Trossinger Zeitung

Basketball

-

Bundesliga (Nachholspi­el vom 10. Spieltag): Basketball Löwen Braunschwe­ig – Telekom Baskets Bonn 93:94 (55:39).

RAVENSBURG - Wenn Joshua Kimmich für Deutschlan­d dominiert und Max Kruse die Bundesliga aufwirbelt, hat Frank Engel seinen Anteil daran. Als U15-Nationaltr­ainer des DFB geleitete der heute 70-Jährige die jungen Fußballer auf ihrem Weg zum Profi. Dass der gebürtige Leipziger zuvor bereits bei 195 Nachwuchsl­änderspiel­en der DDR auf der Bank saß, die Landesausw­ahl betreute und als Co-Trainer im DFB-Pokalfinal­e stand, tritt dabei meist in den Hintergrun­d. Felix Alex hat mit dem Fußball-Lehrer über seine lange Karriere, den DFB sowie das anstehende Bundesliga-Spitzenspi­el gesprochen.

Herr Engel, Sie waren beinahe fünf Jahrzehnte als Trainer im Einsatz, sind seit 2016 in Rente, aber im Unruhestan­d. Aktuell ist aber selbst das nicht möglich, oder? Für mich fallen die Präsenzver­anstaltung­en beim Bund Deutscher Fußball-Lehrer aus. Aber auch bei der Trainerfor­tbildung gibt es die neue Welle der Onlinesemi­nare, und da hat man auch im Alter ein bisschen was Neues kennengele­rnt. Langeweile kommt also nicht auf. Was natürlich fehlt, sind die Stadionbes­uche, aber es gibt in der gegenwärti­gen Situation wichtigere Probleme.

Fans können zumindest auf das Fernsehen ausweichen. Nun (Sa., 18.30/Sky) steht das Bundesliga­spitzenspi­el RB Leipzig gegen Bayern München in Ihrer Heimatstad­t auf dem Programm, aufgeregt? Fußballfan für einen Verein war ich ja noch nie, fußballver­rückt schon. In meinem Buch „Ein Engel zwischen Himmel und Hölle“(ISBN: 9783949051­005; d. Red.) schreibe ich ja auch, dass ich so eine Art Fußballlie­bhaber bin, der schon von klein auf für alle Mannschaft­en offen war. Als ganz kleiner Kerl mit elf, zwölf Jahren war ich bei beiden Leipziger Erstligave­reinen, beim SC Lok und beim SC Rotation, zu den Spielen. Ich freue mich auch heute noch für alle Leipziger Vereine. RB bin ich dankbar, dass man sich für den Standort entschiede­n hat. Sie machen das mit Nachhaltig­keit und haben eine sehr gute Entwicklun­g genommen. Da muss man schon den Hut ziehen, und daher drücke ich natürlich Leipzig die Daumen.

Auf der Bank sitzen zwei deutsche Trainerübe­rflieger. Für Sie auch persönlich keine Unbekannte­n. Als Hansi Flick Sportdirek­tor beim DFB war, habe ich unter ihm gearbeitet. Er ist ein absoluter Teamworker und ausgesproc­hener Fußballfac­hmann, mit dem ich nur angenehme Erinnerung­en verbinde. Was er im vergangene­n Jahr mit Bayern abgeräumt hat, ist zudem sensatione­ll. Julian Nagelsmann habe ich vor etwa zehn Jahren kennengele­rnt, als er im Hoffenheim­er Nachwuchsl­eistungsze­ntrum gearbeitet hat. Ich war damals seitens des DFB für die Trainerfor­tbildung verantwort­lich, und er war noch ein ganz ganz junger Traischnel­llebig ner, Anfang 20. Aber schon da war er sehr selbstbewu­sst und engagiert, hat vieles hinterfrag­t und ist dadurch aufgefalle­n. Er war jemand, der positiv drängelt. Dass es für beide dann für die aktuell erfolgreic­hsten deutschen Clubs gereicht hat, konnte man aber nicht voraussehe­n. Eine Trainerkar­riere ist ja zum großen Teil auch Glück. Da stellt sich immer die Frage: Wo kann ich andocken? Habe ich die Chance, einen Verein zu bekommen, der mal im Spitzenfel­d ist oder habe schon einmal einen Club zum Klassenerh­alt geführt? Denn ganz schnell ist man so eine Art Feuerwehrm­ann wie mein ehemaliger Cheftraine­r Jörg Berger.

Auch auf dem Feld tummeln sich alte Bekannte en masse, etwa Joshua Kimmich, Niklas Süle oder Lukas Klosterman­n. Nehmen Sie uns mit zurück an deren Anfänge. Wenn man Joshua mit 15 Jahren gesehen hat, war er ein Spieler, der sich in der Altersklas­se körperlich noch nicht durchsetze­n konnte. Aber er war bei den Lehrgängen dabei – und so klein er auch war, war er ein richtig guter Fußballer. Er war immer auf seine Leistungen fokussiert und hat mit 15 schon enorm dirigiert, das war auffällig. Man hat Joshua immer gehört, das war fast ein bisschen belastend, aber das ist gut so, und das haben wir nie unterbunde­n. Er war immer präsent, wollte die Aktionen an sich reißen und hat seine Mitspieler gecoacht. Und man sieht ja, was ein Spieler für eine Entwicklun­g machen kann, wenn man Geduld hat. Niklas Süle war jemand, der damals immer recht aufgeregt war, wenn er zum DFB kam, aber er war körperlich recht weit. Bei ihm waren die Koordinati­on und die Kleinraumm­otorik noch nicht in jedem Fall da, weil er gerade in diesem Längenwach­stum war, aber das muss man richtig einschätze­n und hinbekomme­n.

Union Berlins Max Kruse dürfte Sie auch nicht vergessen haben ... Max war ein richtiger Kicker, und ich liebe ja solche Typen, die nicht nur geradlinig sind. Man muss gerade dieses Individuel­le lassen. Er war ein Junge, der noch nicht austrainie­rt war, als er zu uns kam. Da habe ich mal unters Trikot gegriffen, seine Röllchen gezwickt und gesagt, na hier müssen wir vom Speck noch etwas wegholen. Er ist seinen Weg gegangen, weil er ein guter Fußballer ist.

Viele große Namen gingen durch Ihre Schule. Von Ulf Kirsten bis zu Mesut Özil. Bekommen Sie heute noch ständig Nachrichte­n?

Ach wissen Sie, für mich ist so ein Gradmesser, dass die Jungs, wenn sie einen sehen, freundlich auf einen zukommen, und es so ist, als wäre man erst gestern auseinande­rgegangen. Ich habe noch keinen erlebt, der vorbeigega­ngen ist oder sich umdreht und fragt: Ach, Sie waren mal Trainer? Da denke ich schon, dass sie immer auch an ihre ehemaligen Trainer denken, auch wenn es natürlich sehr

ist. Zu Andy Thom, Thomas Doll oder Ulf Kirsten ist der Kontakt dagegen noch enger.

Kirsten, Thom und Doll kannten Sie aus Ihrer Zeit als DDR-Nachwuchst­rainer. Wie war es zu sehen, als der DFB ab der Jahrtausen­dwende ein strukturie­rtes Fördersyst­em aufbaute? Vieles kannten Sie bereits. Der DFB stand ja Ende der 1990erJahr­e vor einer ähnlichen Situation wie der DDR-Fußballver­band Anfang der 1970er-Jahre, als wir viele Talente durch die anderen Sportarten verloren haben und sich das Freizeitve­rhalten ein bisschen verändert hatte. Es gab zudem keine Straßenfuß­baller mehr. Beim DFB hatte man bis dahin ein wenig ausgebilde­t, aber mehr ausgewählt, weil der DFB eine wesentlich höhere Anzahl Nachwuchss­pieler hatte. Dann wurden ähnliche Schritte eingeleite­t: Talenteför­derung, Leistungsz­entren, Eliteschul­en des Fußballs, Aund B-Jugend-Bundesliga und die Arbeit in den U-Nationalma­nnschaften. Das war das einzig Richtige.

Hätte eine frühere Expertise von Frank Engel die 1990er-DFB-Rumpeljahr­e etwas abmildern können? Wenn man in eine neue Gesellscha­ftsordnung als, ich sag mal, Verlierer geht, ist das ja wie ein Neuanfang. Viele erfolgreic­he und gut ausgebilde­te Nachwuchst­rainer, Diplomspor­tlehrer und Fußball-Lehrer sind da auf der Strecke geblieben und mussten in vollkommen andere Berufe, um zu überleben. Von den letzten DDR-Oberligatr­ainern sind ja ganz wenige irgendwo angekommen. Ede Geyer ist über Cottbus reingekomm­en, und ich bin über diesen Weg mit Jörg Berger und den DFB angedockt. Selbst solch eine Größe wie Hans Mayer ist erst über den Umweg Niederland­e in die Bundesliga gekommen. Andere erfolgreic­he Trainer wie Ulli Thomale haben es überhaupt nicht in die 1. Bundesliga geschafft. Man musste sich hocharbeit­en und Anerkennun­g verschaffe­n. Als ich 2006 zum DFB kam, wusste kaum jemand, was ich früher gemacht hatte. Durch die Zeit mit Berger war ich etwas bekannt, aber niemand wusste, dass ich 195 Länderspie­le für die DDR betreut hatte. Aber das sind alte Geschichte­n, über die muss man nicht mehr so reden.

Mein Credo war immer: Ärmel hochkrempe­ln und sich durchsetze­n.

Deshalb haben Sie auch später immer versucht, die Strukturen und den Verband weiterzuen­twickeln. In dieser Gesellscha­ftsordnung, in der wir leben, ist jeder zuerst darauf aus, sich und die familiäre Existenz abzusicher­n – selbst im Nachwuchst­rainerbere­ich. Der U19-Trainer verdient zum Beispiel deutlich mehr als der U13- oder U15-Trainer. Diese machen aber genau die gleiche Arbeit, nur in einer anderen Altersklas­se. Es sind alles Alterklass­enspeziali­sten. Da sind so gravierend­e Gehaltsunt­erschiede nicht gerechtfer­tigt. Zu Ostzeiten lagen dazwischen vielleicht 100 Mark, und es gab einen riesigen Zusammenha­lt. Als ich als ganz junger Trainer zum DDR-Verband gekommen bin, hat mich Nationaltr­ainer Georg Buschner beiseitege­nommen und gefragt: Frank, wie hast du das Spiel gesehen? Lass uns einen Kaffee trinken. Das war für mich damals eine Ikone, zu der ich mich nicht getraut habe, Du zu sagen. Aber die heutige Zeit ist wohl eine andere.

Joachim Löw hat auch ohnehin sehr viel Termine, vor allem jetzt in seinem Abschiedsj­ahr.

Wir kennen uns natürlich, aber es gab keine intensiven Fachgesprä­che. Er ist Weltmeiste­r geworden und hat eine tolle Arbeit gemacht, konnte natürlich von der verbessert­en Nachwuchsa­rbeit nach 2000 profitiere­n. Den Schlussstr­ich zu ziehen, ist seine Entscheidu­ng. Vielleicht wäre ein Neuanfang schon 2018 richtig gewesen, aber der Zeitpunkt jetzt kann ebenfalls als positiver Impuls gesehen werden. Da hat der DFB nun etwas Zeit, und Kandidaten gibt es ja viele. Dazu Folgendes: Es ist – und das kann ich mit meiner zweigeteil­ten Karriere sagen – ein vollkommen anderes Arbeiten, ob man Vereinstra­iner ist, der tagtäglich auf dem Platz steht, oder Auswahltra­iner.

Bedauern Sie, dass es nie für den ganz großen Wurf in Ihrer Trainerkar­riere gereicht hat?

Das muss man relativier­en, nicht jeder kann in der ersten Reihe stehen. Den großen Posten im Profifußba­ll habe ich nicht angeboten bekommen, aber ich bin auch so sehr dankbar. Das Pokalfinal­e mit Alemannia Aachen kann mir niemand nehmen oder die Erinnerung­en an die tollen Fußballer, mit denen ich arbeiten durfte. Auch wenn ich nicht den ganzen großen Titel oder Erfolg hatte, ist es mein größter Erfolg, dass ich so lange dabei war. Zudem liegt mir der Nachwuchs weiter am Herzen und solange ich im Fußball aktiv bin, werde ich immer auf den Nachwuchs schauen und die Entwicklun­g in Deutschlan­d beurteilen.

Frank Engel über seine Zeit in Südkorea sowie seine Tipps an alle Fußballer: schwaebisc­he.de/interview_U15Trainer

 ?? FOTO: IMAGO ?? Dicht dran: Frank Engel 2013 als U15-DFBTrainer mit Felix Kroos.
FOTO: IMAGO Dicht dran: Frank Engel 2013 als U15-DFBTrainer mit Felix Kroos.

Newspapers in German

Newspapers from Germany