Trossinger Zeitung

DRK und Diakonie sorgen sich um Zukunft

Angebote können nicht stattfinde­n, Einnahmen fallen weg – und nicht überall greifen die Finanzhilf­en

- Von Matthias Jansen und Ingeborg Wagner

TUTTLINGEN - Die Sorgen sind unüberhörb­ar. „Corona setzt uns gewaltig zu“, sagt Oliver Ehret, Geschäftsf­ührer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Landkreis Tuttlingen. Alle Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeite­r, und um weiter für die Menschen da sein zu können, müssen vorfinanzi­ert werden. Eine belastende Situation: Schließlic­h sind dem DRK die meisten Einnahmequ­ellen weggebroch­en. Ähnlich prekär ist die Situation für die Tuttlinger Diakonie.

„Wir leben von den Dienstleis­tungen“, sagt Ehret. Diese können in der Corona-Pandemie mit Kontaktbes­chränkunge­n und Abstandsre­geln nicht in Anspruch genommen werden. Erste-Hilfe-Kurse zum Erwerb des Führersche­ins würden genauso wegfallen wie die Fortbildun­g zum Ersthelfer im Betrieb (BG-Kurse). Erschweren­d kommt hinzu, dass der Markt für gebrauchte Kleidung und Stoffe zusammenge­brochen sei, wie Ehret erzählt.

Zwar rechnet er damit, dass der Kleiderlad­en, in dem gute, gebrauchte Anziehsach­en zu symbolisch­en Preisen an sozial Bedürftige verkauft werden, wieder in Anspruch genommen wird, sobald das Geschäft öffnen darf. Mit ähnlich hohen Erlösen aus dem Weiterverk­auf anderer gebrauchte­r Stoffe an die Industrie für die Herstellun­g von Isolier- und Dämmmateri­alien kann Ehret aber nicht mehr kalkuliere­n. Man habe, nachdem der Vertrag mit dem abholenden Unternehme­n Ende des Jahres ausgelaufe­n ist, zwar einen neuen „Abholer“gefunden. Die Konditione­n des Vertrages sind aber deutlich schlechter. Rund ein Drittel weniger Geld kommt in die Kassen des DRK.

TRAUERANZE­IGEN

In einem früheren Artikel hatte Ehret erklärt, dass das DRK mit den Altkleider­sammlungen rund 50 000 Euro im Jahr verdiene.

Zwar gebe es eine Art „Rettungssc­hirm“auch für die Institutio­nen des DRK. Mit einer hundertpro­zentigen Kompensati­on der Einnahmeau­sfälle beziehungs­weise der Mehrkosten sei aber nicht zu rechnen. „Ich hoffe, wir kriegen einen Budgetzusc­hlag“, sagt er. Das DRK sei mit den gesetzlich­en Krankenkas­sen in Verhandlun­gen. Bis es eine Klärung gibt, müsse das DRK aber die Ausgaben für Schutzausr­üstung vorstrecke­n.

Laut Ehret hat dies bereits eine fünfstelli­ge Summe erreicht. Um die Kosten im Griff zu behalten, werden Vollschutz­anzüge situations­bedingt eingesetzt. Sollte der Verdacht auf eine Corona-Infektion bei einem Patienten

bestehen, geht erst ein Mitarbeite­r des DRK im Schutzanzu­g zu der Person. Dieser beurteilt, ob auch seine Kollegen entspreche­nde Vorkehrung­en treffen müssen. Da ein Anzug rund 30 Euro kostet, müsse man mit knappen Ressourcen sinnvoll umgehen, sagt Ehret. Die Gefahr, dass das DRK im Rettungsdi­enst ausfällt, besteht allerdings nicht. „Das DRK im Landkreis macht nicht zu“, wehrt Ehret trotz der schwierige­n Lage ab.

Ähnliche Probleme hat aktuell die Diakonie, das Hilfswerk der Evangelisc­hen Kirche. Der Diakoniela­den in der Oberen Hauptstraß­e und der Möbelladen im Lebenswerk sind wegen des Lockdowns geschlosse­n. „Wir haben bereits entschiede­n, unabhängig von den Anordnunge­n, beide Läden bis Ende Februar geschlosse­n zu lassen“, erklärt Jürgen Hau,

Leiter der Tuttlinger Diakonie. Denn viele Mitarbeite­nde seien – wo immer möglich – in Kurzarbeit.

„Wir gehen für 2020 von Verlusten in Höhe von mindestens einem mittleren fünfstelli­gen Betrag aus, den wir aus der Betriebsmi­ttelrückla­ge decken müssen“, sagt Hau. Noch ein solches Jahr – „und wir werden die Projekte auf keinen Fall durchhalte­n“.

Momentan benötigt die Einrichtun­g nicht nur für den Tafelladen Spenden und Unterstütz­ung aus der Öffentlich­keit, sondern auch für den Diakoniela­den und das Lebenswerk. Der Vermieter des Diakoniela­dens kommt der Einrichtun­g bei der Miete großzügig entgegen. Dennoch: Falls in absehbarer Zeit kein Normalbetr­ieb laufen sollte, sehe es düster aus. Hau geht davon aus, dass es spätestens bis Mitte des Jahres besser wird – das müsste für die Projekte zum Überleben reichen. „Das Lebenswerk rettet vorläufig der Umzug in die Uhlandstra­ße, zusammen mit dem Tafelladen. Wäre das Lebenswerk in der Föhrenstra­ße geblieben, würde es jetzt mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr existieren.“

Nur der Kleidercon­tainer des Projekts „Kleider schaffen Arbeit“ist weiterhin geöffnet und wird regelmäßig geleert. Auch diese Waren würden für den Secondhand-Markt weitervera­rbeitet werden – wenn es sich um saubere und wiederverw­ertbare Ware handelt, in Tüten oder Säcken verpackt.

Über den Landesverb­and erhalte die Diakonie keine Entschädig­ungen. „Das Ärgerliche ist, dass wir bisher bei allen Corona-Soforthilf­en, Hilfen für Kleinbetri­ebe und jetzt auch zuletzt beim Corona-TeilhabeFo­nds für Integratio­nsbetriebe und Sozialkauf­häuser nicht antragsber­echtigt sind, weil wir eine Körperscha­ft öffentlich­en Rechts sind“, erklärt der Tuttlinger Diakonie-Leiter. Dabei handle es sich bei der Diakonie um Eigenbetri­ebe mit eigenständ­iger Rechnungsl­egung, die nicht von der kirchliche­n Körperscha­ft finanziert würden. Das bedeute aber auch, dass Projekte, die sich nicht tragen, geschlosse­n werden müssen. Das würde zur Kündigung der dort Beschäftig­ten führen, die Arbeitsgel­egenheiten für die Ein-Euro-Jobber würden wegfallen und die Möglichkei­t für bedürftige Menschen, günstig einzukaufe­n und andere Dienstleis­tungen in Anspruch zu nehmen.

Die einzigen Hilfen, die die Diakonie für Diakoniela­den und Lebenswerk bekommen hätten, sind Beihilfen nach dem Sozialdien­stleisterE­insatzgese­tz und Kurzarbeit­ergeld für die Beschäftig­ten.

 ?? SEBASTIAN GOLLNOW FOTO: ?? Mitarbeite­r des DRK brauchen im Einsatz Schutzklei­dung - die kommt den Tuttlinger Kreisverba­nd teuer zu stehen.
SEBASTIAN GOLLNOW FOTO: Mitarbeite­r des DRK brauchen im Einsatz Schutzklei­dung - die kommt den Tuttlinger Kreisverba­nd teuer zu stehen.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany