Steht Emmingen-Liptingen bald ohne Arzt da?
Jürgen Kaufmann stellt Vertrauensfrage – Grund ist Differenz über alte Abmachung
EMMINGEN-LIPTINGEN - Seit knapp zwei Wochen behandelt Hausarzt Jürgen Kaufmann seine Patienten in der neuen Liptinger Praxis. In diese hat die Gemeinde Emmingen-Liptingen etwa 850 000 Euro investiert. Auch Kaufmann hat Geld in die Hand genommen, um neue Geräte zu kaufen. Anfang der Woche erhielt er ein Schreiben aus dem Rathaus. Jetzt sagt er: „Ich weiß noch nicht, ob ich diesen Standort weiterführen kann oder will.“
Mitte 2014 hat Kaufmann die
Praxis in der Mättlestraße in Liptingen übernommen. Wie jetzt auch, mietete er die Praxisräumlichkeiten an. Damals seien ihm von der Gemeinde vertraglich 100 000 Euro zugesagt worden, wenn er der Gemeinde beispielsweise das Haus, in dem die alte Praxis war, abgekauft oder baulich etwas daran geändert hätte, wie er berichtet. „Die gleiche Unterstützung sollte ich bekommen, wenn ich neue Geräte oder Inventar anschaffe“, schildert er seine Auffassung der Abmachung. Als feststand, dass eine neue Praxis kommt, sei für ihn klar gewesen, dass er dann auch investieren wolle, berichtet er. Inzwischen habe er rund 120 000 Euro für eine neue EDV-Anlage sowie Diagnostikgeräte in die Hand genommen. Ein Stoßwellengerät und ein Sehtestgerät seien ebenfalls bestellt. Alles in der Annahme, dass er die Summe von 100 000 Euro ersetzt bekomme, erklärt Kaufmann. „Ich habe nun das bei der Gemeinde eingefordert, was vertraglich vereinbart war.“
Nun sorge das Schreiben der Ge
TRAUERANZEIGEN meinde für schlaflose Nächte bei Kaufmann. Für den Hausarzt stelle der Brief einen Vertrauensbruch dar. Denn darin werde ihm mitgeteilt, dass die Abmachung nicht mehr gegenständlich sei, da die Summe für bauliche Verbesserungen gedacht gewesen sei und die Gemeinde nun eine komplett neue Praxis errichten ließ, fasst Kaufmann den Inhalt grob zusammen. Er sagt: „Die Gemeinde hat zwar eine Investition getätigt, aber die Räumlichkeiten werden von mir durch die jetzt fast doppelt so teure Miete refinanziert, so dass dies keiner Zuwendung entspricht.“Anders als bei seiner Zweigstelle in Eigeltingen, wo er unter anderem bei der Suche nach einem weiteren Arzt unterstützt werde, vermisse er diesen Rückhalt in Emmingen-Liptingen. Das habe sich auch in der Vergangenheit gezeigt, so Kaufmann, der auf die Unterschriftenaktion in Emmingen im Jahr 2017 verweist, bei der eine eigene Praxis für Emmingen gefordert wurde. „Vermutlich hat die Gemeinde jetzt festgestellt, dass durch die Geldverschwendung von 600 000 Euro zur Anschaffung von Praxisräumen in Emmingen – ohne dass es einen Arzt gibt – nun das Geld für die vertraglich zugesagte Unterstützung des vorhandenen Arztes nicht mehr ausreicht“, so Kaufmann weiter. Er betont: „Für mich ist im Moment nicht das Geld das Entscheidende, sondern der Vertrauensbruch.“Da dieses in einer Arzt-Patienten-Beziehung aber grundlegend sei, sehe er eine weitere Zusammenarbeit als schwierig an.
Bei Bürgermeister Joachim Löffler stößt die Sache auf Unverständnis. „Die Diskussion wird ungut für alle Beteiligten“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Wie er berichtet, habe die Gemeinde das Haus, in dem die alte Praxis war, sowie den Bauplatz nebenan 2014 gekauft, um Kaufmann entgegen zu kommen und den Start mit seiner Hausarztpraxis zu vereinfachen. „Wir wussten damals schon, dass die Praxis nicht in einem Top-Zustand war“, sagt Löffler. Daher habe die Gemeinde angeboten, dass Kaufmann entweder die Räumlichkeiten zum „Gestehungspreis der Gemeinde“erwerben könne. Die Gemeinde sei aber auch bereit gewesen, ihn beim „Umbau, Ausbau oder einer Erweiterung, also für den Fall, dass baulich etwas verändert werden muss“mit diesen 100 000 Euro zu unterstützen.
Es sei von Anfang an klar gewesen, dass diese Summe für neue Räumlichkeiten in Form eines Praxiswechsels respektive Verbesserungen im baulichen Bereich gedacht waren, so Löffler. „Dann haben wir entschieden, dass wir bauen“, sagt der Bürgermeister. „Wir haben unseren Part also mehr als achtfach, fast neunfach erfüllt.“
Als Kaufmanns Anfrage nach den 100 000 Euro bei der Gemeinde einging, sei eine nicht-öffentliche Gemeinderatssitzung einberufen worden. „Der Gemeinderat hat gesagt, dass wir darüber sprechen müssen.“Das Gremium sei sich einig, dass die Gemeinde den Vertrag erfüllt habe, so Löffler. Dennoch sei man bereit, sich bei weiteren baulichen Beschaffungen in der Praxis zu beteiligen. So sei die Eingangstheke als Teil der Praxis erworben worden. Zudem biete die Gemeinde an, sich auch an einem Regenschutz am Eingang zu beteiligen.
Wie es nun weiter geht, ist noch völlig offen. Wie Kaufmann berichtet, werde er sich aufgrund der für ihn belastenden Situation für zwei Wochen zurückziehen. „Die Patientenversorgung wird nicht leiden. Ich habe kurzfristig arrangiert, dass meine Vertretung kommt. Ich hoffe, dass ich dann mit etwas Abstand eine Entscheidung treffen kann.“Eines stellt er klar: Die Arbeit mit den Patienten in Liptingen liege ihm am Herzen und er würde sie auch gerne bis zu seiner Rente versorgen. „Ich würde gerne bleiben, wenn ich das Vertrauen wieder spüre.“