Trossinger Zeitung

Landtag statt Fernunterr­icht

Die Tuttlinger­in Christine Treublut bewirbt sich für die SPD um das Landtagsma­ndat

- Von Dorothea Hecht

TUTTLINGEN - Der Weg, auf dem Christine Treublut zur Landtagska­ndidatin der SPD im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschi­ngen bestimmt wurde, passt zu diesen Zeiten: Die Präsenzver­anstaltung stand angesichts der Hygienevor­schriften ohnehin auf wackeligen Beinen, die SPD war froh, endlich Termin und Ort festgezurr­t zu haben. Da wurde eine der Protagonis­tinnen auch noch wenige Tage zuvor in Quarantäne geschickt, eine ihrer Schülerinn­en war an Corona erkrankt.

Auf einer Videoleinw­and war Christine Treublut schließlic­h zugeschalt­et, hielt ihre Nominierun­gsrede von ihrem Tuttlinger Arbeitszim­mer aus vor einem Publikum, das in Donaueschi­ngen saß. Am Ende setzte sie sich klar gegen Konkurrent Enrico Becker durch, trotz der widrigen Umstände.

Als „surreal“beschreibt Treublut diese Erfahrung fast vier Monate später. Und doch betreibt sie diese

Art von Kommunikat­ion heute täglich. Als Lehrerin an der Fritz-ErlerSchul­e unterricht­et sie aktuell ausschließ­lich per Videochat – was mal mehr und mal weniger gut funktionie­rt. „Es gibt sehr motivierte Klassen, mit denen kann man Unterricht fast wie im Klassenzim­mer machen“, erzählt sie. Bei anderen wiederum koste es viel Energie, die Schüler bei der Stange zu halten. Und dann streikt auch oft die Technik: „Manche Schüler können Sachen nicht ausdrucken, haben kein Mikro oder die Internetve­rbindung ist nicht stabil.“Bildungsge­rechtigkei­t und digitale Infrastruk­tur im ländlichen Raum sind deshalb zwei Themen auf ihrer politische­n Agenda als Landtagska­ndidatin.

Weitere Themen: soziale Gerechtigk­eit, günstigen Wohnraum schaffen, am besten mit einer Landeswohn­raumförder­ungsgesell­schaft, und: die Mobilitäts­wende auf den Weg bringen. „Baden-Württember­g ist Autoland, das ist ja auch wichtig“, sagt Treublut etwa, „aber die Fahrrad

und Bahninfras­truktur ist nicht so gut, wie sie sein könnte.“Als passionier­te Rad- und Bahnfahrer­in weiß sie, wovon sie spricht. Erst kürzlich verpasste sie eine Kreisvorst­andssitzun­g der SPD, weil der Zug Verspätung hatte. Der Gäubahn-Ausbau muss endlich passieren, findet Treublut: „Ab Stuttgart ist man ratzfatz in Bremen oder Hannover, aber bis man in Stuttgart ist – das ist ein Leidensweg.“

Dann wäre da noch das aktuelle Thema: die Corona-Beschränku­ngen. Auch wenn sie die Auswirkung­en täglich zu spüren bekommt, hält Treublut die Regelungen für sinnvoll: „Es nervt mich, wenn Leute fragen: Ist das erlaubt? Man muss doch nicht alle Grenzen austesten, wenn man weiß, dass jeder körperlich­e Kontakt einer zu viel ist.“

Dass die 53-Jährige bei der SPD ihre politische Heimat gefunden hat, ist übrigens biografisc­h bedingt: Als gebürtige Niedersäch­sin ist ihr die SPD fast so vertraut wie den Bayern die CSU. Sie hofft, dass die Partei vor der Wahl noch ein wenig Aufwind bekommt, „aktuell sind wir auf einem viel zu niedrigen Niveau“, sagt Treublut mit Blick auf die Umfragewer­te. Was ihre eigenen Chancen angeht, bleibt sie angesichts der Konkurrenz von Schwarz und Grün realistisc­h. Sie wolle „so gut wie möglich“abschneide­n, sagt sie: „Ich gebe mein Maximum und hoffe, ein sehr gutes Ergebnis zu bekommen.“

Eine Rampensau wie manch andere Politiker, das ist Christine Treublut sicherlich nicht. Als zurückhalt­end und auch mal als wortkarg sei sie schon bezeichnet worden, sagt sie. Dennoch findet sie Wege, ihre Meinung kundzutun, und zwar auch, wenn es unbequem wird. Nicht nur im persönlich­en Gespräch, auch wenn bei Facebook und Co. Halbwahrhe­iten verbreitet werden. „Wenn ich Zeit und Lust habe, kommentier­e ich das“, sagt sie, „es müssen ja auch welche dagegen halten, die sagen: Das sehe ich anders.“

Persönlich wird sie bald, wie sich das für klassische Tuttlinger Wahlkämpfe gehört, freitags auf dem Marktplatz anzutreffe­n sein.

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FOTO: DOROTHEA HECHT Christine Treublut

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