Olympia-Absage wäre finanziell fatal
Während die Weltsportverbände um ihre Erträge zittern, lässt Ungarn die ersten Athleten impfen
KÖLN (SID/dpa) - Auch wenn die Tokio-Macher eisern an ihren Plänen festhalten: Das Szenario einer Absage der Olympischen Spiele in Tokio schwebt wie ein Damoklesschwert über den internationalen Sportverbänden und der Olympischen Bewegung. Nicht nur für die Sportler wäre ein Ausfall fatal, die wirtschaftlichen Folgen wären immens. Es geht um Milliarden.
„Das wäre der finanzielle SuperGAU“, sagte Sportmarketingexperte Dennis Trautwein, Geschäftsführer Deutschland der Consulting- und Full-Service-Agentur Octagon. „Ertragsquellen würden wegbrechen, Verbände, Organisationen und Sportler gerieten in Existenzängste.“
Rund drei Viertel der IOC-Einnahmen stammen aus den TV-Rechteerlösen, allen voran NBC. Finden keine Spiele statt, fehlt dem US-Sender die Gegenleistung. „Die Medieneinnahmen sind das größte Risiko“, sagte Trautwein, „damit entstünde ein signifikantes Finanzierungsloch.“
Im Olympiazyklus von 2013 bis 2016 mit den Spielen in Sotschi (Winter) und Rio (Sommer) nahm das IOC 5,7 Milliarden Dollar ein. Rund 90 Prozent gab das IOC weiter, vor allem an die 32 Weltverbände und die Nationalen Olympischen Komitees.
Täglich fließen pro Tag rund 3,4 Millionen Dollar vom IOC an den Weltsport. „Wenn dies wegfällt, wäre das weltweit zu spüren“, sagte DOSBPräsident Alfons Hörmann. Auch „sein“Deutscher Olympischer Sportbund hätte mächtig zu knabbern. Der deutsche Dachverband erhält 30 Millionen Euro pro Olympiade.
Noch größer wären die Sorgen bei den Weltverbänden, vielen würde der
K.o. drohen. Thomas Weikert, der deutsche Präsident des Internationalen Tischtennis-Verbandes ITTF, sagte: „Wir erhalten in einem OlympiaZyklus 18 Millionen Dollar vom IOC. Das macht 20 Prozent unseres Etats aus. Wir würden zwar nicht untergehen, müssten aber bei unseren weltweiten Aktivitäten deutlich sparen.“
Die ITTF steht damit vergleichsweise gut da. „Ich weiß von Weltverbänden, da machen die IOC-Zuwendungen bis zu 90 Prozent des Etats aus“, sagte Weikert. Aufzufangen wäre dies kaum.
Die Teilnehmer in Tokio müssen wegen der besonderen Corona-Bedingungen voraussichtlich auf einen großen Teil ihrer Bewegungsfreiheit verzichten. „Sie werden auf das Olympische
Dorf und den Transport zu ihren Wettkampf- und Trainingsstätten beschränkt sein. Das ist es. Keine Besuche der Innenstadt“, sagte John Coates, australischer Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und Vorsitzender der Koordinierungskommission für Tokio.
Mit einer Reihe von „Drehbüchern“will das IOC die unterschiedlichen Teilnehmergruppen auf die Situation vor Ort vorbereiten. In den Büchern sollen die Maßnahmen bei den Spielen für Stakeholder wie Athleten, Nationale Olympische Komitees, Medien, Betreuer und Schiedsrichter erklärt werden, „um sich selbst und andere zu schützen“, hatte IOCPräsident Thomas Bach zuvor erklärt. Die erste Ausgabe der Bücher soll zeitnah veröffentlicht werden. Coates sagte weiter, die Organisatoren würden alles unternehmen, um das Olympische Dorf zum sichersten Platz Japans zu machen. Die Athleten werden in ihrer Zeit in Japan regelmäßig getestet. Bei der Frage, ob Zuschauer bei den Spielen zugelassen werden, gebe es noch keine Entscheidung. Diese werde wohl im März oder April gefällt.
Das Nationale Olympische Komitee von Ungarn hat derweil ein Impfprogramm für Athleten angekündigt, die für eine Teilnahme in Tokio und an den Olympischen Winterspielen in Peking (4. bis 20. Februar 2022) infrage kommen. Ungarns Regierung hatte den Sport offenbar dazu aufgerufen. Insgesamt sollen 868 Athleten Teil der Kampagne sein. Genutzt werde der Impfstoff des US-Unternehmens Moderna. Auf diesem Weg sollen die Athleten für die Wettbewerbe in der Qualifikation geschützt werden.
Der Start des Impfprogramms fand am Freitagmorgen mit zehn Athleten statt. Darunter befanden sich Mitglieder der Kajakmannschaft, die zu einem Trainingslager nach Südafrika reisen wollen. Die Reihenfolge der weiteren Impfungen ergebe sich aus dem Kalender der Qualifikationswettkämpfe, hieß es. Der Vorstoß der Magyaren überrascht etwas, zumal andernorts in der Europäischen Union über zu wenig Impfstoff geklagt wird und die Versorgung der älteren Menschen respektive der Risikogruppen mit Impfstoff noch nicht abgeschlossen ist. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte stets erklärt, dass eine Impfung nicht Voraussetzung für eine Teilnahme an den Olympischen Spielen sei.