Pater Godehard Fuchs: „Für den kleinen Mann“
Der Begründer der Betriebsseelsorge im Kreis lebt seit 20 Jahren in seiner Heimat
KREIS TUTTLINGEN/HEUBERG Dass heute Firmenchefs auf dem Heuberg öffentlich die wichtige Rolle von Betriebsräten betonen, dass die Würde in der Arbeitswelt ein ganz zentraler Punkt ist, dass Themen wie Mobbing und Ausgrenzung am Arbeitsplatz Themen für Weiterbildungen von Führungskräften sind. – All das hätte sich Pater Godehard Fuchs zum Beginn und auch während seiner Amtszeit als Betriebsseelsorger von 1974 bis 1995 nicht träumen lassen. Seit 20 Jahren lebt der Salvatorianer-Pater in seiner ursprünglichen Heimat Bierhütte in einem Haus, das er auf einem ererbten Stück Land gebaut hat zusammen mit seiner Hausfrau Anita Wellmann.
Ein Priester ist ja eigentlich nie in Rente, es sei denn, er ist krank. Ein engagierter zumal nicht. Pater Godehard Fuchs hat nach seinem eigentlichen Ruhestand noch in der Pfarrei in Gunningen gearbeitet, ehe er dann mit 70 zurück in seine bayrische Heimat gezogen ist. Dort übernahm er auch seelsorgerische Aufgaben bis er vergangenes Jahr an Krebs erkrankte und zwei Operationen über sich ergehen lassen musste. Geimpft ist er schon, sagt er, und alles gut vertragen. Aber die dritte Operation, die noch vor ihm steht in Regensburg, die flößt ihm schon Respekt ein.
Er wie auch seine Nichte und andere Verwandte und Freunde bedauern, dass sie coronabedingt nicht das große Fest feiern konnten zu seinem 90. Geburtstag am 29. Dezember. Auf ein Gläschen Sekt mit Abstand draußen vor der Tür trafen sich die engsten Angehörigen und Freunde und gratulierten. Die Lokalzeitung berichtete über den Geburtstag. „Es tut mir sehr gut, dass Leute zu mir stehen die mich als Mensch mögen und mir nahe stehen, nicht nur als Pfarrer“, daher habe er den Entschluss, dorthin zu ziehen, wo er herstammt, nie bereut. Einige Jahre lang hat er Archive durchforscht, Bibliotheken durchkämmt und anderswo recherchiert und die Geschichte von Bierhütte als fürstbischöfliche Brauerei aufgeschrieben.
Auch wenn er sich aktiv nicht mehr einbringt – an allem, was sich vor allem in seinem Herzensfeld: Menschen und deren Bedrängnisse tut, ist Pater Godehard interessiert. Die Stimme am Telefon ist praktisch unverändert. Seine Position auch: Immer auf der Seite der Schwächeren und immer gegen jede Form von Hetze und Menschenfeindlichkeit. Entsprechend besorgt sieht er das Wiedererstarken der extremen Rechten, die Kapital aus der derzeitigen Situation schlagen. „Das macht mir Angst, dass diese Leute die Diskussionen als ihre Chance sehen.“
Mit seinem Nachfolger Thomas Maile ist er im regelmäßigen Kontakt, so erzählt er, aber auch mit dem früheren DGB Bezirksvorsitzenden Heinz Geyer und anderen Mitstreitern aus dem Kreis Tuttlingen. 2019 wurde 40 Jahre Betriebsseelsorge im Kreis Tuttlingen gefeiert, die er aufgebaut hatte.
Landesweit zu sehen waren der streitbare Pater und sein Einsatz auf dem Heuberg für die Rechte der Arbeitnehmer
und gegen patriarchale Dominanz 1980 im berühmt-berüchtigten „Heuberg-Film“des SWR. Dieser hatte die Industrie auf dem ehemaligen Armengebiet beschrieben, die Heuberger aber auch klischeehaft reduziert, auch mit Kunstgriffen wir moderner, Dürsterkeit erzeugender Cellomusik. Pater Godehard hatte in diesem Film beschrieben: „Es ist schnell einer, der sich für den kleinen Mann engagiert Sozialist, wenn nicht gleich Kommunist.“Letzteres galt damals für manche noch als Schimpfworte. Der Film hatte vieles in der Struktur der damaligen Zeit vor 40 Jahren richtig beschrieben – Wohltaten wurden vom Chef verteilt, aber Rechte einfordern, das durfte man nicht. Aber er wurde den Heubergern nicht gerecht. Auch Frauen wie die Ärztin Margret Marquart stammen vom Heuberg und viele andere, die originell und mutig auch „für den kleinen Mann“einstanden.
Heute ist diese fundamentalchristliche Sicht auf den Menschen überall akzeptiert. Im Gegenteil, die Strukturen, die damals zwischen Mitarbeitern und Chefs beschrieben wurden, haben sich zwischen den kleinen und mittleren Firmen und den globalen Konzernen und dem globalen Finanzsystem entwickelt. Die fortschrittlichsten Firmen auch von der Arbeitskultur her – und damit auch beliebtesten Arbeitgeber auch für einheimische Arbeitskräfte – kooperieren mit ihren Betriebsräten.
Inzwischen ist es der Papst, der hier die klarst möglichen Worte zum Thema soziale Gerechtigkeit findet, nicht mehr „nur“der „kleine“Pater.
Diese Lernprozesse gab es. Einige, die ihn damals als Störenfried gesehen hatten (er war auch körperlicher Bedrohung ausgesetzt), suchten das Gespräch, sagten es tue ihnen leid, gaben zu, „dass sie mir nicht gerecht geworden sind“. Schließlich sei es seine Aufgabe gewesen. „Ein Betriebsseelsorger sollte nicht die Interessen der Unternehmer vertreten, sondern die der Arbeiter.“Lange schon habe er seither Wertschätzung gespürt. Und den Heuberg gemocht hatte er sowieso schon immer.