Warum sich das Geschäft mit der Milch nur schwerlich rentiert
Neben dem niedrigen Preis für die Rohmilch macht den Landwirten auch die Trockenheit beim Futteranbau zu schaffen
TUTTLINGEN - Frank Hofer lebt aktuell von Rücklagen. Das, was der Tuttlinger Landwirt für seine Milch bekommt, deckt seine Kosten nicht. Aktuell wird viel darüber diskutiert, ob Hofer und alle anderen Landwirte zu wenig Geld für ihre Rohmilch bekommen. Und auch, wer dafür verantwortlich ist: Verbraucher, Molkereien, Discounter? Es sei ein Teufelskreis, sagt Frank Hofer. Der lasse sich mit Geld alleine nicht aufbrechen. Zumal die Ursachen für sein Minus auf dem Konto vielfältig sind.
Genau deswegen verhandeln Landwirte, Politik und Handel in diesen Tagen über Lösungen. Seit Ende des vergangenen Jahres organisieren Landwirte Protestaktionen. Auslöser: Eine drohende Senkung des Butterpreises. Diese ist inzwischen durchgesetzt, die Stimmung der Landwirte damit immer noch auf einem Tiefpunkt.
Das, was der Verbraucher am Ende für Butter oder sonstige Milchprodukte zahlt, kommt nicht vollständig beim Erzeuger an. Landwirte erhalten den so genannten Auszahlungspreis. Das ist die Summe, die die Molkereien pro Kilo Rohmilch auszahlen. Die Molkereien wiederum müssen regelmäßig mit den Supermärkten verhandeln, wie viel sie für ihre fertig verarbeiteten Lebensmittel bekommen.
Dabei sei die Marktmacht des Einzelhandels viel zu groß, beklagt der Deutsche Bauernverband (DBV). Von den Gewinnmargen der Supermarktketten spürten Landwirte nichts. Laut einer Untersuchung des Forschungszentrums Ernährungswissenschaft in Kiel aus dem Jahr 2018 lag der Gewinn pro Liter Trinkmilch bei mehr als elf Cent pro Liter.
Von solchen Gewinnspannen kann Frank Hofer aktuell nur träumen. Aktuell bekomme er 38 Cent pro Kilo
Milch von seiner Molkerei. „Meine Ausgaben schwanken immer zwischen 30 und 50 Cent pro Kilo. In einem guten Jahr kann ich viel Geld verdienen. Wenn ich nicht extrem viel Futter zukaufen muss.“
Eigentlich baut Hofer das Futter für sein Milchvieh selbst an. Der Aufwand ist jedes Jahr der gleiche. Die Ernteerträge schwanden zuletzt aber. Dem Landwirt macht die Trockenheit zu schaffen. „Normalerweise ist es das Ziel, für zwölf Monate Futter zu produzieren. 2017 habe ich noch am 20. September angefangen, eine neue Ernte zu verfüttern. 2020 musste ich schon am 10. Juni auf eine neue Ernte zurückgreifen. In den drei trockenen Jahren habe ich drei Monate Futter. Noch ein trockenes Jahr kann ich mir nicht leisten“, erklärt Hofer.
Reicht der eigene Anbau nicht aus, muss er zukaufen. Futter- und Haltungskosten läpperten sich so sehr, dass sie mehr als die Hälfte der Herstellungskosten ausmachten.
„Eigentlich ist man gezwungen, immer mehr zu produzieren. Oder der Gewinn schrumpft. Das ist ein Teufelskreis. Wenn mehr Milch auf dem Markt ist, steigert das den Verkaufsdruck und spielt den Discountern
in die Karten. Wir können die Milch ja nicht einlagern“, erklärt Hofer.
Sprich: Wenn viel Milch auf dem Markt ist und verarbeitet wird, wollen die Molkereien ihre Produkte zeitnah verkaufen. Unter diesem Druck seien sie auch eher geneigt, auf Forderungen des Handels und niedrigere Preise einzugehen, vermutet Hofer.
Wie viel Spielraum bleibt den Molkereien da noch bei den Auszahlungspreisen? Omira aus Ravensburg lässt eine Anfrage dazu unbeantwortet. Schwarzwaldmilch aus Freiburg erklärt dagegen (mit zuletzt 40,41 Cent pro Kilo Milch im Dezember 2020 für konventionelle Milch) zu den Top-Auszahlern zu gehören. Wie viel Gewinn man erwirtschaftet, will man aber nicht beantworten. Dazu sei erklärt: Schwarzwaldmilch ist genossenschaftlich organisiert. Die Landwirte selbst halten also Anteile an der Molkerei und bestimmen selbst mit über Auszahlungspreise.
Für Frank Hofer sind das größte Problem zu niedrige Preise in den Supermärkten. Diese beteuerten zuletzt aber, mehr auf die Landwirte einzugehen. So heißt es aus der Pressestelle bei Aldi: „Die Entscheidung, künftig unsere konventionelle und BioFrischmilch ausschließlich aus heimischer deutscher Landwirtschaft zu beziehen, und uns mit langfristigen Verträgen für eine bessere Planungssicherheit einzusetzen, ist hierbei ein erster Meilenstein.“
Lidl reagiert nicht auf die Anfrage.
Edeka beteuert zumindest, die Sorgen der Landwirte aktiv aufzunehmen, will sich aber nicht weiter äußern, solange die Verhandlungen laufen.
Bei den Landwirten herrschen dagegen konkretere Vorstellungen: Der Bauernverband macht sich zum Beispiel für einen Deutschlandbonus stark. Verbraucher sollen demnach für heimische Waren einen Aufschlag zahlen.
Frank Hofer bricht in diesem Punkt aber mit Verbandspräsident und Kollegen Rukwied. „Da würden andere Länder wegen Ungleichbehandlung sicher vor dem europäischen Gerichtshof klagen. Das geht nicht durch“, ist er überzeugt. Milch werde schließlich weltweit vertrieben.
Wobei sich Hofer eine Stärkung der heimischen Landwirtschaft sehr wünscht. Er setzt auf Transparenz und regionale Vermarktung. „Für den Verbraucher ist oft nur schwer erkennbar, woher die Produkte kommen. Ich bin absolut gegen Eigenmarken. Wo Milch aus der Region drin ist, soll das auch draufstehen.“
Mit den Verhandlungen allein werden sich am Ende aber nicht alle Probleme lösen lassen, gibt Hofer zu bedenken. Zum Beispiel, weil seine Kosten in Zukunft weiter ansteigen könnten. Nicht nur durch Trockenheit, sondern auch durch immer mehr Auflagen. Durch die neue Düngeverordnung könnten sich die Kosten für die Gülleausbringung auf seinem Hof verdoppeln, rechnet Hofer.