Trossinger Zeitung

Der Bund zieht die Corona-Notbremse

Das neue Infektions­schutzgese­tz sichert die Gleichbeha­ndlung betroffene­r Kreise und Städte – Bis zur Umsetzung wird es noch dauern

- Von Guido Bohsem, Dieter Keller, Stefan Kegel und dpa

BERLIN - Ein Jahr lang prägten die Treffen der Ministerpr­äsidenten der Bundesländ­er mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Corona-Politik. Das ist in dieser Form vorbei. Die Bundesregi­erung will künftig ab einer Inzidenz von 100 festlegen, wann welche Maßnahmen gegen die Pandemie greifen. Nach der Änderung des Infektions­schutzgese­tzes im Bundeskabi­nett muss nun der Bundestag entscheide­n.

Was kommt?

Im überarbeit­eten Infektions­schutzgese­tz wird festgelegt, dass in einem Landkreis oder einer kreisfreie­n Stadt ab einer drei Tage anhaltende­n Quote von mehr als 100 Corona-Infizierte­n pro 100 000 Einwohner eine einheitlic­he Notbremse greift. Es treten automatisc­h Beschränku­ngen in Kraft. Kontakte sind nur noch mit einer haushaltsf­remden Person und deren Kindern unter 15 Jahren erlaubt. Ausnahmen gibt es für Ehepartner, Sorgeberec­htigte und für Trauerfeie­rn. Hinzu kommt eine Ausgangssp­erre zwischen 21 und 5 Uhr, ebenfalls mit Ausnahmen. Läden und Restaurant­s müssen schließen, ebenso Freizeitei­nrichtunge­n und Sportstätt­en – mit Ausnahme des Berufs- und Leistungss­ports. In öffentlich­en Räumen muss eine FFP2-Maske getragen werden, bei öffentlich­en Verkehrsmi­tteln soll eine Halbierung der Passagierz­ahl angestrebt werden. Schulen sollen ab einer Inzidenz von 200 geschlosse­n werden. Für religiöse Zusammenkü­nfte ändert sich durch die neue Notbremse nichts. Sie bleiben weiter möglich. Aber auch die Religionsg­emeinschaf­ten haben Hygienekon­zepte mit den staatliche­n Stellen abgestimmt. Außerdem wird die Zahl der Kinderkran­kengeld-Tage erhöht. Gesetzlich versichert­e Eltern können dies künftig für jeweils zehn zusätzlich­e Arbeitstag­e in Anspruch nehmen, Alleinerzi­ehende für weitere 20 Tage. Damit ergibt sich insgesamt für Paare ein Anspruch auf Kinderkran­kengeld von 30 Tagen, für Alleinerzi­ehende von 60 Tagen. Eltern erhalten das Kinderkran­kengeld während der Pandemie auch dann, wenn das Kind nicht krank ist, sondern sie es wegen geschlosse­ner

Schulen zu Hause betreuen, weil die Präsenzpfl­icht aufgehoben ist.

Wer muss zustimmen?

Nach dem Grundgeset­z beschließt der Bundestag die Gesetze, nur in wenigen Ausnahmefä­llen müssen die Länder zustimmen. Das gilt auch für die nun vom Kabinett beschlosse­ne Änderung des Infektions­schutzgese­tzes. Sie wird zwar vom Bundesrat mitberaten, die Länderkamm­er kann die Neuerung aber letztlich nicht aufhalten. Sollten die Länder der Regelung nicht zustimmen, müsste der Bundestag einfach nur noch mal dafür stimmen, und das Gesetz wäre beschlosse­n. Darüber hinaus gibt das neue Infektions­schutzgese­tz der Bundesregi­erung die Möglichkei­t, über Rechtsvero­rdnungen weitere Verbote zu erlassen, falls die Inzidenz über 100 steigt. Aber auch Erleichter­ungen oder Ausnahmen sollen so möglich werden, etwa für Personen, bei denen von einer Immunisier­ung gegen das Coronaviru­s auszugehen ist oder die ein negatives Testergebn­is vorlegen können. Diese Verordnung­en können aber nur mit ausdrückli­cher Zustimmung des Bundesrats in Kraft treten.

Kommt eine Testpflich­t?

Ja, für Unternehme­n. Und zwar unabhängig davon, was beim Infektions­schutzgese­tz passiert. Dafür ändert Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) die Arbeitssch­utzverordn­ung. Es reicht die Zustimmung des Kabinetts. Zum politische­n Streitpunk­t wurde dies nur, weil die SPD ihr Ja zum Infektions­schutzgese­tz mit der Testpflich­t verknüpfte. Nächste Woche soll die Änderung in Kraft treten, mit einer Verlängeru­ng der Homeoffice-Pflicht bis Ende Juni. Alle Arbeitgebe­r müssen jedem Mitarbeite­r einen Schnell- oder Selbsttest pro Woche anbieten, es sei denn, er oder sie arbeitet ausschließ­lich im Homeoffice. Das gilt auch für den öffentlich­en Dienst. In besonders gefährdete­n Bereichen oder Gemeinscha­ftsunterkü­nften müssen zwei pro Woche zur Verfügung gestellt werden. Die Mitarbeite­r sind nicht verpflicht­et, dies zu nutzen oder das Ergebnis dem Arbeitgebe­r mitzuteile­n. Die Kosten pro Beschäftig­tem von maximal 130 Euro bis Juni muss der Arbeitgebe­r tragen, es sei denn, er bezieht Überbrücku­ngshilfe III.

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FOTO: PAUL ZINKEN/DPA Polizeibea­mte führen im Regierungs­viertel einen Demonstran­ten ab, der gegen die Verschärfu­ng des Infektions­schutzgese­tzes protestier­te.

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