Lehrerin nach eigenen Angaben täglich vier bis acht Stunden Fernunterr­icht gibt, stellt immer wieder fest, „dass es hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen Dörfer gibt, die schlechtes Internet haben“. Woran es darüber hinaus beim digitalen Unterricht fehle, seien digital aufbereite­te Schulinhal­te, wusste Philipp Polster von der Linken: „Das hätte das Land längst bereitstel­len können, da sind andere, kleinere Länder viel weiter als wir.“

Wolf gab sich dennoch überzeugt, „dass es nicht nur an den technische­n Gegebenhei­ten, sondern auch an den handelnden Personen liegt“. In vielen Fällen funktionie­re Home Schooling gut. Bei der generellen Haltung bleibt er aber auf einer Linie mit CDU-Kultusmini­sterin und -Spitzenkan­didatin Susanne Eisenmann: „Präsenzunt­erricht ist nach meiner Überzeugun­g durch nichts zu ersetzen.“

Bleibt die Frage, wie gute Lehrkräfte den Weg in den Landkreis Tuttlingen finden. Zuletzt war der Kreis stark unterverso­rgt. Ideen wie die höhere Besoldung von Grundschul­rektoren unterstütz­ten neben Wolf auch die anderen. Darüber hinaus soll eine höhere Zahl von Lehrern insgesamt helfen (Treublut), ein noch kleinerer Klassentei­ler und mehr Praxisbezu­g im Studium (Metzger), keine Befristung­en und gleiche Bezahlung in allen Schularten (Polster). Und, so Reith, „wir müssen selbstbewu­sster auftreten und klar machen, dass es attraktiv ist, in der Region zu arbeiten“.

„Wir waren da schon auf einem guten Weg, haben dann aber Fehler gemacht.“

 ?? FOTO: SCREENSHOT D. HECHT ?? Bei der digitalen Diskussion dabei (von oben, jeweils von links): Hans-Peter Menger (DGB), Niko Reith (FDP), Jens Metzger (Grüne), Christine Treublut (SPD), Philipp Polster (Linke), Guido Wolf (CDU), Günter Thum-Störk (Gewerkscha­ft Erziehung/ Wissenscha­ft), Mia Koch (DGB).
FOTO: SCREENSHOT D. HECHT Bei der digitalen Diskussion dabei (von oben, jeweils von links): Hans-Peter Menger (DGB), Niko Reith (FDP), Jens Metzger (Grüne), Christine Treublut (SPD), Philipp Polster (Linke), Guido Wolf (CDU), Günter Thum-Störk (Gewerkscha­ft Erziehung/ Wissenscha­ft), Mia Koch (DGB).

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