Kein Geld für Kliniken in der Region
Bei Zuschlägen für Krankenhäuser auf dem Land geht der Südwesten leer aus
RAVENSBURG - Für Krankenhäuser, die ländliche Gegenden medizinisch versorgen, gibt es ab diesem Jahr mehr Geld. Das sieht ein neues Gesetz von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor. Jetzt haben Vertreter der Krankenkassen und der Krankenhäuser beschlossen, wie dieses Geld verteilt wird. Wir erklären, wo jetzt Geld ankommt und warum Einrichtungen im Südwesten nur wenig profitieren
Wofür ist das Geld bestimmt?
Das Gesetz verpflichtet die Krankenkassen, die Sicherstellungszuschläge zu erhöhen. Diese erhalten Krankenhäuser in jenen Regionen, in denen die Wege zur nächsten Klinik sehr weit sind oder in denen sehr wenig Menschen wohnen. Wer die nötigen Anforderungen erfüllt, erhält bislang eine Pauschale von 400 000 Euro im Jahr. „Der Betrag wird jährlich angepasst und dient eben dazu, die Gesundheitsversorgung auch dort anbieten zu können, wo wenig Infrastruktur vorhanden ist“, erklärt der Gesundheitsökonom Axel Kern von der Hochschule Ravensburg-Weingarten.
Seit dem 1. Januar erhalten die Krankenhäuser jetzt 200 000 Euro, wenn sie eine Abteilung für Kinderund Jugendmedizin haben. Außerdem gibt es 200 000 Euro für Fachabteilungen die für eine medizinische Grundversorgung wichtig sind, darunter fallen etwa die Innere Medizin, die Gynäkologie oder eine Chirurgie mit Notfallversorgung.
Diese Zuschläge erhalten die Krankenhäuser allerdings erst, wenn sie mehr als zwei dieser Fachabteilungen haben – und dann auch nur für die zusätzlichen Fachabteilungen.
Kern schätzt die Initiative positiv ein. Er sagt: „Ich gehe schon davon aus, dass das den betroffenen Häusern hilft. Allerdings kommt es vor allem auf die Personalorganisation an, wenn es um gute Versorgung geht. Wenn die schlecht ist, dann ist der Zuschlag ein Tropfen auf den heißen Stein.“
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis aus Ulm hat mit ihrer Fraktion das Gesetz unterstützt: „Unser Ziel war, mehr Kinder- und Jugendstationen gerade in ländlichen Regionen zu erhalten, da damit ein Versorgungsauftrag einhergeht.“Auch die Landesregierung lobt das neue Modell: „Kann die flächendeckende medizinische Versorgung aufgrund der besonderen Versorgungsund Finanzierungssituation nicht gewährleistet werden, sind Sicherstellungszuschläge ein probates Mittel“, so ein Sprecher des baden-württembergischen Sozialministeriums.
Welche Krankenhäuser erhalten jetzt Geld?
Die Liste der begünstigten Krankenhäuser wird von Vertretern von Krankenkassen und Krankenhäusern erstellt. Die Kriterien: Erstens ein Versorgungsgebiet, in dem die Fahrtzeit zur nächsten Einrichtung mit medizinischer Grundversorgung mehr als 30 Minuten beträgt, zur nächsten Geburtshilfe oder kindermedizinischen Station mehr als 40 Minuten. „Berechnet
wird die Fahrtzeit mit der Software Here Maps, das bezieht auch die Topografie mit ein“, erklärt Kern. Zweitens muss die Klinik mit ihrem Angebot dafür sorgen, dass mindestens 5000 Menschen nicht länger als 30 Minuten fahren müssen. Drittens muss das Krankenhaus in einem Gebiet liegen, das eine Bevölkerungsdichte von weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer hat.
In Baden-Württemberg erfüllen nur drei Krankenhäuser diese Kriterien. Zwei liegen im Nordosten zwischen Heilbronn und Würzburg, eines in Freudenstadt. Im Vorjahr stand sogar nur eine Klinik im Südwesten auf dieser Liste. In anderen Bundesländern profitieren deutlich mehr Häuser von den Zuschlägen. In Bayern sind es 17, in MecklenburgVorpommern 25 und in Brandenburg 27 Krankenhäuser.
Warum erhalten in Baden-Württemberg nur so wenige Häuser die Zuschläge?
Der Gesundheitsökonom Axel Kern sagt dazu: „Das ist ja im Grunde etwas Positives. Die Versorgung ist in Baden-Württemberg schon so dicht, dass nur wenige Häuser die Zuschläge bekommen.“So sieht das auch die Landesregierung. „Dass nur drei Krankenhäuser in Baden-Württemberg betroffen sind zeigt deutlich, dass in Baden-Württemberg ein dichtes und starkes Netzwerk für die medizinische Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung steht“, so der Ministeriumssprecher. Kritik kommt dagegen von der Interessenvertretung der Krankenhäuser im Land.
Annette Baumer, Sprecherin der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) sagt: „Aus unserer Sicht sind die Kriterien für die Sicherstellungszuschläge zu eng gefasst und wir versuchen seit Jahren, hier bei der Bundespolitik Verbesserungen zu erreichen.“Auch im Land gebe es Krankenhäuser, die für die Versorgung wichtig seien, die aber keine Zuschläge erhielten.
SPD-Politikerin Mattheis sieht die Länder bei der Finanzierung in der Pflicht. Sie sagt: „ Diese Zuschläge sind wichtig, können aber für sich allein nicht flächendeckend Krankenhäuser finanzieren. Dazu sind ausreichende Investitionskosten vonseiten der Länder notwendig. Diese fehlen vielfach.“
Die Landesregierung in BadenWürttemberg setzt seit Jahren darauf, wenige große Klinikzentren zu fördern. Im Gegenzug müssen kleine Häuser schließen. Das Argument des zuständigen Ministers Manfred Lucha (Grüne), das auch viele Gesundheitsökonomen teilen.
Die in der Region geschlossenen Kliniken wie etwa Weingarten, Leutkirch, Riedlingen oder Spaichingen hätten wohl nicht von den Geldern profitiert, so Kern, da auch sie Teil des dichten Versorgungsnetzes waren. Aus Sicht des Landes können etwa medizinische Versorgungszentren oder ambulante Einrichtungen einige Angebote der geschlossenen Krankenhäuser ersetzen – doch sehr oft dauert es wegen bürokratischer Hürden und fehlender Finanzierung lange, bis solche alternativen Angebote die Pforten öffnen.