Verletzlichkeit statt Düsternis
Lana Del Rey hat lange eine glamouröse Distanziertheit kultiviert, doch hinter dem selbstbewussten Äußeren kommt zunehmend Verletzlichkeit zum Vorschein. Die findet ihren Niederschlag in sehr persönlichen Interviews, einem im letzten Herbst veröffentlichten Gedichtband und ihrem neuen Album, für das sie passenderweise einen Stilwechsel vorgenommen hat: Statt HollywoodDüsternis dominieren hier die FolkAnklänge. Bereits im Vorfeld freundete sich Del Rey mit Joan Baez an, eine weitere Folk-Ikone wird hier als Trio mit Weyes Blood und Zella Day gecovert: Joni Mitchells „For Free“.
Der Track schließt ein äußerst stimmungsvolles Album ab, zu dessen Beginn die 35-Jährige einen Blick zurück auf ihre Jugendtage wirft. In „White Dress“flüstert sie zu Klavierbegleitung über ihre unbeschwerte Zeit als Kellnerin, die selbst Fan war und begeistert die „White Stripes“ hörte. Danach, so klingt hier an, lauerten das Haifischbecken der Musikindustrie und die Presse, von der sich Del Rey meist unverstanden und zum Kunstprodukt herabgewürdigt fühlt. Die Musikerin mag vielen als aus der Zeit gefallen scheinen, dabei besinnt sie sich aber auch auf alte Tugenden: Trotz reichlich Hits ist Del Rey eine Albumkünstlerin, deren Platten man sich am besten am Stück zu Gemüte führt. Einige Songs wie das nicht nur im Titel an David Lynch erinnernde „Wild at Heart“und das hymnische „Let Me Love You Like A Woman“stechen auf Anhieb heraus. Andere Stücke entfalten erst mit der Zeit ihre Sogwirkung.
Bis dahin kann man sich über den Titelsong der Platte amüsieren, mit dem Del Rey Verschwörungstheorien zu verspotten scheint – etwas Humor hat die Popdiva bei aller Melancholie also auch im Angebot.
Lana Del Rey: Chemtrails Over the Country Club (Virgin Records)