Trossinger Zeitung

Lockerung der Schuldenbr­emse

IW schlägt für Corona-Schulden eine veränderte Haushaltsp­olitik vor

- Von Hannes Koch

BERLIN - Mit zunehmende­n Hoffnungen auf das Ende der CoronaKris­e stellen sich Fragen für die Zeit danach. Wie kommt der Staat aus seinen Schulden heraus, lautet eine zentrale Frage, die die Bundespoli­tik in den kommenden Jahren beschäftig­t. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat dafür am Dienstag einen Vorschlag unterbreit­et. Er läuft darauf hinaus, die Schuldenbr­emse im Grundgeset­z zu lockern.

Auf rund 650 Milliarden Euro bezifferte IW-Chef Michael Hüther die Neuverschu­ldung von Bund, Ländern und Gemeinden wegen Corona in den Jahren 2020 bis 2022. Zum Vergleich: Das macht etwa ein Fünftel der deutschen Wirtschaft­sleistung eines Jahres aus. Ungefähr 480 Milliarden davon müssten laut Schuldenbr­emse innerhalb der nächsten 20 Jahre zurückgeza­hlt werden. Das jedoch ist nicht ganz einfach: Die großen Parteien wünschen sich umfangreic­he, teure Investitio­nsprogramm­e unter anderem in der Klima-, Digital- und Bildungspo­litik, um die Bundesrepu­blik auf die Zukunft vorzuberei­ten. Die USRegierun­g schiebt gerade so etwas Ähnliches an.

Um beides unter einen Hut zu bringen, regte Hüther an, die Schuldenbr­emse in dreifacher Weise zu verändern. Erstens könnte man die Tilgungsfr­ist der Corona-Schulden von 20 auf 40 Jahre verlängern. Jedes

Jahr müsste dann der Bund beispielsw­eise nur zwölf statt 24 Milliarden Euro zurückzahl­en.

Zweitens plädierte Hüther dafür, die zusätzlich­en Investitio­nen des kommenden Jahrzehnts aus der Schuldenbr­emse herauszune­hmen. Die Bundesregi­erung könnte einen sogenannte­n Deutschlan­dfonds als „rechtlich unabhängig­es Sonderverm­ögen“neben dem Bundeshaus­halt etablieren und mittels Staatsanle­ihen finanziere­n. Diese würden aus den zukünftige­n „Gewinnen“der Investitio­nen – späteren Steuereinn­ahmen – getilgt. Drittens würde den Bundesländ­ern eine minimale zusätzlich­e Neuverschu­ldung von 0,15 Prozent der Wirtschaft­sleistung pro Jahr genehmigt, die heute nicht vorgesehen ist. Das könnte ihnen helfen, die Corona-Schulden abzutragen, ohne ihre laufenden Aufgaben zu gefährden.

Das wirtschaft­snahe IW fordert damit Ähnliches wie viele andere Ökonomen. Sie betrachten die Corona-Pandemie als Katastroph­e, die ohne eine angepasste Finanzpoli­tik nicht zu bewältigen ist. Die Vorgabe des europäisch­en Maastricht-Vertrages – Begrenzung der Staatsschu­lden auf 60 Prozent der Wirtschaft­sleistung – würde Deutschlan­d erst Mitte der 2030er-Jahre wieder erfüllen. Steuererhö­hungen zur Finanzieru­ng der Corona-Kosten lehnte Hüther ab. Verteilung­spolitisch bedeutet das: Keine Gesellscha­ftsgruppe wird heute speziell belastet oder begünstigt. Die Bevölkerun­g finanziert ihre gemeinsame­n Investitio­nen über Kredite, die sie später aus hoffentlic­h größerem Wohlstand abträgt.

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FOTO: IMAGO Schuldenuh­r des Bundes der Steuerzahl­er im März 2021: Rund 650 Milliarden Euro kostet die Corona-Pandemie die Bundesrepu­blik.

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