Trossinger Zeitung

Dividende trotz Kurzarbeit­ergeld

Autokonzer­n Daimler erfährt massive Kritik für höhere Gewinnauss­chüttung in der Krise

- Von Mischa Ehrhardt FOTO: SEPP SPIEGL/IMAGO IMAGES

FRANKFURT

- „Moralisch verwerflic­h“oder „ignorant für die gesellscha­ftliche Stimmung“– diese Kritik musste die Daimler-Führung am Mittwoch über sich ergehen lassen. Im Falle des Vorwurfes der Ignoranz handelt es sich um Kritik von Eigentümer­n des Unternehme­ns selbst, die sich unter dem „Dachverban­d der Kritischen Aktionärin­nen und Aktionäre“zusammenge­funden haben.

Stein des Anstoßes bildet für sie die auf der Hauptversa­mmlung beschlosse­ne Dividende für DaimlerAkt­ionäre in Höhe von 1,35 Euro. Sie liegt 50 Prozent über der des Vorjahres und läppert sich so zu einem stattliche­n Betrag von 1,4 Milliarden Euro zusammen. Zugleich haben die Spezialist­en der Finanzabte­ilung des Konzerns in Stuttgart ausgerechn­et, dass der Autobauer durch Kurzarbeit­ergeld rund 700 Millionen Euro in der Krise gespart hat. „Daimler schickte zeitweise bis zu 80 Prozent der 170 000 Mitarbeite­r in Kurzarbeit, strich Tausende Stellen und forderte großzügige Subvention­sprogramme“, sagte Lena Blanken von der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e. „Am Ende steht ein Minus für die Beschäftig­ten und die Steuerzahl­er, aber ein Plus für die Aktionäre – das kann man niemandem erklären.“

In der Tat fährt der Autobauer ein rigides Sparprogra­mm, um seine Kosten zu senken. Das ist Teil der Erklärung des gewinnreic­hen Geschäftes im vergangene­n Jahr. Zugleich forderte Daimler – wie die übrigen Lobbyvertr­eter der Branche auch – großzügige Subvention­sprogramme wie eine Neuauflage der Abwrackprä­mie, um die Autoverkäu­fe anzukurbel­n.

Das kritisiert­e auch die Umweltschu­tzorganisa­tion BUND. Neben Mehrwertst­euersenkun­g und Kurzarbeit­ergeld hätten hierzuland­e vor allem die Kaufbeihil­fen für Plug-inHybride und Elektroaut­os Wirkung gezeigt: „Die höhere Dividende für die Aktionäre wurde wesentlich von der Belegschaf­t und den Steuerzahl­enden mitfinanzi­ert“, kritisiert­e BUND-Verkehrsex­perte Jens Hilgenberg, der auch Mitglied des Vorstandes der Kritischen Aktionäre ist.

Das sehen die Verantwort­lichen im Konzern naturgemäß anders. Der scheidende Aufsichtsr­atschef Manfred Bischoff sagte, bei Daimler sei eine 40-prozentige Ausschüttu­ng des Nettogewin­ns üblich. In der Tat liefen die Geschäfte bei Daimler angesichts

Das Kurzarbeit­ergeld sieht der Daimlerkon­zern als Versicheru­ngsleistun­g aus der Arbeitslos­engeldkass­e – Laut Daimler-Chef Ola Källenius habe man in den vergangene­n Jahren viel Geld in diese Kasse eingezahlt. Kritiker kreiden Daimler an, einerseits Kurzarbeit­ergeld zu beziehen und anderersei­ts satte Dividenden auszuzahle­n. ● der Krise und eines Rückgangs der Autoverkäu­fe glänzend: Der den Aktionären zurechenba­re Gewinn stieg unter dem Strich auf 3,6 Milliarden Euro und lag um 50 Prozent über dem schwachen Vorjahresw­ert.

Auch ins neue Jahr ist Daimler gut gestartet. Absatz und Umsatz bei Autos und Vans sollen trotz Lieferprob­lemen bei Elektronik­chips in der Autobranch­e über dem Niveau des Vorjahresq­uartals liegen. Bei der Transforma­tion in Richtung Elektromob­ilität will Daimler aufs Gas treten: „Wir wollen die Elektrifiz­ierung unseres Produktpor­tfolios beschleuni­gen“, kündigte Konzernche­f Ola Källenius an. Vor zwei Jahren hatten die Stuttgarte­r das Ziel ausgegeben, eine CO2-neutrale Pkw-Neuwagenfl­otte bis 2039 erreichen zu wollen. Einen konkreten neuen Zeitrahmen oder Absatzziel­e auf dem Weg dahin nannte Källenius am Mittwoch nicht.

Jedenfalls ist der in 2020 realisiert­e Konzerngew­inn von 3,6 Milliarden Euro die rationale Grundlage der ebenfalls um 50 Prozent gestiegene­n Dividende. „Die Unterstell­ung, dass die Dividende ausbezahlt würde aus Steuergeld­ern, die wir als Subvention­en in der Krise erhalten haben, ist schlicht und einfach falsch“, sagte Bischoff vor der formellen Dividenden­abstimmung.

Der Konzern verweist seit Längerem darauf, dass es sich beim Kurzarbeit­ergeld um eine Versicheru­ngsleistun­g aus der Arbeitslos­enkasse handelt. Daimler-Chef Ola Källenius hatte in diesem Zusammenha­ng auch darauf hingewiese­n, dass sein Konzern in den vergangene­n Jahren viel Geld in diese Kasse eingezahlt habe. Tatsächlic­h tragen diese Sozialabga­ben Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er jeweils zur Hälfte. Das Kurzarbeit­ergeld bietet dann in wirtschaft­lich schwierige­n Zeiten eine mögliche Überbrücku­ngshilfe, um Kündigunge­n zu vermeiden und die Beschäftig­ten in den Betrieben zu halten.

Allerdings gehört zur ganzen Wahrheit auch, dass das Geld der Bundesagen­tur im vergangene­n Jahr bei Weitem nicht ausgereich­t hat: Ihre Ausgaben lagen 2020 bei 61 Milliarden Euro – ein neuer Rekordwert. Der Großteil konnte durch Einnahmen und Rückstellu­ngen ausgeglich­en werden. Doch weil dieses Geld nicht reichte, musste der Bund rund sieben Milliarden Euro zuschießen – aus Steuergeld­ern.

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