Vom Vatikan enttäuscht
Viele deutsche Katholiken kritisieren Nein der römischen Glaubenskongregation zu Segnungen homosexueller Paare
KÖLN/ROM (dpa) - Die Segnung homosexueller Paare verstößt „objektiv“gegen Gottes Willen – mit dieser Klarstellung enttäuscht der Vatikan zahllose deutsche Katholiken. Ist es das Ende aller Hoffnung auf Reformen?
Roma locuta, causa finita – Rom hat gesprochen, die Sache ist erledigt. So heißt es traditionell in der katholischen Kirche. Doch für das Nein der römischen Glaubenskongregation zur Segnung homosexueller Partnerschaften gilt das offenkundig nicht. Die Entscheidung hat in Deutschlands katholischer Kirche einen Proteststurm entfacht – von der Katholischen Frauengemeinschaft bis zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Und die sind nun nicht gerade als revolutionäre Zellen bekannt.
Motorräder, Tiere und sogar ein Gitter vor dem Kölner Dom würden von der Kirche gesegnet – aber keine homosexuellen Menschen, konstatiert Carolin Kebekus. Die preisgekrönte Komikerin aus Köln nennt das ein „Armutszeugnis“. Kebekus ist zwar schon vor Jahren aus der Kirche ausgetreten, betrachtet sich aber nach wie vor als Katholikin. „In dieser Entscheidung offenbart sich erneut die mannigfaltige Menschenfeindlichkeit der katholischen Kirche“, sagt die 40-Jährige.
Am Montag hatte die Glaubenskongregation des Vatikans klargestellt, dass es „nicht erlaubt“sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen, da solche Verbindungen „nicht als objektiv auf die geoffenbarten Pläne Gottes hingeordnet anerkannt werden“könnten. Auf Deutsch: Selbst wenn der Papst wollte, dürfte er nicht – denn Gott hat’s verboten.
Der Vatikan verhalte sich wie ein „doktrinärer Elefant im Porzellanladen“, spottet der Moraltheologe Daniel Bogner. „Das Groteske ist ja, dass Rom hier auftritt wie eine Verwaltungsoberbehörde für Moralangelegenheiten, die mal eben ein Dekret herausgibt, das in den Bereich der intimen Selbstbestimmung eingreift.“
Die große Frage ist jetzt: Was bedeutet der Bannstrahl aus Rom für den Synodalen Weg, den derzeit laufenden Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland? Er ist international einzigartig und wird deshalb von der römischen Zentralverwaltung
mit Argusaugen verfolgt. Viele reformorientierte Katholiken hatten gehofft, dass am Ende des Prozesses Segnungen homosexueller Paare offiziell zugelassen werden könnten. Doch das war wohl ein Irrtum.
Der Münsteraner Theologe Michael Seewald, Experte für Dogmatik, zeigt sich angesichts dieser Situation pessimistisch. „Für den Synodalen Weg ist das sehr schädlich“, glaubt er. „Ich frage mich ehrlich gesagt, über was der Synodale Weg noch beraten will und was er noch beschließen kann. Drei der vier Synodalforen sind praktisch erledigt.“
Im Synodalen Weg geht es um vier Themenkomplexe: die Stellung der Frau in der Kirche, die kirchliche Sexualmoral, die priesterliche Ehelosigkeit (Zölibat) und den Umgang mit Macht. Die ersten drei Themen seien vom Vatikan bereits abgeräumt worden, meint Seewald.
So habe der Papst nach der sogenannten Amazonas-Synode trotz gegenteiliger Erwartungen noch einmal die Bedeutung des Zölibats betont. Bei der Öffnung des Priesteramts für Frauen sei ebenfalls nicht mit einem Entgegenkommen Roms zu rechnen. Und nun seien auch noch Segnungen homosexueller Paare verboten worden – was in der Praxis übrigens durchaus schon von Priestern gemacht wird. Seewalds Fazit: „Drei von vier Synodalforen sind von Rom bereits so eingehegt, dass Bewegung in ihnen sehr unwahrscheinlich ist.“
Sein Kollege Bogner von der schweizerischen Universität Freiburg betrachtet den Synodalen Weg dagegen noch keinesfalls als gescheitert. Die deutschen Katholiken hätten keinen Grund, klein beizugeben. „Das wäre ein vorauseilendes Sichfügen in die Autorität Roms. Warum sollte man das tun? Es ist derzeit sehr viel in Bewegung. Rom versucht, seine Position zu markieren, man sieht aber an allen Ecken und Enden, dass das nicht funktioniert und sich die Bewegung nicht aufhalten lässt. Wir sind in einem offenen Kräftefeld.“
Wer etwas verändern wolle, sei jetzt aufgefordert, den Stier bei den Hörnern zu packen und zu sagen: „Wir als deutsche Kirche meinen, dass die Lehre an bestimmten Stellen weiterentwickelt werden muss.“Diese Herausforderung müsse die deutsche Kirche jetzt annehmen.