Kollektives Aufatmen in Australien
Die Tennisprofis sind nach ihrer Quarantäne wieder in Freiheit – und genießen den ersten Tag in vollen Zügen
MELBOURNE (SID/dpa) - Alexander Zverev zählte die letzten Stunden seiner Quarantäne herunter, da lieferten ihm andere Tennisstars schon einen Vorgeschmack auf das unbeschwerte Leben außerhalb des Hotelzimmers. Serena Williams zog es mit Töchterchen Alexis Olympia in den Zoo, Novak Djokovic schlenderte barfuß durch einen Park – und auch Zverev hatte schon genaue Pläne geschmiedet. „Samstagabend gehen wir sofort raus, wir gehen essen und vielleicht für ein paar Stunden ins Casino“, erzählte der Hamburger mit leuchtenden Augen.
Seit der Ankunft Down Under hatten die Tennisprofis diesen Momenten der Freiheit zwei Wochen lang entgegengefiebert. Nur fünf Stunden täglich durften sie für Trainings und Behandlungen raus – die restliche Zeit mussten sie im Hotelzimmer mit Serien, Videospielen oder Workouts totschlagen. Nun kann die heiße Phase zur Vorbereitung auf die Australian Open (ab 8. Februar) endlich beginnen.
„Ich bin so froh, dass es vorbei ist. So lange Zeit in einem Zimmer mit einer Dreijährigen zu verbringen und ihre beste Freundin zu sein, ist definitiv anstrengend“, sagte Serena Williams und erzählte wohlgelaunt von ihrem Ausflug in Australiens zweitältesten Zoo in Adelaide. Die Gewinnerin von 23 Grand-Slam-Turnieren schob aber sofort hinterher, dass sie die gemeinsame Zeit mit ihrer Tochter sehr genossen habe.
Eine besonders große Last dürfte von Angelique Kerber abgefallen sein, deren Isolation schon am Freitag endete. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin gehörte zu einer Gruppe von
Sonderveröffentlichung rund 70 Profis, die aufgrund von Corona-Fällen in ihren Fliegern überhaupt nicht raus durften. Schon letzte Woche hatte sie von einem Ausflug zum Strand von St. Kilda und den „superschönen Restaurants“geträumt. Tatsächlich ging sie punkt Mitternacht zum Ablauf ihrer Quarantäne zum Training auf den Platz. „MitternachtsTennis“, schrieb die 33-jährige Kielerin zu einem Video auf Instagram. Sie fühle sich ein bisschen eingerostet, aber ziemlich gut.
Nach den Entbehrungen warten tatsächlich nicht nur kulinarische oder kulturelle Genüsse – auch auf dem Court wird vieles wie in alten ersehnten Zeiten sein. Schon am Freitag blödelten und scherzten die Topstars wie Djokovic, Rafael Nadal und Ashleigh Barty bei einem Showturnier in Adelaide – und das vor 5000 Zuschauern auf den vollbesetzten Tribünen. „Wir haben lange nicht mehr vor so einer Kulisse gespielt“, sagte die Nr. 1 der Welt Djokovic entzückt, „das ist ein besonderer Moment.“
Da Australien die Corona-Krise auch aufgrund strenger Lockdowns bislang gut gemeistert hat, ist für die Tennisprofis ein relativ unbekümmertes Leben möglich. Auch Zverev zeigte sich dankbar. „Wir werden vor Zuschauern spielen, wir dürfen ganz normal in die Stadt raus, wir sind nicht in einer Bubble, in der wir seit sechs Monaten schon sind“, sagte der Weltranglistensiebte.
Viel Zeit für Müßiggang bleibt aber nicht. Schon in der kommenden Woche greift Zverev zusammen mit JanLennard Struff und den French-OpenSiegern Kevin Krawietz/Andreas Mies beim ATP Cup an. Als erster Vorrundengegner wartet am Mittwoch Kanada, am Donnerstag (beide 0.00 Uhr/ServusTV und Sky) geht es gegen die Serben um Djokovic. Und nur wenige Tage später starten ja auch schon die Australian Open.
Während Kerber nach der strikten Quarantäne tiefstapelte („Ich kann nicht viel vom Saisonstart erwarten“), ist die Lage bei Zverev ganz anders. Nach dem Halbfinale in Melbourne und dem so knapp verlorenen Endspiel der US Open im Vorjahr könnten die Ziele größer nicht sein. „Ich will alle vier Grand Slams gewinnen“, sagte er im Eurosport-Interview selbstbewusst, „aber man muss ja realistisch sein. Es wird nicht einfach.“So mancher Traum geht in Australien dieser Tage aber ja in Erfüllung.