Entscheidungsfindung im Plenarsaal
K-Frage der Union kommt in der Fraktion an – Laschet und Söder im Wettstreit
BERLIN - Wenn es einen Gradmesser für die Schwierigkeit von Situationen im politischen Betrieb gibt, ist es vielleicht die Redefreudigkeit von Abgeordneten. Die ist gerade bei CDU-Parlamentariern nicht allzu sehr ausgeprägt. Zu groß ist wohl die Furcht, dass eine eindeutige Positionierung für einen der beiden Bewerber Nachteile in der Zukunft bringen könnte. Beide Anwärter für die Kanzlerkandidatur, Armin Laschet und Markus Söder, waren am Dienstag zu Gast in der Unionsfraktion, die im Plenarsaal des Bundestags tagte.
Immerhin: Söder sagte etwas, als er kurz vor 15 Uhr am Reichstagsgebäude eintraf: „Alles geht gut. Alles wird gut“, antwortete er auf die Frage, wie die Beratungen in der Fraktion verlaufen werden. Die Deutungshoheit über seine Worte überließ er damit seinem Publikum.
Die beiden Fraktionschefs von CDU und CSU, Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt, hatten zuvor die Pressekonferenz vor der Unionssitzung genutzt, um erst einmal eindringlich dafür zu werben, das neue Infektionsschutzgesetz schnell durch den parlamentarischen Weg zu bringen. Doch das Corona-Krisenmanagement interessierte in diesem Moment die wenigsten. Wie geht es weiter in der K-Frage?, das war die zentrale Frage. Brinkhaus und Dobrindt versuchten zwar, den Stellenwert des Besuchs der beiden Rivalen in der Fraktion kleinzureden. Einen „normalen Vorgang“nannte es der CDU-Fraktionschef. Dobrindt sagte, alles andere als eine Beratung in der Fraktion wäre seltsam gewesen. „Es geht um eine Teamlösung.“Doch nach dem gestrigen Tag, als Söder das CDU-Votum pro Laschet nicht akzeptierte, klang dies nicht sehr überzeugend.
Die Gespräche, die dann im Kreis der Abgeordneten von CDU und CSU folgten, waren zwar für fremde Ohren offiziell tabu, dennoch drangen einige Sätze der beiden Bewerber nach draußen. Laschet appellierte nach Teilnehmerangaben an die Geschlossenheit und Einigkeit der Union. „Wir brauchen keine One-ManShow“, sagte er offenbar in Richtung Söder. Die SPD habe sich monatelang mit nichts anderem als mit ihrem Parteivorsitz beschäftigt. Söder forderte derweil, die Union müsse „alles unternehmen, um so stark wie möglich zu sein und um so viele Abgeordnete wie möglich in den Bundestag zu bekommen“. Für einen Wahlsieg in dieser für die Union sehr kritischen Phase brauchten CDU und CSU die „maximal beste Aufstellung, um erfolgreich zu sein – nicht nur die angenehmste“. „Wir brauchen ein gutes Team, aber Spitze ist auch entscheidend.“Dass er damit auf seine besseren Umfragewerte im Vergleich zu Laschet abzielte, ist offensichtlich.
Doch wer der nächste Kandidat für die Union wird, war auch am Dienstag nicht entschieden. Zu unterschiedlich sind die Ansichten – selbst innerhalb der baden-württembergischen Landesgruppe gehen die Positionen weit auseinander. Einer, der sich öffentlich und deutlich für den CDU-Vorsitzenden Laschet ausspricht, ist Roderich Kiesewetter, Abgeordneter für den Wahlkreis AalenHeidenheim. Dass Laschet sein Mann für die Kanzlerkandidatur ist, begründet er so: Entscheidend seien Fähigkeiten wie Kompromissfähigkeit mit möglichen Koalitionspartnern und Vermittlungsgeschick für einen Neuaufbruch der EU in einer Post-Corona-Zeit. Auch für das Kräfteverhältnis in der Union sei die Entscheidung wichtig. „Unter Berücksichtigung der genannten Aspekte spreche ich mich persönlich für Armin Laschet aus“, teilte der CDU-Politiker mit. Er hält auch nichts von einer Abstimmung in der Fraktion über die K-Frage. Das wäre nicht hilfreich, sagte Kiesewetter. „Vielmehr könnte dies zu Verwerfungen führen.“Ein
Teil der Fraktion trete nicht mehr zur Wahl an, bei anderen Mitgliedern spielten auch persönliche Überlegungen eine Rolle, ist er überzeugt.
Der Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Biberach, Josef Rief, hat andere Präferenzen – er hält Söder für den besseren Kandidaten, wenngleich er Laschet „ministeriable Qualitäten“zuspricht. „Beide sind in vielen Funktionen erprobt. Wir haben ein Luxusproblem und kein großes Problem“, sagte Rief. Dass er sich pro Söder positioniert, begründet er mit der Stimmung in seinem Wahlkreis und mit der Hoffnung, dass der bayerische Ministerpräsident die Belange der Bundesländer im Süden und Südwesten besser im Blick hat als der Kandidat aus NordrheinWestfalen. Aber: Auch Laschet werde sicherlich ein guter Bundeskanzler, ist Rief überzeugt. Am wichtigsten sei für ihn, dass keiner von beiden so beschädigt werde, dass sein Ruf dauerhaft ruiniert ist. „Das hat keiner von beiden verdient.“
Eine Abstimmung in der Fraktion hält Rief wie Kiesewetter nicht für zielführend. „Wir müssen zu einer einheitlichen Linie finden, was in dieser Situation die bessere Lösung ist“, sagte er. In der vergangenen Woche hatte Rief in einer Erklärung wie mehr als 50 CDU-Abgeordnete aus ganz Deutschland gefordert, dass über die Kanzlerkandidatur in der Union „in einer parteiübergreifenden Fraktionssitzung von CDU und CSU diskutiert und im Zweifel auch dort entschieden wird“. Neben ihm finden sich auf dieser Liste unter anderem die baden-württembergischen Abgeordneten Ronja Kemmer (Wahlkreis Ulm), Markus Grübel (Esslingen), Eberhard Gienger (Neckar-Zaber) und Christian von Stetten (Schwäbisch Hall–Hohenlohe).
Von Stetten, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand, sah am Dienstag die Frage nach der Kanzlerkandidatur in der Union noch nicht abschließend beantwortet. „Es hat heute Nacht einen deutlichen Stimmungsumschwung zugunsten von Markus Söder gegeben, nachdem gestern Abend die Unterstützung in den meisten CDU-Landesgruppensitzungen mehrheitlich für Söder war“, teilte er der „Schwäbischen Zeitung“mit. Zuvor hatte er sich im Deutschlandfunk deutlich pro Söder als Kanzlerkandidaten positioniert und darauf verwiesen, dass das Meinungsbild anders sei als im CDU-Präsidium und im Bundesvorstand.