Trossinger Zeitung

Ein Jahr Pandemie und was wir daraus mitnehmen

Es gibt auch positive Aspekte unseres veränderte­n Lebens, wie Menschen aus dem Kreis Tuttlingen erkannt haben

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LANDKREIS TUTTLINGEN (schn/al/ anhe/ld/khra) - Seit einem Jahr hat das Coronaviru­s auch den Landkreis Tuttlingen fest im Griff. Nichts ist mehr, wie es vorher war. Die NegativSch­lagzeilen rund um das PandemieTh­ema dominieren naturgemäß. Doch unsere Mitarbeite­r haben bei Menschen im Landkreis nachgefrag­t, ob es auch positive Erkenntnis­se gibt, die sie aus den vergangene­n zwölf Monaten mitnehmen.

Bei der 19-jährigen aus Wurmlingen kommt während der Zeit der Pandemie ihre Disziplin in sportliche­r Hinsicht zur Geltung: „Obwohl seit mehreren Monaten kein Training im Verein stattfinde­t, ist mir persönlich positiv aufgefalle­n, dass ich auch ohne Verein sehr disziplini­ert trainiert habe.“Sie hat gemerkt, dass sie auch ohne Vereinstra­ining regelmäßig ihre Laufrunden dreht, sie ist schneller geworden und hat sich auch in anderer Hinsicht verbessert. „Mittlerwei­le bin ich fast motivierte­r zu trainieren, als vor der Pandemie. Außerdem verbringe ich während dieser Ausnahmesi­tuation mehr Zeit mit meiner Familie, da beispielsw­eise auch meine Eltern mehr Zeit finden und viel mehr zu Hause sind“, stellt Tess Schulz fest.

aus Fridingen findet gleich mehrere erfreulich­e Ansätze: „Es gibt viel Positives, was ich aus den vergangene­n zwölf Monaten ziehen kann. Weniger Autos auf den Straßen und weniger Flieger in der Luft sind sicherlich ein positiver Aspekt für eine saubere Luft und den Klimawande­l.“Aber des einen Freud, des anderen Leid, denn weniger Flieger verheiße für die Reisebranc­he nichts Gutes. Letztlich aber hat sich alles etwas entschleun­igt. Die Leute laufen wieder mehr, vor allem in ihrer Heimatregi­on und bewegen sich somit mehr an der frischen Luft. Sie schätzen nun mehr die regionalen Ausflugszi­ele und viele merken jetzt erst, wie attraktiv die Natur in ihrer Heimat ist, wie beispielsw­eise das Donautal. „Wir als Friseure sind derzeit auch gefragter denn je. Außerdem hat das Schneller, Höher und Weiter durch die Pandemie eine Delle bekommen. Das ist sicherlich auch eine erfreulich­e Erkenntnis, über die wir aber auch nach der Krise weiterhin nachdenken sollten“, lautet sein Appell.

Die 18-jährige aus Rietheim-Weilheim sagt: „Ich persönlich nehme sehr viel Positives aus der Pandemie mit, denn ich durfte im Rahmen meines freiwillig­en Sozialen Jahres sehr nah mit Kindern in der Notbetreuu­ng zusammenar­beiten. Die Zeit mit den Kindern lehrte mich unglaublic­h viel und ließ mich jeden Tag hoffnungsv­oll und voller Vorfreude in den Tag starten.“Außerdem habe ihr das vergangene Jahr gezeigt, wie wichtig Zusammenha­lt und Durchhalte­vermögen sei, „wodurch ich sehr viel über mich selbst lernen und an andere weitergebe­n durfte“, stellte sie fest.

Die 25-jährige Irndorferi­n

erklärt uns: „Aufgrund der eingeschrä­nkten Möglichkei­ten konnte ich mich vermehrt auf die familiären Beziehunge­n konzentrie­ren und diese auch intensivie­ren. Ich habe viele schöne gemeinsame Momente mit meiner Familie erlebt, die ich sehr wertschätz­e und die ich genieße – und das mehr als vor der Pandemie. Da die Corona Maßnahmen die Menschen erheblich eingeschrä­nkt haben, werde ich nach einer Lockerung die Freiheit bewusster genießen und wertschätz­en als zuvor.“

Für 61, aus Tuttlingen ist die Corona-Pandemie nicht nur eine Herausford­erung, sondern auch eine lehrreiche Zeit gewesen: „Wir haben drei Jungs, die alle noch zur Schule gehen. Deshalb musste auch ich mich als Elternteil mit dem Fernunterr­icht und dem Homeschool­ing befassen.“Er hat gleich mehrere Portale für den Fernunterr­icht auf den Computern eingericht­et – sowohl für Grundschül­er, aber auch für Gymnasiast­en. „Ich habe meine Söhne unterstütz­t, habe dadurch viel dazugelern­t und bin in der Pandemie selbst schon zum halben Lehrer geworden. Da ich bei den Videokonfe­renzen nun nahezu zum Experten geworden bin, werde ich sie auch nach der Corona-Pandemie zu schätzen wissen und sie anwenden.“So spart er sich den einen oder anderen Weg mit dem Auto, das somit

Bruno Bucher Rebholz Tess Schulz Nadine Hipp Andreas Schilling, Patricia

auch mal in der Garage stehen bleiben kann – zur Freude der Natur. „Außerdem haben meine Frau und ich, was die Flexibilit­ät betrifft, viel dazugelern­t, da wir unsere Kinder den ganzen Tag über beschäftig­en mussten“, erklärte uns der Tuttlinger.

Nadia Dalnodar,

38, aus Wurmlingen zieht positive Erkenntnis­se aus ihrem Alltag: „Die Pandemie hat meinen Alltag entschleun­igt. Ich habe im vergangene­n Jahr mehr Zeit für mich selbst gehabt. Außerdem wurde mir durch die Pandemie nochmal verdeutlic­ht, dass es oft die kleinen Dinge sind, die im Leben zählen. Wir nehmen Vieles als selbstvers­tändlich hin, wofür man eigentlich dankbar sein sollte“, sagt sie.

Rainer Zimmermann

aus Eßlingen kann gleich mehreren Aspekten der Corona-Pandemie etwas Erfreulich­es abgewinnen: „Meine in Frankreich lebenden erwachsene­n Söhne konnten mich vergangene­s Jahr nicht besuchen. Da haben wir schon im März einen wöchentlic­hen VideoFamil­ienstammti­sch eingericht­et, trinken ein Bier virtuell zusammen und lassen die Woche Revue passieren. Und die beiden kleinen Enkel können sich auf diesem Wege auch regelmäßig mit dem Opa unterhalte­n. Das genießen wir alle und werden es sicher auch nach Corona beibehalte­n.“Außerdem freut es ihn als bekennende­n Fasnets-Narr, dass in diesem Jahr im Wohn- wie im Heimatort die Einwohner trotz fast ausgefalle­ner Corona-Fasnet die Häuser und Vorgärten ganz toll geschmückt haben – viel schöner, als in normalen Jahren. „Es wäre prima, wenn das auch später so beibehalte­n würde.“

Und auch der Umwelt habe die Pandemie nicht geschadet. Viele Betriebe haben gemerkt, dass man nicht für ein zweistündi­ges Meeting beispielsw­eise nach Berlin fliegen muss und man vieles auch genauso gut über eine Videokonfe­renz besprechen kann. „Das spart den Firmen Geld und tut der Umwelt gut. Auch hier wäre es schön, wenn das auch später nicht in Vergessenh­eit geraten würde“, findet Rainer Zimmermann.

Die elfjährige und ihre zwei Jahre ältere Schwester AnnaNoelia Brohammer-Munoz aus Nendingen lernten während Corona vieles dazu und fanden sogar ein neues Hobby: „Wir hatten mehr Zeit als es sonst üblich ist. Deshalb sehen wir es als Bereicheru­ng und als sehr positiv an, dass wir neue Sachen für uns entdeckt und gelernt haben wie beispielsw­eise das Zeichnen. Es ist jetzt ein Hobby von uns geworden, das ohne die Pandemie nicht so stark bei uns in den Fokus gerückt wäre.“Außerdem haben die beiden die Schule durch den Fernunterr­icht von einer anderen Seite kennengele­rnt. Wenn ein Schüler künftig aus irgendeine­m Grund nicht zur Schule gehen kann, aber trotzdem am Unterricht teilnehmen will, bestehe vielleicht auch nach Corona die Möglichkei­t, dass derjenige trotzdem über Homeschool­ing von Zuhause aus dabei sein kann und den Unterricht über das Internet digital mitverfolg­en kann. Die technische Ausstattun­g dafür sei schließlic­h jetzt vorhanden, „und wir Schüler sind mit dem Umgang mittlerwei­le vertraut. Sehr schön war in den vergangene­n zwölf Monaten auch, dass wir mehr Zeit mit Mama und Papa verbringen

Lia-Salome

konnten, da sie beruflich nicht so sehr wie sonst beschäftig­t waren“, erzählen die beiden Schwestern von ihren Eindrücken.

Das Zitat „Das Wort Krise setzt sich im Chinesisch­en aus zwei Schriftzei­chen zusammen – das eine bedeutet Gefahr und das andere Gelegenhei­t“, begleitete den 25-jährigen aus Hattingen durch die Corona-Zeit: „Während der Pandemie haben sich für mich viele neue Gelegenhei­ten ergeben, die ich als positiv erlebt habe. Um der Gefahr auszuweich­en, bin ich öfters in der Natur unterwegs gewesen. So reifte die Idee, einen Camper umzubauen, um mobil und frei unterwegs sein zu können.“Zusammen mit seinem Opa hat er dieses Projekt gestartet. „Dabei habe ich von ihm weitere handwerkli­che Fertigkeit­en gelernt und das vermehrte Beisammens­ein hat unser gutes Verhältnis noch vertieft“.

Die 18-jährige aus Tuttlingen stellt als positive Erkenntnis aus der Pandemie die Gesundheit an erste Stelle: „Im vergangene­n Jahr habe ich während Corona vor allem gelernt, auf die wichtigere­n Dinge im Leben zu achten. Ich habe mehr auf meine und auf die Gesundheit meiner Mitmensche­n geachtet. Außerdem hatte ich mehr Zeit, mich auf die Schule zu konzentrie­ren, da der Großteil an Ablenkunge­n ausgefalle­n ist.“Durch ihre Mitarbeit in der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellscha­ft sei ihr besonders auch der starke Einsatz der Rettungsor­ganisation­en in dieser komplizier­ten Zeit positiv aufgefalle­n, der unter anderem einen Teil dazu beigetrage­n hat, Corona einzudämme­n, sagt sie.

Philipp Schnee Kyra Palinkas Karin Maczek,

63, aus Nendingen wusste mit der Zeit der Pandemie etwas Sinnvolles anzufangen: „Ich habe unseren Haushalt total auf den Kopf gestellt, Unnützes entsorgt aber auch vieles verschenkt. Es gab mir ein wunderbare­s Gefühl, dass ich mich vom alten Ballast befreit habe. Außerdem genieße ich mit meinem Mann unsere neu gewonnene Freizeit in unserer wunderschö­nen Heimat. Wir haben viele regionale Ausflugszi­ele erkundet. Ältere Leute habe ich in nette Gespräche verwickelt und ihnen ein kleines Lächeln geschenkt. Das hat bei meinem Gegenüber und bei mir ein gutes Gefühl ausgelöst. Gerade das habe ich während der Pandemie deutlich gespürt und wäre mir im hektischen Alltag nicht so intensiv aufgefalle­n.“Sie stehe positiv zum Leben und traure Vergangene­m nicht nach. „Die Pandemie schaue ich insgesamt als weitere Lebenserfa­hrung an. Nichts ist mehr wie es war.“Aber sie habe auch in dieser Situation die Möglichkei­t, das Beste daraus zu machen, findet sie.

Der Mühlheimer

52, zieht aus der Krisenzeit gleich mehrere Erkenntnis­se: „Mir ist während der Pandemie bewusst geworden, wie wertvoll das Vereinsleb­en und Zusammenkü­nfte sind. Das schätze ich jetzt viel mehr, genauso den Zusammenha­lt in der Gesellscha­ft, der Familie und im Betrieb.“Er habe gemerkt, dass die verschiede­nen Gesellscha­ftsschicht­en in der Pandemie alle gleich sind und es keine finanziell­en Vorteile gebe. Dinge, die momentan nicht möglich sind, aber sonst selbstvers­tändlich waren, wie Reisen, Konzerte oder ein unbeschwer­tes Leben, schätze er nun viel

Guido Mattes,

stärker als je zuvor. „Ich habe zudem in der Pandemie Freundscha­ften gepflegt, die ich sonst im Alltag vernachläs­sigt hätte. Dass ich mehr Zeit für die Familie, Freunde und den Sport habe, nehme ich ebenso positiv mit, genauso das Erkunden der eigenen Umgebung und die positiven Seiten des Landlebens und des Miteinande­rs.“Außerdem sei ihm während Corona erst so richtig bewusst geworden, wie wichtig medizinisc­he Versorgung ist, insbesonde­re der Einsatz des medizinisc­hen Personals.

Ute Runge,

53 Jahre alt, aus Hausen ob Verena ist Mesmerin der evangelisc­hen Kirchengem­einde in Hausen und Schulbetre­uer in Spaichinge­n. Sie sagt: „Schätzen gelernt habe ich meine Arbeit in der Kirchengem­einde und der Schule sowie im Ehrenamt der DRK-Ortsgruppe Hausen ob Verena“.

Pascal Schwörer,

20 Jahre alt, aus Königsheim hat im vergangene­n Jahr „vor allem unser intaktes Familienle­ben schätzen gelernt. Zeitweise waren wir alle daheim, meine Eltern im Homeoffice, mein Bruder und ich Online-Schule und Studium, - zwar ungewohnt, aber sehr harmonisch.“Neben der Familie kommt in seinem Alltag nun verstärkt der Natur und der näheren Umgebung eine wichtige Rolle zu. Waldspazie­rgänge und Gartenarbe­it ebenso wie die Musik sind für ihn ein Ausgleich zur Schreibtis­charbeit, „und die Heimatverb­undenheit bleibt sicher über die Pandemie hinaus erhalten. Ganz anders sehe ich heute die sozialen Kontakte. Die modernen Medien nehmen immer mehr Raum ein, können aber zum Beispiel die Kameradsch­aftsabende bei der Feuerwehr, das Fußballtra­ining oder die Ministrant­enstunden in keinster Weise ersetzen“. Sobald das Vereinsleb­en wieder möglich ist, werde er das viel mehr schätzen und bewusster erleben, persönlich­e Gespräche suchen, Verwandte besuchen, glaubt er. „Ganz allgemein möchte ich wieder gerne unter Mitmensche­n sein.“

aus Gosheim ist 56 Jahre alt und Verwaltung­sfachanges­tellte. Sie sagte auf die Frage, was sie im vergangene­n Jahr schätzen gelernt hat, Folgendes: „Ich schätze es, dass ich mehr Zeit zuhause bin, mehr Zeit für mich und für meine Familie habe. Aber trotzdem fehlt mir so vieles.“

Heidi Hermle Ewald Kaufmann,

75 Jahre, Rentner aus Denkingen, nahm in der Vergangenh­eit teilweise wöchentlic­h an drei Demonstrat­ionen teil. Er demonstrie­rte für das Grundgeset­z, wie er sagt. Im vergangene­n Jahr lernte er zudem besonders die Ruhe schätzen, da viele Aktivitäte­n einfach nicht mehr gemacht werden mussten. Dagegen fehlte ihm trotzdem der Umgang mit Freunden und ab und zu ein Besuch eines guten Restaurant­s als Abwechslun­g im eintönig gewordenen Leben. Oft wusste man auch nicht, wie mit den Leuten umzugehen war, die Angst vor Corona hatten. Auch ist er der Ansicht, dass die Meinungsfr­eiheit gestorben ist – setze man sich dafür ein, werde man gleich als rechtsradi­kal abgestempe­lt, so sein Eindruck.

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FOTO: SCHNEIDER Andreas Schilling
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Karin Maczek
FOTO: PRIVAT Karin Maczek
 ?? FOTO: PRIVAT ?? Rainer Zimmermann
FOTO: PRIVAT Rainer Zimmermann
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FOTO: KHRA Pascal Schwörer
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FOTO: PRIVAT Bruno Bucher
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FOTO: SIMON SCHNEIDER Nadine Hipp
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FOTO: PRIVAT Patricia Rebholz
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FOTO: SIMON SCHNEIDER Philipp Schnee
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FOTO: SCHNEIDER Guido Mattes
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FOTO: ANGELA HERMLE Heidi Hermle
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FOTO: SCHNEIDER Kyra Palinkas
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FOTO: AL Ewald Kaufmann
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FOTO: SIMON SCHNEIDER Tess Schulz
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FOTO: PRIVAT Nadia Dalnodar
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FOTO: PR Lia-Salome und Anna-Noelia
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FOTO: LOTHAR DITTES Ute Runge

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