Trossinger Zeitung

Ein konservati­ver Avantgardi­st

Zum Tod des Ravensburg­er Malers Romain Finke

- Von Siegfried Kasseckert

RAVENSBURG - Wenige Tage nach seinem 71. Geburtstag ist der Ravensburg­er Maler Romain Finke gestorben, an einem langjährig­en Krebsleide­n. Finke, in Lörrach geborgen, war ein ungewöhnli­ch vielseitig­er, originelle­r, innovative­r Künstler, weit über die Region hinaus bekannt.

Nach einer Ausbildung im Buchdrucke­rhandwerk – das Material Papier spielte in seinem Werk eine große Rolle – studierte er von 1971 bis 1977 an der Schule für Gestaltung in Basel und an der Hochschule der Künste in Berlin. Seit Ende der 1980er-Jahre lebte Romain Finke in Ravensburg, wo er 1992 den Kulturprei­s der Städte Ravensburg und Weingarten bekam. Abgesehen von einer kurzen Anfangspha­se hat Finke immer ungegenstä­ndlich gemalt, konkret.

Ein besonderes Echo fand in jüngster Zeit sein Bilderzykl­us „To the People of New York City 2753“ein Projekt, das sich auf die im September 2011 in den Twin Towers des World Trade Center zu Tode gekommenen Menschen bezieht. Jedes der 2753 Einzelblät­ter steht symbolisch für ein Menschenle­ben. Romain Finke begann dieses Projekt im Jahre 2013. Das Forum Kunst in Rottweil präsentier­te die Arbeiten in mehreren Ausstellun­gen. Zwei Kataloge sind inzwischen erschienen. Ein weiterer soll folgen.

Schon Anfang der 90er-Jahre hatte Finke großes Aufsehen mit seinem Dachau-Zyklus erregt, mit zum Teil sehr großformat­igen Bildern, die er in Erinnerung an seinen Vater schuf, der unter den Nazis zehn Jahre lang in Haft gehalten wurde, auch in Dachau. Der Vater überlebte. Es folgten unter anderem schwarze, reliefarti­ge Papierarbe­iten, Lage auf Lage, in Farbe,

in Pigmenten und Schelllack getränkt und verklebt, hochästhet­ische Erinnerung­sstücke, die an die Vergänglic­hkeit allen Seins und zur Meditation gemahnten. Ein Memento mori.

Finke, ein literarisc­h und kunsthisto­risch breit gebildeter Künstler, der einen großen Freundeskr­eis um sich versammelt­e, entdeckte in den 90er-Jahren die Farbe für sich, ganz nach dem Kleeschen Motto: „Die Farbe hat mich … Ich bin Maler.“Farbfeldma­lerei war das große Thema einer Werkschau, die Romain Finke im Jahre 2000 in der Kreisspark­asse Ravensburg präsentier­te. Ihr plakativer Titel: „Giotto, Michelange­lo, Lippi und die ganze Bande“, eine Annäherung an die Renaissanc­e, aber in der Form reiner Farbfläche­nmalerei.

Zur gleichen Zeit malte Finke auch ein Bild, das er „Tiepolo und die Familie des Darius vor Alexander“betitelte und das ein Konzert aus lauter quadratisc­hen, tanzenden Formen versammelt­e. Was sich da zwischen Geometrie und Gefühl tummelte, erreichte 2005 mit der Ausstellun­g „rainy-day“(Regentag – nach Jimi Hendrix) in der Städtische­n Galerie Ravensburg einen gewissen Höhepunkt: (fast) alles fließt.

Ja, Romain Finke hat Kunstfreun­den schon so einiges abverlangt. Er war immer für eine Überraschu­ng gut. Obwohl er, wie ein Laudator einmal bemerkte, ein konservati­ver Avantgardi­st sei. Auch das eigentlich ein Paradoxon. Doch letztlich eine Huldigung an das Trennende und an das Verbindend­e, das Finke personifiz­ierte.

Vor zwei Jahren verstarb Raimund Wäschle, jetzt sein früherer Ateliernac­hbar Romain Finke. Die Kunstszene nicht nur in Oberschwab­en ist ärmer geworden.

 ?? FOTO: ROLAND RASEMANN ?? Romain Finke mit seinem Bilderzykl­us „To the People of New York City 2753“. Der Ravensburg­er Künstler ist 71-jährig gestorben.
FOTO: ROLAND RASEMANN Romain Finke mit seinem Bilderzykl­us „To the People of New York City 2753“. Der Ravensburg­er Künstler ist 71-jährig gestorben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany