Es geht nicht um Privilegien
Der Anfang ist gemacht: Wer vollständig geimpft ist, muss ab Montag in Baden-Württemberg nicht mehr in Quarantäne, wenn er aus dem Ausland einreist oder Kontakt zu einer infizierten Person hatte. Das ist nur die erste Kostprobe von Freiheiten, auf die sich Geimpfte freuen dürfen. Unfaire Privilegien für wenige? Ganz im Gegenteil.
Natürlich schlägt der Gerechtigkeitssensor zunächst Alarm, wenn Geimpfte Privilegien bekommen sollen. Schwer zu ertragen sind solche Aussichten gerade für all jene, die sich ohne mit der Wimper zu zucken gerne auch mit dem Serum von Astrazeneca impfen würden – wenn sie dürften und könnten. Der Impfstoff ist aber weiter knapp. Jüngere Bürger ohne Vorerkrankungen müssen sich weiter gedulden.
Hier liegt aber bereits der erste Denkfehler: Wer vollständig geimpft ist, bekommt keine Privilegien. Er oder sie bekommt zunächst einige wenige Freiheiten zurück, die der Staat – aus gutem Grund wohlgemerkt – zum Schutz der Bevölkerung eingeschränkt hat. Der Prozess ist fließend: Mehr und mehr Menschen werden geimpft sein. Bayern spricht bereits davon, noch im Mai auf sämtliche Priorisierungen bei der Impfreihenfolge zu verzichten.
Was also ist die Alternative? Eine kollektive Rückkehr zum normalen Leben, wenn alle geimpft sind? Gerade das wäre unsolidarisch, rechtlich wohl kaum zu halten und schlicht unmöglich. Denn es gibt Menschen, die etwa wegen Erkrankungen gar nicht geimpft werden können. Ein großer Teil der Bevölkerung hat auf absehbare Zeit zudem noch gar keinen Zugang zu Impfstoffen: Kinder. Die Studien zur Verträglichkeit der Impfstoffe für die Kleinen läuft erst.
Wichtig bei allen Öffnungsdebatten ist es daher, an eben diese Bevölkerungsgruppen zu denken. Auch für sie muss es Strategien geben, dass sie wieder an einem normaleren Leben teilnehmen können – etwa zur Kita und zur Schule gehen können. Eine konsequente Testpflicht in Kombination mit besonders schützenden Mund-Nase-Masken kann allen mehr Freiheiten bringen.
k.ballarin@schwaebische.de