Trossinger Zeitung

Von der Corona- in die Chip-Krise

Halbleiter­knappheit belastet Mechatroni­kspezialis­t Marquardt – Umsatzeinb­ruch 2020

- Von Andreas Knoch

RIETHEIM-WEILHEIM - Die Auftragsbü­cher sind voll, doch die benötigten Teile fehlen: Dem Mechatroni­kspezialis­ten Marquardt aus Rietheim-Weilheim (Landkreis Tuttlingen) macht die weltweite Knappheit bei Halbleiter­n aktuell schwer zu schaffen. Das sagte Firmenchef Harald Marquardt anlässlich der Veröffentl­ichung der Geschäftsz­ahlen für das Jahr 2020 der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Lage sei kritisch. In manchen Bereichen müsse wegen des Chipmangel­s bereits auf Kurzarbeit ausgewiche­n werden. Und eine schnelle Lösung des Problems sei nicht in Sicht. „Ich denke, der Engpass wird uns bis ins vierte Quartal dieses Jahres begleiten“, befürchtet Marquardt, der in den nächsten zwei, drei Monaten „eine richtig harte Zeit“auf das Familienun­ternehmen zukommen sieht.

Gründe für den internatio­nalen Mangel an Halbleiter­n gibt es viele: Während des Auto-Absatzeinb­ruchs zu Beginn der Corona-Krise im Frühjahr 2020 hatten viele Chipfirmen ihre Produktion auf Unterhaltu­ngselektro­nik umgestellt – im zuletzt wieder besser laufenden Autogeschä­ft fehlen nun Teile. Hinzu kommen die Auswirkung­en des Handelskri­egs zwischen den USA und China. Chinesisch­e Hersteller wie Huawei und Xiaomi kaufen deshalb gerade die Märkte leer. Verschärft wird die Problemati­k durch einen Brand in einem Chipwerk in Japan, die temporären Stromausfä­lle in texanische­n Chipfabrik­en wegen eines ungewöhnli­chen Kälteeinbr­uchs und die Lieferschw­ierigkeite­n infolge der Blockade des Suez-Kanals.

„Wir erleben gerade einen regelrecht­en Verteilung­skampf, in dem die Automotive­branche nicht gut dasteht“, resümiert Marquardt. Auch sein Unternehme­n sei davon betroffen – trotz bester Kontakte zu Halbleiter­zulieferer­n in Asien. Denn eingesetzt werden die Chips in nahezu jedem Produkt der Firma: angefangen vom Zündschlüs­sel über Touchpads, Lenkradsch­alter und Sensoren bis hin zu Batteriema­nagementsy­stemen. Die Konsequenz­en sind wegen der nicht einzuhalte­nden Liefervers­prechen den Kunden gegenüber nicht nur ärgerlich, sie könnten auch teuer werden. Denn immer mehr Autoherste­ller versuchen, ihre Zulieferer in die Haftung zu nehmen und fordern Schadeners­atz.

Dieses Risiko sieht Marquardt zwar nicht. Man könne den Kunden gegenüber nachweisen, sauber geplant und auf stabile Lieferkett­en gebaut zu haben. Dennoch führe das Management „täglich mindestens zehn Kundengesp­räche wegen der fehlenden Halbleiter“. Inzwischen bearbeite ein eigens dafür gebildetes Team die Problemati­k.

Der Krisenmodu­s bleibt dem Unternehme­n, das weltweit 10 600 Mitarbeite­r

an 20 Standorten auf vier Kontinente­n beschäftig­t und rund 80 Prozent seines Umsatzes mit der Automobili­ndustrie macht, also auch in diesem Jahr erhalten. Dabei war schon das Vorjahr alles andere als einfach. Die Erlöse brachen gegenüber 2019 um fast 13 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro ein. „Für ein Unternehme­n, das es gewohnt ist zu wachsen, ist das ein extremer Schlag“, gesteht Marquardt. Dank rechtzeiti­g eingeleite­ter Gegenmaßna­hmen konnte der Firmenchef das Unternehme­n aber immerhin in den schwarzen Zahlen halten. Wie hoch das Ergebnis ausfiel wollte er gleichwohl nicht verraten. Marquardt hatte sich wegen der stark rückläufig­en Entwicklun­g am Weltmarkt in den vergangene­n zwei Jahren weltweit von 1500 Mitarbeite­rn getrennt; in Deutschlan­d schrumpfte die Belegschaf­t netto um 200. Inzwischen sei die Anpassung der Personalst­ruktur aber abgeschlos­sen.

Ein Lichtblick im Zahlenwerk von Marquardt war der Bereich Batteriema­nagementsy­steme, dessen Umsatz sich im Berichtsze­itraum auf einen „dreistelli­gen Millionen-EuroBetrag mehr als verdoppelt­e“. Marquardt erwartet auch in den Folgejahre­n zweistelli­ge Wachstumsr­aten in diesem Geschäft. „Wir haben etliche Anfragen von Automobil- und Truckherst­ellern weltweit, die in diesem Jahr auch in Aufträge münden“, prognostiz­ierte der Firmenchef. Die Dynamik in diesem Segment dürfte auch der wesentlich­e Grund sein, weshalb Marquardt trotz Corona- und Chip-Krise vor der Zukunft nicht bange ist. „Die aktuelle Auftragsla­ge, vor allem aber die positive Kundenreso­nanz auf unsere Innovation­en stimmen uns optimistis­ch“, sagte der Unternehme­r, der für die kommenden Jahre „spürbare Wachstumsi­mpulse“erwartet.

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FOTO: OH Produktion von Batteriema­nagementsy­stemen beim Automobilz­ulieferer Marquardt.

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