Gefragte Koi-Medizin
Weil die Regierung den Versand von Tierarznei untersagen will, begehren Veterinäre auf
LEIPZIG (dpa) - Es klingt dramatisch: Millionen von Zierfischen könnten sterben, weil sie bei Parasitenbefall nicht mehr richtig behandelt werden können. Das widerspreche jedem Tierschutzgedanken, schrieben die Fischtierärztin Sandra Lechleiter aus Baden und Kollegen vor einigen Tagen an die Bundesregierung. Hintergrund ist eine geplante Gesetzesreform, die den Versand verschreibungspflichtiger Tierarzneimittel verhindern soll.
Gerade auf den sind die Fachtierärzte – vor allem aber auch die Tiere selbst und ihre Halter – angewiesen. Nach Einschätzung von Prof. Michael Pees von der Uni Leipzig, Leiter der Fachgruppe Zier-, Zoo- und Wildvögel, Reptilien, Amphibien und Fische der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft, betrifft das Problem all jene eher exotischen Spezies. „Dabei muss man sich vor Augen führen, dass von jeder dieser Gruppen mehrere Millionen Tiere in deutschen Haushalten gehalten werden.“
Nach Zahlen des Industrieverbands Heimtierbedarf lebte 2020 in fast der Hälfte aller Haushalte in Deutschland mindestens ein Heimtier. Die Lieblinge sind Katzen und Hunde, doch darunter sind auch 3,5 Millionen Ziervögel wie Sittiche, Kanarienvögel und Kleinpapageien, 1,8 Millionen Aquarien, 1,4 Millionen Gartenteiche mit Zierfischen wie Kois und 1,3 Millionen Terrarien.
Naturgemäß verteilen die sich flächendeckend übers Land, wohingegen gerade die Experten unter den Veterinärmedizinern selbst eine seltene Spezies sind, wie Lechleiter erklärt. Neben ihrer Praxis in Neuenbürg bei Pforzheim gab es laut Bundesärztekammer zuletzt nur gut zwei Dutzend aktive Fischtierärzte – und nicht alle davon sind für Zierfische zuständig.
Das führt zu weiten Wegen: Das Einzugsgebiet der Vogelklinik, an der Pees arbeitet, betrage etwa 500 Kilometer. „Das besondere Problem wird dann noch verschärft, wenn es sich eben um Tiere handelt, die man nur sehr schlecht oder nicht tierschutzgerecht zu uns transportieren kann, so dass der Tierarzt eben zu den Kunden fahren muss.“Als Beispiele nennt er Zierfische, Strauße und Zootiere.
In der Praxis heißt das dann oft: Tierärzte fahren zu den Patienten, nehmen Proben, lassen diese im Labor untersuchen – und schicken dem Halter passende Medikamente. Das trage auch zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes bei, heißt es in dem Brief. Mitunterzeichner Pees macht deutlich: Der Wegfall dieser Möglichkeit würde für viele Kunden bedeuten, dass sie 300 Kilometer zur Klinik zurücklegen müssten, um ein Medikament im Wert von wenigen Euro zu bekommen – „was ein unsinniger Zeitund Finanzaufwand ist und sicher auch die Umwelt massiv belastet“.
Alternativen gebe es nicht: Tierärzte vor Ort hätten nicht die Medikamente und dürften sie ohne Untersuchung auch nicht abgeben. Und Apotheken seien nicht bereit oder in der Lage, auf Rezept entsprechende Medikamente abzupacken und abzugeben.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium erklärt, mit dem am 24. März vom Kabinett beschlossenen Entwurf würden EU-Vorschriften umgesetzt. „Wir garantieren höchste Qualitätsstandards und Sicherheit für Tierarzneimittel. Damit stärken wir die Tiergesundheit und den Tierschutz“, sagte Ministerin Julia Klöckner (CDU).
Gemäß der EU-Verordnung soll ab 28. Januar 2022 der Versandhandel für verschreibungspflichtige Tierarzneimittel untersagt werden. „Grund ist der verbreitete illegale Verkauf von Tierarzneimitteln im Internethandel, der eine Bedrohung für die Gesundheit von Mensch und Tier darstellt“, erläutert eine Sprecherin. Deutschland habe sich gegen eine mögliche nationale Sonderregel entschieden, weil diese mit hohem bürokratischen Aufwand verbunden wäre.