Jeder kann sich ein Mal pro Woche testen lassen
Arbeitsmedizin-Praxis Dr. Aicher ist Anlaufstelle – Aber „Spaichinger Modellprojekt“noch nicht in Sicht
SPAICHINGEN - Das Paar vor der Tür hat es schon mitbekommen: Die Arbeitsmedizin-Praxis von Dr. Gerhard Aicher bietet neben zahlreichen Kommunen nun auch kostenlose Corona-Schnelltests an. Dies in der Hauptstraße 64 in Spaichingen montags bis freitags von 8 bis 11 Uhr. auf eine mögliche Rolle als Modellstadt nach dem Vorbild Tübingen, macht Bürgermeister Markus Hugger angesichts der steigenden Infektionszahlen vorerst aber wenig Hoffnung
Gleich als erste haben sich die beiden testen lassen und warten jetzt draußen auf das Ergebnis des Schnelltests. Drin ist ein Teil des Flurs abgetrennt, damit sich die Besucher des Behandlungszimmers hinten nicht mit den Testwilligen in die Quere kommen. Sollte es aber einen größeren Andrang geben – „Gott bewahre!“sagt Dr. Gerd Aicher lachend mit einem Blick auf seine Mitarbeiter – könne man den zweiten Teil ebenfalls als Testbereich einrichten. Ein Kohlendioxid-Messgerät warnt, wenn wieder gelüftet werden muss.
Tabea Epple ist komplett eingepackt, damit sie beim Testen vollständig geschützt ist. Noch werden die „alten“Schnelltests verbraucht, die neuen sind aber schon auf Lager. Man könne sich damit am Markt eindecken und mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen. Theoretisch könne sich die Praxis auch vorstellen, Bestandteil einer breiteren Teststrategie zu sein, aber das wird momentan von den aktuellen Entwicklungen überholt (siehe unten im Text und auf weiteren Seiten).
Doch mit der neuen Testverordnung kann sich jeder und jede ab 18 Jahren jetzt ein Mal pro Woche in der Praxis testen lassen, Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren brauchen eine Einverständniserklärung. Aicher und sein Team haben inzwischen reichlich Erfahrung, seit Monaten schicken zahlreiche Firmen ihre Mitarbeiter zum Testen. Überhaupt ist die Beratung und Unterstützung der Firmen seit kurzer Zeit nach Ausbruch der Pandemie das große Thema. Zu Beginn musste die Praxis sogar Kurzarbeit anmelden, weil die Firmen niemanden von außen in ihre Räume gelassen hätten. „Dann haben sie aber erkannt, dass sie Rat gut brauchen können.“ Auch wenn von außen nicht immer klar war, wie die Strategie sei: Für die Firmen gibt es klare Handlungsanleitungen und umfangreiche Informationen.
Wie sind Schwangere zu schützen, welche Hygieneregeln gelten, was ist zu tun, wenn jemand Symptome hat und vieles mehr ist hier geregelt. Vier Ärzte, davon zwei in Teilzeit, arbeiten in der Praxis und je nach Bedarf zwei bis vier weitere Mitarbeiter. Aicher ist Facharzt für Arbeitsmedizin und froh, dass sein Sohn, Dr. Michael Aicher eingestiegen ist und die Praxis langfristig übernehmen werde.
Was die Lage über so lange Zeit schwierig macht, sei, dass man nicht wisse, wie und ob weiter verfahren werde, etwa mit den Impfungen, auf die alle Betriebe warteten. Und Aicher
sagt: „Die Leute sind coronamüde“. Verschwörungstheorien brauche es gar nicht für eine gedrückte Stimmung. Und: Er fürchte, dass die Leute jetzt weniger Bewusstsein etwa für die saisonale Grippeimpfung haben könnten.
Dass, wie manche sagen, Betriebsinhaber ihren Mitarbeitern den Wink gäben, bei Symptomen sich nicht testen zu lassen, um Ausfälle zu vermeiden, hat er noch nie gehört. Das sei auch nicht logisch. Denn wenn ein Mitarbeiter krank werde, zahle die Krankenkasse, und wenn jemand in Quarantäne sei, zahle der Staat. Im Gegenteil: Die Betriebe achteten darauf, dass es keine Ausbrüche gebe, die die Produktion gefährden würden. Gefährdungsbeurteilungen habe er für alle Partnerbetriebe erstellt, so Aicher.
Coronaleugner seien kein Thema. Im Betrieb gelten die Regeln, die der Arbeitgeber zum Gesundheitsschutz erstellt, „da gibt es keine Diskussionen“. Beunruhigt ist Aicher schon auch über das Vordringen der Infektion in die jüngeren Altersgruppen. Wer in seiner Praxis einen positiven Schnelltest habe, bekomme den PRTest gleich hinterher. Ist auch der positiv, übernimmt das Gesundheitsamt.
Gemeinde- und Kreisrätin Isabella Kustermann (FW) hatte an Bürgermeister Hugger geschrieben mit dem Vorschlag das „Tübinger Modell“, dass Besucher sich testen lassen und mit einem Tagespass alle Geschäfte und anderen Einrichtungen besuchen dürfen, auch hier in Betracht zu ziehen. Bürgermeister und CDU-Kreistags-Fraktionsvorsitzender
Markus Hugger hatte sich ähnliche Überlegungen gemacht. Aber die Höhe der Inzidenzen bestimme auch die Zuständigkeit. Aber man habe sich aktuell im Bürgermeisterausschuss darauf verständigt, sich Gedanken zu machen über eine Teststrategie. Wenn die Ergebnisse aus Tübingen ein gangbarer Weg seien, „müssen wir eine Konzeption in der Schublade liegen haben“, so Hugger.
Wie der Sprecher des Sozialministeriums auf Anfrage dieser Zeitung sagt, habe Tübingen vor allem wegen niedriger Infektionszahlen und wegen der längeren Erfahrung im breiten Testen die Erlaubnis bekommen, Modellstadt zu sein. Nach drei Wochen werde man sehen, wie die Erfahrungen seien.