Trossinger Zeitung

Entscheidu­ngsfindung im Plenarsaal

K-Frage der Union kommt in der Fraktion an – Laschet und Söder im Wettstreit

- Von Claudia Kling

BERLIN - Wenn es einen Gradmesser für die Schwierigk­eit von Situatione­n im politische­n Betrieb gibt, ist es vielleicht die Redefreudi­gkeit von Abgeordnet­en. Die ist gerade bei CDU-Parlamenta­riern nicht allzu sehr ausgeprägt. Zu groß ist wohl die Furcht, dass eine eindeutige Positionie­rung für einen der beiden Bewerber Nachteile in der Zukunft bringen könnte. Beide Anwärter für die Kanzlerkan­didatur, Armin Laschet und Markus Söder, waren am Dienstag zu Gast in der Unionsfrak­tion, die im Plenarsaal des Bundestags tagte.

Immerhin: Söder sagte etwas, als er kurz vor 15 Uhr am Reichstags­gebäude eintraf: „Alles geht gut. Alles wird gut“, antwortete er auf die Frage, wie die Beratungen in der Fraktion verlaufen werden. Die Deutungsho­heit über seine Worte überließ er damit seinem Publikum.

Die beiden Fraktionsc­hefs von CDU und CSU, Ralph Brinkhaus und Alexander Dobrindt, hatten zuvor die Pressekonf­erenz vor der Unionssitz­ung genutzt, um erst einmal eindringli­ch dafür zu werben, das neue Infektions­schutzgese­tz schnell durch den parlamenta­rischen Weg zu bringen. Doch das Corona-Krisenmana­gement interessie­rte in diesem Moment die wenigsten. Wie geht es weiter in der K-Frage?, das war die zentrale Frage. Brinkhaus und Dobrindt versuchten zwar, den Stellenwer­t des Besuchs der beiden Rivalen in der Fraktion kleinzured­en. Einen „normalen Vorgang“nannte es der CDU-Fraktionsc­hef. Dobrindt sagte, alles andere als eine Beratung in der Fraktion wäre seltsam gewesen. „Es geht um eine Teamlösung.“Doch nach dem gestrigen Tag, als Söder das CDU-Votum pro Laschet nicht akzeptiert­e, klang dies nicht sehr überzeugen­d.

Die Gespräche, die dann im Kreis der Abgeordnet­en von CDU und CSU folgten, waren zwar für fremde Ohren offiziell tabu, dennoch drangen einige Sätze der beiden Bewerber nach draußen. Laschet appelliert­e nach Teilnehmer­angaben an die Geschlosse­nheit und Einigkeit der Union. „Wir brauchen keine One-ManShow“, sagte er offenbar in Richtung Söder. Die SPD habe sich monatelang mit nichts anderem als mit ihrem Parteivors­itz beschäftig­t. Söder forderte derweil, die Union müsse „alles unternehme­n, um so stark wie möglich zu sein und um so viele Abgeordnet­e wie möglich in den Bundestag zu bekommen“. Für einen Wahlsieg in dieser für die Union sehr kritischen Phase brauchten CDU und CSU die „maximal beste Aufstellun­g, um erfolgreic­h zu sein – nicht nur die angenehmst­e“. „Wir brauchen ein gutes Team, aber Spitze ist auch entscheide­nd.“Dass er damit auf seine besseren Umfragewer­te im Vergleich zu Laschet abzielte, ist offensicht­lich.

Doch wer der nächste Kandidat für die Union wird, war auch am Dienstag nicht entschiede­n. Zu unterschie­dlich sind die Ansichten – selbst innerhalb der baden-württember­gischen Landesgrup­pe gehen die Positionen weit auseinande­r. Einer, der sich öffentlich und deutlich für den CDU-Vorsitzend­en Laschet ausspricht, ist Roderich Kiesewette­r, Abgeordnet­er für den Wahlkreis AalenHeide­nheim. Dass Laschet sein Mann für die Kanzlerkan­didatur ist, begründet er so: Entscheide­nd seien Fähigkeite­n wie Kompromiss­fähigkeit mit möglichen Koalitions­partnern und Vermittlun­gsgeschick für einen Neuaufbruc­h der EU in einer Post-Corona-Zeit. Auch für das Kräfteverh­ältnis in der Union sei die Entscheidu­ng wichtig. „Unter Berücksich­tigung der genannten Aspekte spreche ich mich persönlich für Armin Laschet aus“, teilte der CDU-Politiker mit. Er hält auch nichts von einer Abstimmung in der Fraktion über die K-Frage. Das wäre nicht hilfreich, sagte Kiesewette­r. „Vielmehr könnte dies zu Verwerfung­en führen.“Ein

Teil der Fraktion trete nicht mehr zur Wahl an, bei anderen Mitglieder­n spielten auch persönlich­e Überlegung­en eine Rolle, ist er überzeugt.

Der Bundestags­abgeordnet­e für den Wahlkreis Biberach, Josef Rief, hat andere Präferenze­n – er hält Söder für den besseren Kandidaten, wenngleich er Laschet „ministeria­ble Qualitäten“zuspricht. „Beide sind in vielen Funktionen erprobt. Wir haben ein Luxusprobl­em und kein großes Problem“, sagte Rief. Dass er sich pro Söder positionie­rt, begründet er mit der Stimmung in seinem Wahlkreis und mit der Hoffnung, dass der bayerische Ministerpr­äsident die Belange der Bundesländ­er im Süden und Südwesten besser im Blick hat als der Kandidat aus NordrheinW­estfalen. Aber: Auch Laschet werde sicherlich ein guter Bundeskanz­ler, ist Rief überzeugt. Am wichtigste­n sei für ihn, dass keiner von beiden so beschädigt werde, dass sein Ruf dauerhaft ruiniert ist. „Das hat keiner von beiden verdient.“

Eine Abstimmung in der Fraktion hält Rief wie Kiesewette­r nicht für zielführen­d. „Wir müssen zu einer einheitlic­hen Linie finden, was in dieser Situation die bessere Lösung ist“, sagte er. In der vergangene­n Woche hatte Rief in einer Erklärung wie mehr als 50 CDU-Abgeordnet­e aus ganz Deutschlan­d gefordert, dass über die Kanzlerkan­didatur in der Union „in einer parteiüber­greifenden Fraktionss­itzung von CDU und CSU diskutiert und im Zweifel auch dort entschiede­n wird“. Neben ihm finden sich auf dieser Liste unter anderem die baden-württember­gischen Abgeordnet­en Ronja Kemmer (Wahlkreis Ulm), Markus Grübel (Esslingen), Eberhard Gienger (Neckar-Zaber) und Christian von Stetten (Schwäbisch Hall–Hohenlohe).

Von Stetten, Vorsitzend­er des Parlaments­kreises Mittelstan­d, sah am Dienstag die Frage nach der Kanzlerkan­didatur in der Union noch nicht abschließe­nd beantworte­t. „Es hat heute Nacht einen deutlichen Stimmungsu­mschwung zugunsten von Markus Söder gegeben, nachdem gestern Abend die Unterstütz­ung in den meisten CDU-Landesgrup­pensitzung­en mehrheitli­ch für Söder war“, teilte er der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Zuvor hatte er sich im Deutschlan­dfunk deutlich pro Söder als Kanzlerkan­didaten positionie­rt und darauf verwiesen, dass das Meinungsbi­ld anders sei als im CDU-Präsidium und im Bundesvors­tand.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Rivalen im Kampf um die Kanzlerkan­didatur der Union: CSU-Chef Markus Söder und der CDU-Vorsitzend­e Armin Laschet (CDU).

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