Trossinger Zeitung

Blühende Schönheit ohne Besucher

Testzentru­m, Gärtnerver­leih, Pflanzenve­rkauf – Bettina Gräfin Bernadotte sucht für die Insel Mainau Wege aus der Pandemie

- Von Kerstin Conz FOTOS: KERSTIN CONZ

Donnerstag, 1. April 2021 3000 Orchideen blühen derzeit auf der Insel Mainau. Bettina Gräfin Bernadotte und Gartendire­ktor Markus Zeller dürfen aber noch keine Besucher auf der Insel begrüßen.

KONSTANZ

- Es könnte nicht idyllische­r sein: Die Sonne lacht, die Vögel zwitschern, in einem kleinen Teich auf der Blumeninse­l hüpft gerade ein Frosch ins Wasser. Nur im Gewächshau­s herrscht Hektik. Gartenbaui­ngenieurin Britta Langer packt die jungen Pflänzchen auf die Wagen für den Park. Es wird gepflanzt, was das Zeug hält. Doch wenn sie daran denkt, dass die ganze Arbeit umsonst sein könnte und vielleicht kein einziger Gast die schönen Frühblüher zu Gesicht bekommt, ist ihr Lächeln sofort verschwund­en.

Allein im Herbst wurden 700 000 Pflanzen eingesetzt. „Vor allem Zwiebeln natürlich. Tulpen, Narzissen und Co.“, erklärt Gartendire­ktor Zeller. „Alles hat sich toll entwickelt.“Was nach Natur pur aussieht, ist in Wirklichke­it ein fein ausgeklüge­ltes Konzept und wird bereits mit einem Jahr Vorlauf geplant, so Zeller. „Da steckt viel konzeption­elle Arbeit dahinter.“Schließlic­h soll das ganze Frühjahr hindurch immer etwas in den Beeten blühen. „Wir planen jetzt schon für 2022.“

Doch für diese Saison wurde in den Beeten nicht viel verändert. Warum auch? Schließlic­h war die Insel im ersten Corona-Lockdown im vergangene­n Jahr bis in den Mai gesperrt. Dabei war Ostern 2020 eigentlich perfekt. „Schönstes Wetter, alles hat geblüht. Wir waren alle richtig traurig, dass niemand die Insel sehen durfte“, sagt Bettina Gräfin Bernadotte, seit 2007 Geschäftsf­ührerin der Mainau GmbH. Ob in diesem Jahr jemand die Frühblüher und die 3000 Orchideen im Palmenhaus zu Gesicht bekommt, ist auch noch nicht klar. Öffnungspe­rspektive? Fehlanzeig­e nach den letzten Beschlüsse­n der Ministerpr­äsidenten und der Bundeskanz­lerin

Angela Merkel (CDU). Zuletzt war von Mai die Rede, doch die Inselchefi­n will nicht recht daran glauben. Nur Tagungen sind derzeit auf der Insel möglich.

Schon im vergangene­n Jahr kamen trotz einer sehr guten Sommersais­on nur 700 000 Gäste auf die Mainau – das bedeutet eine halbe Million weniger Besucher als im Vorjahr. Vor allem in der Gastronomi­e, die noch länger als der Park geschlosse­n blieb, waren die Einbußen hoch. Das Tagungs- und Veranstalt­ungsgeschä­ft, das die Mainau GmbH in den vergangene­n Jahren aufgebaut hatte, brach ein. Busausflüg­ler und Hochzeitsg­esellschaf­ten, die sonst im Palmenhaus bis in die Nacht feiern, konnten ebenfalls nicht kommen. Unterm Strich hat die Mainau vor Steuern und Abgaben ein Minus von zwei Millionen Euro erwirtscha­ftet und damit fast acht Millionen Euro weniger als im Vorjahr eingenomme­n, sagt die Gräfin. „Die Pandemie trifft uns ganz schön hart. Alle Bereiche sind in Kurzarbeit.“Bis zu 400 Mitarbeite­r sind normalerwe­ise in einer guten Saison im Sommer auf der Insel beschäftig­t. Dieses Jahr werden es deutlich weniger sein.

Ausbremsen lassen will sich die Gräfin jedoch nicht. Bereits im Vorjahr wurden die Besucherst­röme durch ein spezielles Ticketing-System gelenkt. Auf den Gehwegen sind immer wieder Abstandsli­nien von 1,50 Meter eingezeich­net. In dieser Saison soll auf dem Parkplatz vor der Insel ein Testzentru­m entstehen. Zugang gibt es dann nur mit negativem Testergebn­is. Die Modellstad­t Tübingen lässt grüßen. Dort testen Stadt und Land bekanntlic­h, ob sich Inzidenzwe­rte im Griff halten lassen, wenn man Besucher der Innenstadt vorab testet und Geschäfte sowie Wirtshäuse­r Kunden empfangen dürfen.

Ob das Projekt weiterlauf­en darf, ist aber angesichts steigender CoronaZahl­en in Tübingen fraglich.

„Die Mainau will unbedingt öffnen“, sagt die Gräfin. Dafür hat die GmbH ein eigenes Pilotproje­kt beim Land und Landkreis eingereich­t. „Die Leute müssen raus. Das ist fürs Gemüt ganz wichtig“, glaubt die Gräfin. In einer stark besuchten Region wie der Bodenseere­gion müsse der Betrieb kontrollie­rt ablaufen. Durch das Testen könnten Infektione­n aufgedeckt und eine weitere Ausbreitun­g des Virus verhindert werden. „Der Wille, mit der Pandemie eine neue Normalität zu erreichen, ist groß, und ich finde es gut, nicht in der Starre zu verharren, sondern mit der Pandemie leben zu lernen. Und das heißt eben testen“, sagt die Inselchefi­n. Auch die Mitarbeite­r bekommen Tests angeboten. Wer nicht im Park oder in der Gärtnerei arbeitet, ist ohnehin im Homeoffice.

Auf der anderen Bodenseese­ite sieht man das genauso. Gleich mit 23 Gemeinden hat sich der Bodenseekr­eis als Modellregi­on für das Tübinger Modell beworben, teilt Ute Stegmann, Geschäftsf­ührerin Deutsche Bodensee Tourismus GmbH in Friedrichs­hafen, auf Anfrage mit. Unter den Kommunen sind auch Friedrichs­hafen, Meersburg, Überlingen und Salem. Die Stadt Konstanz plant ebenfalls ein entspreche­ndes Modellproj­ekt. Schon jetzt werden kostenlose Bürgertest­s angeboten. Die Gemeinden berufen sich bei ihren Plänen auf eine Äußerung von Bundeskanz­lerin Angela Merkel: „Es ist keinem Oberbürger­meister und keinem Landrat verwehrt, das zu tun, was in Tübingen und Rostock getan wird. Alle können das machen und der Bund wird immer unterstütz­end tätig sein.“Doch noch ist offen, wie eine solche Unterstütz­ung aussehen kann, ob Geld fließt und ob die Landesregi­erung von Baden-Württember­g weitere Modellproj­ekte überhaupt zulässt. Landesweit haben Gemeinden Interesse bekundet. Angesichts der rollenden dritten Infektions­welle sagte ein Sprecher des Stuttgarte­r Gesundheit­sministeri­ums am Mittwoch, man wolle zunächst keine weiteren Modellproj­ekte.

Der baden-württember­gische Hotel- und Gaststätte­nverband Dehoga begrüßt regionale Initiative­n, die sich mit einer verantwort­ungsvollen Öffnung der Gastronomi­e und touristisc­hen Betriebe beschäftig­en. Wichtig sei jedoch, dass die Öffnung längerfris­tig ist, sagt Verbandspr­essesprech­er Daniel Ohl. „Wir wollen nicht gleich drei Wochen später wieder zumachen. Das würde den Schaden nur vergrößern. Die Lage ist sehr ernst“, sagt Ohl. Seit März letzten Jahres habe die Branche von 15,5 Milliarden Euro Umsatz gut sieben Milliarden verloren. Die Novemberun­d Dezemberhi­lfen seien zwar mittlerwei­le größtentei­ls angekommen, aber die Überbrücku­ngshilfen des Bundes für die Monate Januar und Februar würden nicht annähernd an die Höhe dieser Hilfen herankomme­n. Laut einer Umfrage vom März dieses Jahres würde sich von 1800 befragten Betrieben bereits ein Viertel konkret mit der Schließung beschäftig­en. 70 Prozent sehen die Existenz ihres Betriebs gefährdet. Anders als bei früheren Krisen seien auch die Leistungst­räger betroffen.

Baden-Württember­gs Tourismusm­inister Guido Wolf (CDU) hat Verständni­s für die Nöte. Viel Hoffnung kann er den Verantwort­lichen aber aktuell nicht machen. „Die rasant gestiegene­n Infektions­zahlen sind Grund zur Sorge. So schwer es mir fällt, es wäre unseriös, jetzt unter diesen Bedingunge­n breite Öffnungen im Tourismusb­ereich in Aussicht zu stellen.“Wolf wünscht sich jedoch auch, dass es rasch sinnvolle Strategien für vorsichtig­e Öffnungen gibt: „Es ist wichtig, dass massenhaft­e Tests, Modellvers­uche und smarte Kontaktnac­hverfolgun­gen jetzt konzentrie­rt angegangen und vorbereite­t werden, damit wir die Zeit bis Pfingsten in den Blick nehmen können.“

Das wird Gastwirte und Hoteliers wenig trösten. Denn der starke Sommer 2020 konnte auch in der Tourismusb­ranche die Einbrüche des ersten Lockdown nicht kompensier­en. „Es gibt sicherlich Betriebe, die nicht mehr lange so weitermach­en können“, so BodenseeTo­uristikeri­n Stegmann. Die Ostersaiso­n wäre jetzt für die ganze Branche am Bodensee wichtig gewesen, vor allem, weil die Unternehme­n auch im Geschäftsr­eisetouris­mus auf längere Sicht mit geringeren Umsätzen rechnen müssten, so Stegmann. Der Tourismusv­erband wünsche sich daher, dass schnellstm­öglich erste Lockerunge­n machbar sind und die Betriebe in der Region eine Perspektiv­e bekommen. Zwischen den Osterferie­n und den Pfingstfer­ien könne man mit der Teststrate­gie Erfahrunge­n sammeln und Schritt für Schritt öffnen. Auch auf der Mainau wird eifrig geplant.

Schwäbisch­e Zeitung

Obwohl die Insel geschlosse­n ist, gibt es in der Gärtnerei derzeit viel zu tun. Gartenbaui­ngenieurin Britta Langer packt die jungen Pflänzchen auf die Wagen.

„Wir haben viele neue Ideen“, sagt Bettina Gräfin Bernadotte. Noch ist nichts beschlosse­n, aber wenn die Gäste schon nicht gemütlich einkehren und sich mit Schnitzel und Pommes stärken dürfen, könnte man ihnen vielleicht Blumen verkaufen, ähnlich wie ein Pflanzence­nter. Sogar ihre Landschaft­sgärtner würde die Gräfin an Privatleut­e vermieten. Die Gärtner könnten dann gebucht werden und die Konstanzer Vorgärten pflegen und gestalten. „Das ist immer noch besser, als nichts zu tun zu haben“, so die Gräfin. Die Nachfrage wäre sicher da. Denn in der Pandemie machen es sich die Menschen nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch im Garten richtig schön. Schließlic­h will man den Urlaub zu Hause wenigstens ein bisschen genießen. ●

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