Im Verteidigungsmodus
SPD und FDP üben Kritik an Sozialminister Lucha – Er soll Zustände in Seniorenheimen verschleiert haben
STUTTGART (lsw) - Die hohe Zahl der Todesfälle in Altenheimen erschüttert. Kurz vor der Wahl machte das noch einmal die Opposition von SPD und FDP zum Thema im Sozialausschuss. Der zuständige Minister sieht keine Versäumnisse.
Die Anzahl der Todesfälle in baden-württembergischen Alten- und Pflegeheimen, die an oder mit Covid-19 verstorben sind, ist deutlich niedriger als in vielen anderen Bundesländern. Bislang sei im Land bei 2846 Menschen angegeben worden, dass sie bei Ausbrüchen in den Einrichtungen starben, teilte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart mit. Insgesamt seien bislang 7566 Menschen (Stand: 10. Februar) im Land an oder mit der Erkrankung verstorben. Der Anteil der bei Ausbrüchen in den Heimen verstorbenen Personen betrage damit 37,6 Prozent.
In Brandenburg betrug die Quote 47,8 Prozent, wie Lucha mitteilte. In Berlin seien es beispielsweise 57 Prozent, in Schleswig-Holstein 71 Prozent, in Rheinland-Pfalz 32,8 Prozent und in Niedersachsen 37,6 Prozent. „Aus der Zahl der Todesfälle und dem Anteil der Pflegeheimbewohner den Schluss zu ziehen, dass Schutzmaßnahmen fahrlässig vernachlässigt worden wären, ist so nicht akzeptabel und stellt auch eine Geringschätzung des Pflegepersonals und der Vorsorgemaßnahmen der Einrichtungen dar.“
Etwa 90 Prozent der infolge der Erkrankung verstorbenen Menschen in Deutschland seien 70 Jahre und älter. Der Grünen-Politiker sah keine Versäumnisse beim Schutz der Einrichtungen vor dem Coronavirus. Das Thema habe höchste Priorität. Er verwies auf die inzwischen regelmäßigen Tests für Pflegepersonal und Bewohner sowie von Besuchern und die FFP2-Maskenpflicht.
Der Pflegeschutzbund Biva hatte in einer eigenen Umfrage vor den Weihnachtsfeiertagen erfahren, dass 40 Prozent der Umfrageteilnehmer in Baden-Württemberg Angehörige ohne Schnelltest in den Heimen besucht hatten. Dieser Wert lag 13 Prozent über dem Bundesschnitt.
Die Sondersitzung des Ausschusses hatten die Oppositionsfraktionen von FDP und SPD beantragt. Hintergrund ist die insgesamt hohe Zahl der Todesfälle in den Einrichtungen. Die SPD-Politikerin Sabine Wölfle warf Lucha vor, die Öffentlichkeit lediglich beschwichtigen zu wollen. „Der Sozialminister hat die Öffentlichkeit über die dramatischen Zustände in den Heimen nicht richtig informiert“, kritisierte Wölfe. Sein Krisenmanagement zum Schutz der Pflegeheime sei jedoch viel zu sorglos. „Er hat die Testpflicht für Besucher Wochen zu spät eingeführt, die Pflegeheimbewohner im Vergleich zu anderen Bundesländern viel zu langsam geimpft und Schutzmasken geliefert, die er jetzt wieder einsammeln muss“, so Wölfle.
Der FDP-Abgeordnete Jochen Haußmann sagte, von Minister Lucha habe man stets nur gehört, wie hervorragend angeblich alles laufe. „Doch der schöne Schein bekommt beim genauen Hinsehen erhebliche Kratzer“, monierte der Liberale. Sei es bei der Impfstrategie, bei den FFP2-Masken oder der klaren und transparenten Darstellung der Todesfälle in Pflegeheimen – überall habe Lucha zunächst viel versprochen und Kritik abgewiegelt. Im Nachhinein seien jedoch große Probleme zutage getreten – etwa, die fünf Millionen Masken, die das Land wegen Mängeln aussortieren müsse. Auch das Impfmanagement laufe weiter schleppend.