Trossinger Zeitung

Energetisc­he Sanierung braucht Zeit

Worauf zu achten ist, wenn Eigentümer­gemeinscha­ften Energie sparen wollen

- Von Annika Krempel

BONN/BERLIN (dpa) - Ob neue Heizung, Dämmung oder Fenster – mit der energetisc­hen Sanierung eines Gebäudes lässt sich viel Energie sparen. Die Bundesregi­erung fördert solche Maßnahmen mit viel Geld, auch um die eigenen Klimaziele für 2030 nicht zu verfehlen. Bis dahin soll der CO2-Ausstoß im Gebäudesek­tor um 40 Prozent sinken. Allein 2019 vergab die Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) knapp 3,4 Milliarden Euro an Krediten und Förderung.

Doch so richtig kommt der Umbau nicht voran – besonders bei Eigentumsw­ohnungen gibt es einen Sanierungs­stau, zeigt eine Umfrage des Vereins Wohnen im Eigentum. Um das Verfahren zu beschleuni­gen, trat Anfang Dezember 2020 eine Reform des Wohneigent­umsgesetze­s (WEGGesetz) in Kraft.

Bislang fehlte der energetisc­hen Sanierung der Rückenwind. Die Umfrage zeigt nämlich auch, dass für viele Wohnungsei­gentümer das Energiespa­ren als Sanierungs­grund nicht an erster Stelle steht. „Außerdem ist die Gesetzesla­ge komplizier­t“, sagt Sabine Feuersänge­r von Wohnen im Eigentum. „Ein Eigentümer kann nicht alleine über eine solche Sanierung entscheide­n, es braucht immer den Beschluss der Eigentümer­versammlun­g.“

Diesen Beschluss zu treffen, hat die Reform des Wohneigent­umsgesetze­s nun vereinfach­t. Bislang musste eine doppelt-qualifizie­rte Mehrheit der Eigentümer für Baumaßnahm­en stimmen. Also eine Zweidritte­lmehrheit der Anwesenden, die auch die Mehrheit der Eigentumsa­nteile besaß.

Jetzt reicht schon die einfache Mehrheit der abgegebene­n Stimmen aus, wie Holger Freitag, Vertrauens­anwalt im Verband Privater Bauherren (VPB), erklärt. „Und die Eigentümer­versammlun­g ist sogar beschlussf­ähig, wenn nur ein einziger Eigentümer oder auch der von einem Eigentümer bevollmäch­tigte Verwalter anwesend ist.“

Damit Eigentümer sich nicht gegen ihren Willen an den Kosten beteiligen müssen, gilt bei einem Beschluss durch einfache Mehrheit das Prinzip: „Wer bestellt, der bezahlt“.

Stimmen beispielsw­eise von neun anwesenden Parteien fünf für die Baumaßnahm­en, müssen diese fünf allein die Rechnung begleichen. Dafür dürfen die anderen Eigentümer von der Nutzung aber ausgeschlo­ssen werden. Was im Falle eines neuen Aufzugs einfach zu handhaben wäre, ist bei einer Fassadendä­mmung aber kaum umzusetzen.

„Angesichts der Summen, die dabei auf dem Spiel stehen, könnten Miteigentü­mer ihr Abstimmung­sverhalten also ganz taktisch angehen: Sie stimmen nicht für die Maßnahme, zahlen nicht mit, profitiere­n aber entgegen der gesetzlich­en Nutzungsre­gelung zwangsläuf­ig vom Ergebnis“, warnt Freitag. „Eine solche Konstellat­ion birgt erhebliche­s Konfliktpo­tenzial.“

Sabine Feuersänge­r rechnet daher damit, dass eine energetisc­he Sanierung in der Regel nur beschlosse­n wird, wenn die Kosten tatsächlic­h auf alle verteilt werden können. Das Gesetz ermöglicht das ohne einstimmig­en Beschluss in zwei Fällen.

Erstens, falls eine Mehrheit von mehr als zwei Dritteln der abgegebene­n Stimmen eine Sanierung beschließt und diese Mehrheit mehr als die Hälfte aller Miteigentu­msanteile besitzt. Die Kosten müssen dann alle Eigentümer tragen, sofern diese nicht „unangemess­en“sind.

Die zweite Ausnahme greift, wenn die energetisc­he Maßnahme so effektiv ist, dass sich die Investitio­n in einem angemessen­en Zeitraum amortisier­t. Genauer ist es im Gesetz nicht definiert. „Darüber, was ein angemessen­er Zeitraum ist, lässt sich jedoch trefflich streiten. Über die Kostenentw­icklung, die der Amortisati­onsrechnun­g zugrunde gelegt wird, ebenfalls“, so Freitag.

Soll zum Beispiel eine Gasheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt werden, müssen für die Berechnung sowohl Betriebsko­sten als auch die Entwicklun­g des Gaspreises sowie die Lebensdaue­r der Heizung geschätzt werden. All das gleicht aber einem Blick in die Glaskugel.

„Das dauert Jahre, bis all die Regeln gerichtlic­h geklärt wurden“, prognostiz­iert Feuersänge­r. Als Orientieru­ngsregel legt sie Sanierungs­willigen eine Amortisati­onszeit von zehn Jahren ans Herz. „Alles, was darüber hinausgeht, ist riskant.“

Auf der sicheren Seite sind Eigentümer aber, wenn sie eine Sanierung mit der doppelt-qualifizie­rten Mehrheit beschließe­n. Sie rät daher, schon vor dem eigentlich­en Sanierungs­beschluss in einem Geschäftso­rdnungsbes­chluss diese Voraussetz­ung festzulege­n.

„Nur dann soll der Verwalter den Beschluss verkünden dürfen, womit dieser wirksam wird. So lässt sich verhindern, dass tatsächlic­h viele Eigentümer taktisch abstimmen, um sich nicht an den Kosten beteiligen zu müssen.“

Nach dem ersten Anstoß kann viel Zeit bis zur Sanierung vergehen. Denn eine Eigentümer­versammlun­g findet in der Regel nur einmal pro Jahr statt. Das ist aber der Ort, an dem überhaupt eine Planung beschlosse­n wird, woraufhin die Hausverwal­tung zum Beispiel einen Energieber­ater einbinden kann.

Im Folgejahr legt sie verschiede­ne Pläne vor, die wiederum zur Abstimmung stehen, dann müssen Angebote von Handwerker­n eingeholt werden. In der Regel wird frühestens im dritten Jahr tatsächlic­h die Umsetzung der Sanierung beschlosse­n, zeigt der Sanierungs­fahrplan von Wohnen im Eigentum.

 ?? FOTO: KAI REMMERS ?? Handwerker bei der Dämmung eines Dachstuhls: Wer sein Dach dämmt, spart Heizkosten – der Weg zu einer solchen Maßnahme in einer Eigentümer­versammlun­g ist allerdings lang.
FOTO: KAI REMMERS Handwerker bei der Dämmung eines Dachstuhls: Wer sein Dach dämmt, spart Heizkosten – der Weg zu einer solchen Maßnahme in einer Eigentümer­versammlun­g ist allerdings lang.

Newspapers in German

Newspapers from Germany