DRK und Diakonie sorgen sich um Zukunft
Angebote können nicht stattfinden, Einnahmen fallen weg – und nicht überall greifen die Finanzhilfen
TUTTLINGEN - Die Sorgen sind unüberhörbar. „Corona setzt uns gewaltig zu“, sagt Oliver Ehret, Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Landkreis Tuttlingen. Alle Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter, und um weiter für die Menschen da sein zu können, müssen vorfinanziert werden. Eine belastende Situation: Schließlich sind dem DRK die meisten Einnahmequellen weggebrochen. Ähnlich prekär ist die Situation für die Tuttlinger Diakonie.
„Wir leben von den Dienstleistungen“, sagt Ehret. Diese können in der Corona-Pandemie mit Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln nicht in Anspruch genommen werden. Erste-Hilfe-Kurse zum Erwerb des Führerscheins würden genauso wegfallen wie die Fortbildung zum Ersthelfer im Betrieb (BG-Kurse). Erschwerend kommt hinzu, dass der Markt für gebrauchte Kleidung und Stoffe zusammengebrochen sei, wie Ehret erzählt.
Zwar rechnet er damit, dass der Kleiderladen, in dem gute, gebrauchte Anziehsachen zu symbolischen Preisen an sozial Bedürftige verkauft werden, wieder in Anspruch genommen wird, sobald das Geschäft öffnen darf. Mit ähnlich hohen Erlösen aus dem Weiterverkauf anderer gebrauchter Stoffe an die Industrie für die Herstellung von Isolier- und Dämmmaterialien kann Ehret aber nicht mehr kalkulieren. Man habe, nachdem der Vertrag mit dem abholenden Unternehmen Ende des Jahres ausgelaufen ist, zwar einen neuen „Abholer“gefunden. Die Konditionen des Vertrages sind aber deutlich schlechter. Rund ein Drittel weniger Geld kommt in die Kassen des DRK.
TRAUERANZEIGEN
In einem früheren Artikel hatte Ehret erklärt, dass das DRK mit den Altkleidersammlungen rund 50 000 Euro im Jahr verdiene.
Zwar gebe es eine Art „Rettungsschirm“auch für die Institutionen des DRK. Mit einer hundertprozentigen Kompensation der Einnahmeausfälle beziehungsweise der Mehrkosten sei aber nicht zu rechnen. „Ich hoffe, wir kriegen einen Budgetzuschlag“, sagt er. Das DRK sei mit den gesetzlichen Krankenkassen in Verhandlungen. Bis es eine Klärung gibt, müsse das DRK aber die Ausgaben für Schutzausrüstung vorstrecken.
Laut Ehret hat dies bereits eine fünfstellige Summe erreicht. Um die Kosten im Griff zu behalten, werden Vollschutzanzüge situationsbedingt eingesetzt. Sollte der Verdacht auf eine Corona-Infektion bei einem Patienten
bestehen, geht erst ein Mitarbeiter des DRK im Schutzanzug zu der Person. Dieser beurteilt, ob auch seine Kollegen entsprechende Vorkehrungen treffen müssen. Da ein Anzug rund 30 Euro kostet, müsse man mit knappen Ressourcen sinnvoll umgehen, sagt Ehret. Die Gefahr, dass das DRK im Rettungsdienst ausfällt, besteht allerdings nicht. „Das DRK im Landkreis macht nicht zu“, wehrt Ehret trotz der schwierigen Lage ab.
Ähnliche Probleme hat aktuell die Diakonie, das Hilfswerk der Evangelischen Kirche. Der Diakonieladen in der Oberen Hauptstraße und der Möbelladen im Lebenswerk sind wegen des Lockdowns geschlossen. „Wir haben bereits entschieden, unabhängig von den Anordnungen, beide Läden bis Ende Februar geschlossen zu lassen“, erklärt Jürgen Hau,
Leiter der Tuttlinger Diakonie. Denn viele Mitarbeitende seien – wo immer möglich – in Kurzarbeit.
„Wir gehen für 2020 von Verlusten in Höhe von mindestens einem mittleren fünfstelligen Betrag aus, den wir aus der Betriebsmittelrücklage decken müssen“, sagt Hau. Noch ein solches Jahr – „und wir werden die Projekte auf keinen Fall durchhalten“.
Momentan benötigt die Einrichtung nicht nur für den Tafelladen Spenden und Unterstützung aus der Öffentlichkeit, sondern auch für den Diakonieladen und das Lebenswerk. Der Vermieter des Diakonieladens kommt der Einrichtung bei der Miete großzügig entgegen. Dennoch: Falls in absehbarer Zeit kein Normalbetrieb laufen sollte, sehe es düster aus. Hau geht davon aus, dass es spätestens bis Mitte des Jahres besser wird – das müsste für die Projekte zum Überleben reichen. „Das Lebenswerk rettet vorläufig der Umzug in die Uhlandstraße, zusammen mit dem Tafelladen. Wäre das Lebenswerk in der Föhrenstraße geblieben, würde es jetzt mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr existieren.“
Nur der Kleidercontainer des Projekts „Kleider schaffen Arbeit“ist weiterhin geöffnet und wird regelmäßig geleert. Auch diese Waren würden für den Secondhand-Markt weiterverarbeitet werden – wenn es sich um saubere und wiederverwertbare Ware handelt, in Tüten oder Säcken verpackt.
Über den Landesverband erhalte die Diakonie keine Entschädigungen. „Das Ärgerliche ist, dass wir bisher bei allen Corona-Soforthilfen, Hilfen für Kleinbetriebe und jetzt auch zuletzt beim Corona-TeilhabeFonds für Integrationsbetriebe und Sozialkaufhäuser nicht antragsberechtigt sind, weil wir eine Körperschaft öffentlichen Rechts sind“, erklärt der Tuttlinger Diakonie-Leiter. Dabei handle es sich bei der Diakonie um Eigenbetriebe mit eigenständiger Rechnungslegung, die nicht von der kirchlichen Körperschaft finanziert würden. Das bedeute aber auch, dass Projekte, die sich nicht tragen, geschlossen werden müssen. Das würde zur Kündigung der dort Beschäftigten führen, die Arbeitsgelegenheiten für die Ein-Euro-Jobber würden wegfallen und die Möglichkeit für bedürftige Menschen, günstig einzukaufen und andere Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Die einzigen Hilfen, die die Diakonie für Diakonieladen und Lebenswerk bekommen hätten, sind Beihilfen nach dem SozialdienstleisterEinsatzgesetz und Kurzarbeitergeld für die Beschäftigten.