Beispielhafter Kompromiss
Der Tarifvertrag für die knapp eine Million Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg steht. Weitsicht und Fairness bescheinigen die Arbeitgeber dem Kompromiss. Augenmaß und kluge Austarierung nennt es die IG Metall. Mit dem Ergebnis können beide Seiten gut leben – die Arbeitnehmer etwas besser als die Arbeitgeber.
Dabei lagen die Ende 2020 aufgestellten Forderungen der beiden Tarifpartner weit auseinander. Ein Verteilungsspielraum von null, Schluss mit „Sonderlocken“bei Pausenregeln oder Schichtzuschlägen, hieß es bei Südwestmetall. Vier Prozent mehr Geld – entweder in Form von Lohnerhöhungen oder als teilweisen Ausgleich, wenn Betriebe die Arbeitszeit verkürzen, forderte die IG Metall.
Zwischen diesen beiden Extrempositionen lässt sich der nun gefundene Kompromiss doch eher aufseiten der Gewerkschaft verorten. Das Entgelt steigt – wenn auch nur etwas –, und lieb gewordene Errungenschaften wie tarifliche Pausen, Schichtzuschläge und die Altersverdienstsicherung der Metaller im Südwesten bleiben (vorerst) unangetastet. Das ist im aktuellen, von Coronaund Transformationssorgen geprägten Umfeld, in einer der ohnehin schon bestbezahlten Branchen des Landes aller Ehren wert.
Aber auch die Arbeitgeber haben keinen Grund zu großen Klagen. Die Sonderzahlungen und Corona-Prämien sind einmaliger Natur und erhöhen den Sockel, auf den sich künftige Entgeltsteigerungen beziehen, nicht. Zudem wurden Vereinbarungen getroffen, die es notleidenden Unternehmen erlaubt, vom Abschluss abzuweichen. Das Ziel, in einer herausfordernden Situation Beschäftigung zu sichern, können sich beide Tarifpartner auf ihre Fahnen schreiben.
An diesem Kompromiss darf sich die Politik ruhig ein Beispiel nehmen. Die nämlich lässt die Fähigkeit vermissen, nach harten Verhandlungen zu einem Ergebnis zu kommen und dieses dann auch gemeinsam umzusetzen. Stattdessen stößt sie die Wirtschaft mit einer schon dreisten Unzuverlässigkeit ihrer Ansagen permanent vor den Kopf.
a.knoch@schwaebische.de