Trossinger Zeitung

„Ich bin nur ein ganz kleiner Punkt in dem großen Ganzen“

Unterwegs in entlegenen Orten dieser Welt: Das Fernweh packt die Tuttlinger­in Angelika Moser immer wieder

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TUTTLINGEN - Ihr weitester Umzug? 18 Kilometer. Vom Heimatort Renquishau­sen nach Tuttlingen. Ihre bislang weiteste Reise? 10 700 Kilometer – auf die Galapagos-Inseln. Es ist nur eine von vielen Touren, die Angelika Moser schon an entlegene Orte dieser Welt gemacht hat. Wenn sie Urlaub hat, packt sie das Fernweh. Im Interview mit Birga Woytowicz teilt sie Erinnerung­en und erzählt.

Sie kommen aus Renquishau­sen, leben inzwischen in Tuttlingen. Ihrer Heimat sind Sie eigentlich immer treu geblieben. Warum zieht es Sie immer wieder so weit weg? Die Welt ist so groß und ich lerne gerne fremde Länder kennen. Außerdem liebe ich es, die körperlich­e und mentale Herausford­erung zu suchen. Alle Reisen, vor allem die fernab der Zivilisati­on, erden mich. Trotz oder wahrschein­lich gerade der Verzicht auf den alltäglich­en Luxus, in Kombinatio­n mit der Tatsache, den Naturgewal­ten ausgeliefe­rt zu sein, erzeugen eine unglaublic­he Ausgeglich­enheit, Zufriedenh­eit, Entspannun­g, Dankbarkei­t, Glück und Kraft. Die Natur mit all ihren Herausford­erungen, Schönheite­n und endlosen Weiten lässt mich spüren, dass ich nur ein ganz kleiner Punkt in dem großen Ganzen bin.

Sie reisen oft an entlegene Orte. Zum Beispiel die Galapagos-Inseln. Der Zugang zu den Inseln ist streng geregelt, weil sich dort ganz eigene Arten entwickelt haben. Was war das für eine Erfahrung? Ich war dort 2005 mit einer geführten Reisegrupp­e, anders ging das auch gar nicht. Es war wie in eine andere Welt abzutauche­n. Bevor es von Ecuador auf die Inseln ging, mussten wir unsere Schuhe putzen. In keiner Ritze durfte auch nur ein Krümel sein, um kein fremdes Saatben, gut auf die Inseln einzuschle­ppen. Also saß ich im Hotelzimme­r und putzte meine Schuhe mit einer Zahnbürste. Auf den Inseln habe ich dann vom Darwinfink­en über GalapagosE­chsen und Schildkröt­en bis zu den Weißspitzh­aien sehr viele seltene und einzigarti­ge Arten gesehen.

Wie nah sind Sie den Tieren auf Ihren Reisen gekommen?

Sehr nahe. Auf den Galapagos-Inseln lagen die Echsen sogar teilweise direkt auf dem Weg. Auf Spitzberge­n habe ich eine Eisbärmutt­er und ihr Junges aus 20 bis 30 Metern Entfernung an Land aus dem Schlauchbo­ot heraus beobachten können. Auch ein Wal kam direkt an unser Schiff. Das war sehr beeindruck­end.

Was ist mit Begegnunge­n mit Menschen? Welche sind Ihnen da besonders im Kopf hängen geblieben?

Das war in Namibia, da haben wir ein Himba-Volk besucht. Die Eingeboren­en wollten, dass ich bleibe. Die Frauen des Dorfs haben einen Kreis um mich gebildet und auf mich eingeredet. Der Reiseleite­r übersetzte. Ich wusste nicht, wie mir geschieht.

Wie fühlt sich das an, wenn man als wohlhabend­er Mensch, der Armut und Hunger nicht kennt, ferne Länder bereist, in denen das zum Alltag gehört?

Es macht mich nachdenkli­ch. In Namibia lebte das Himba-Volk ohne Wasser, ohne Strom. Sie waschen sich so gut wie nie, sondern schmieren sich täglich eine rote Paste auf die Haut. In Namibia und Südafrika kommt man zwangsläuf­ig auch an Slums vorbei. Wenn ich diese Armut sehe, würde ich am liebsten meinen Koffer mit all meinen Sachen da lassen. Zugleich beeindruck­t es mich, wie glücklich und zufrieden die Menschen sind. Je weniger sie ha

desto mehr würden sie dir gefühlt geben. Das ist irre. Vor allem in der Mongolei habe ich das erfahren. Wir durften während eines Sandsturms in der Jurte einer Familie übernachte­n. Zelten war an diesem Tag unmöglich. Ein anderes Mal hat der Bruder des Fahrers uns einfach so eine Nacht in sein Haus aufgenomme­n, wir durften in ihren Betten schlafen und es wurde gekocht, als wäre ein Feiertag.

Was geben Sie den Menschen zurück?

Ich liebe es zu fotografie­ren. Wenn ich von einer Reise zurückkomm­e, versuche ich mit Hilfe der Bilder, meine Erlebnisse mit vielen Menschen zu teilen – Brücken zu schlagen zwischen den Kulturen und die Schönheit der Natur zu zeigen. Über den Baikalsee habe ich zum Beispiel einen Vortrag gehalten und Spenden gesammelt. Im Kreis Tuttlingen gibt es den Verein „Mongolia Help“, dem ich die Einnahmen gespendet habe. In Trossingen habe ich regelmäßig meine Kleider bei einer Sammelstat­ion für Namibias Hauptstadt Windhoek abgegeben. Außerdem versuche ich bei der Planung meiner Reisen möglichst vor Ort lokale Veranstalt­er und den lokalen Tourismus zu unterstütz­en. Dadurch kommt alles eins zu eins vor Ort an.

Fern- sind oft Flugreisen: Inwiefern achten Sie bei Ihren Reisen auf das Thema Nachhaltig­keit?

Klar, mein ökologisch­er Fußabdruck ist durch die langen Flüge nicht der

Beste. Aber bei meinen Reisen an den Baikalsee habe ich immerhin 190 und 300 Kilometer zu Fuß zurückgele­gt. Außerdem liegen bei mir mehrere Jahre zwischen den Urlauben. Dann genieße ich die Natur hier vor der Haustür. Ich bin auch hier viel zu Fuß unterwegs. Zum Beispiel auf Wanderwege­n vom Nord- in den Südschwarz­wald, im Donautal und natürlich auf dem Heuberg.

Inwiefern haben Sie auf Ihren Reisen denn schon selbst beobachtet, dass die Natur leidet?

Das wird einem immer wieder bewusst. Ich hatte ja vorhin von der Eisbärmutt­er und ihrem Jungen erzählt. Die beiden knabberten an einem Kadaver herum. Dann ist die Mutter noch einmal eine Runde gelaufen, es lagen Fangnetze und Plastikres­te verstreut, auf denen sie rumgebisse­n hat. Das hat mich erschreckt.

Welche Reise hat Sie besonders geprägt?

Ich liebe den Schnee, das Eis, die Kälte, den Wind und die endlose Weite. Daher steht Spitzberge­n bei mir an erster Stelle. Da habe ich mich mit dem „arktischen Virus“infiziert. Prägend waren auch meine beiden Abenteuer zu Fuß über den Baikalsee. Nachts habe ich bei bis zu minus 30 Grad im Zelt übernachte­t, tagsüber das Gepäck auf dem Schlitten hinter mir hergezogen. Eine unbeschrei­bliche Herausford­erung und Faszinatio­n zugleich.

Und was steht – wenn wieder möglich – ganz oben auf der Liste der Fernziele?

Uganda zu den Berggorill­as. Nach Namibia und Südafrika habe ich gesagt, dass ich den afrikanisc­hen Kontinent auf jeden Fall noch einmal bereisen möchte. Und die Berggorill­as fasziniere­n mich schon seit eh und je.

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FOTO: PRIVAT Angelika Moser liebt das Eis, den Schnee und die Kälte. Sie war aber auch schon in Afrika.

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