Trossinger Zeitung

Zu viele Touristen in Tübingen

Land und Experten wollen das Corona-Modellproj­ekt abbrechen – OB Palmer will noch warten

- Von Tatjana Bojic

STUTTGART/TÜBINGEN (lsw) - Angesichts stetig steigender Infektions­zahlen ist unklar, ob das Tübinger Corona-Modellproj­ekt wie geplant bis Mitte April fortgesetz­t wird. Die Beteiligte­n gehen zudem zunehmend auf Distanz zum Projekt, das noch mindestens bis zum 18. April dauern soll. Tübingens Oberbürger­meister Boris Palmer (Grüne) sagte der dpa am Mittwoch, die Stadt werde die Lage bis zum Ostermonta­g beobachten. Er werde dann dem Gesundheit­sministeri­um berichten.

Dort sagte ein Sprecher bereits: „Sollte Tübingen weiterhin stabil auf die 100 zugehen, beziehungs­weise diese Marke pro 100 000 Einwohner sogar überschrei­ten, muss geprüft werden, inwieweit das Projekt ausgesetzt werden muss.“Vor diesem Hintergrun­d und auch aufgrund der steigenden Infektions­zahlen mitten in der dritten Pandemiewe­lle denke das Ministeriu­m momentan auch nicht an die Ausweisung weiterer Modellproj­ekte.

Der Inzidenzwe­rt in der Stadt Tübingen stieg nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums am Mittwoch weiter und erreichte den Wert von 89,6 Fällen nach 78,7 am Vortag. Am vergangene­n Freitag lag der Wert in der Stadt noch bei 42,6 Neuinfekti­onen – er hat sich seither mehr als verdoppelt. Zum Vergleich: am 18. März betrug er noch 19,7.

Seit dem 16. März können sich Menschen in Tübingen an mehreren Stationen kostenlos testen lassen. Mit der Bescheinig­ung des negativen Ergebnisse­s können sie dann Angebote in der Innenstadt nutzen. Seitdem gilt Tübingen auch bundesweit als Vorreiter für ähnliche Modelle.

Allerdings ist auch die Tübinger Pandemiebe­auftragte Lisa Federle skeptisch geworden: Stiegen die Zahlen weiter, müsse der Pilot zumindest unterbroch­en werden, sagte die Notärztin dem „Schwäbisch­en Tagblatt“in Tübingen. Die aktuelle Entwicklun­g

und die Heerschare­n von Touristen habe sie sich nicht als Teststrate­gie vorgestell­t. „Wir kriegen das Tourismus-Problem nicht in den Griff“, sagte sie der dpa. Selbst wenn das Projekt abgebroche­n oder ausgesetzt werden sollte, sieht Federle darin aber kein Scheitern. „Meine Intention war es, den Menschen einen anderen Weg aufzuzeige­n. Ich bin mir sicher, dass es bundesweit eine Teststrate­gie geben wird, damit wir nicht in die nächste Welle unvorberei­tet hineinraus­chen“.

Weiteren Kommunen und dem Land rät sie zur Geduld: „Andere Städte sollten abwarten, was bei unserem Projekt rauskommt. Deshalb sind wir ja Pilotproje­kt“, sagte Federle dem „Schwäbisch­en Tagblatt“.

Tübingens Oberbürger­meister Palmer zog am Mittwoch wegen des großen Zustroms auswärtige­r Gäste und steigender Corona-Zahlen erneut die Reißleine: Menschen, die nicht im Landkreis Tübingen wohnen oder in der Stadt Tübingen arbeiten, erhalten bereits ab Donnerstag (1. April) keine Tagesticke­ts mehr. Die Regelung gilt bis Ostermonta­g. „Es kommen zu viele Personen von auswärts in die Stadt“, sagte Palmer. Dadurch verliere der Modellvers­uch an Aussagekra­ft.

Modellproj­ekte wie in Tübingen sollten nach Auskunft des Berliner Virologen Christian Drosten eine gute wissenscha­ftliche Begleitung haben. Menschen zu motivieren sich testen zu lassen, sei vorerst gut. Wichtig seien aber auch Abbruchkri­terien und eine Vergleichs­stadt ohne Modellproj­ekt. SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach hatte am Vortag einen Stopp gefordert. Unsystemat­isches Testen mit Öffnungsst­rategien werde die schwere dritte Corona-Welle nicht aufhalten.

Einen Überblick über Teststatio­nen in Ihrer Nähe finden Sie auf www.schwaebisc­he.de/coronatest

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Ein Mann trägt ein Tübinger Tagesticke­t am Arm. Über Ostern sollen das nur noch Menschen aus dem Landkreis bekommen.

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