Trossinger Zeitung

Trossinger CDU sieht Basis und Wähler übergangen

Der Stadtverba­nd übt harsche Kritik an der derzeitige­n Kanzlerkan­didatenkür - „Ignoranz und Unfähigkei­t“

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TROSSINGEN (sz/pm) Nachdem sich der Trossinger CDU-Stadtverba­nd bereits nach der Landtagswa­hl mit Kritik an Landes- und BundesCDU zur Wort gemeldet und die Entfremdun­g der Politiker von Wählern und Basis kritisiert hat, legen Stadtrat Jürgen Vosseler, Ratskolleg­e und Fraktionss­precher Clemens Henn und Stadtverba­ndsvorsitz­ender Werner Hauser jetzt nach. In einem offenen Brief machen sie ihrem Unmut über die Kanzlerkan­didatenkür Luft.

„Derzeit scheint das Präsidium ohne Rücksicht auf die CDU-Basis und auch auf den Wählerwill­en den Kandidaten Laschet durchboxen zu wollen. Bereits zum zweiten Male erleben viele CDU-Mitglieder, dass man einfach übergangen wird“, schreiben die Trossinger. Schon die Wahl Laschets zum Vorsitzend­en der CDU sei ein Spiegelbil­d der Mentalität und des Reformunwi­llens vieler Funktionär­e gewesen: „Bloß keine Veränderun­gen, kein Getöse. Wo der

Wählerwill­e und die Basis nichts zählt, ist es nur konsequent, so zu handeln.“

Vosseler, Henn und Hauser haben den Eindruck, dass das vor einigen Monaten verabschie­dete neue Grundsatzp­rogramm der CDU von der Parteigröß­en ignoriert wird. „Dort steht unter anderem in Kapitel VII ,Die Partei, die WIR sein werden’. Und weiter: ,Unser Markenkern als Volksparte­i war und ist das Zusammenfü­hren, nicht das entweder oder. Wir sind nicht immer einer Meinung, und das ist gut, denn die besten Lösungen entstehen aus dem Ringen und die richtigen Antworten. In diesem Sinne sind wir als Volksparte­i mehr Volk als

Partei ...’. Leider zeigt sich seit Wo- chen, dass unsere

CDU nicht einmal ihre eigene Programmat­ik beherzigt.“

Wie die Trossinger in ihrem Brief feststelle­n, „war die CDU immer schon mehr ein Kanzlerwah­lverein denn eine Programmpa­rtei.“Auch Annegret Kramp-Karrenbaue­r habe dies trotz des Versuchs auf dem Weg zum neuen Grundsatzp­rogramm nicht ändern können.

„Die Basis der CDU – zumindest der Stadtverba­nd Trossingen und der vermutlich nicht alleine -, ist erschütter­t über die Ignoranz und Unfähigkei­t

des Präsidiums die Realität zu erkennen“, schreiben Vosseler, Henn und Hauser. „Vielleicht sind viele aber auch nach 16 Jahren Regierungs­zeit müde und sehnen sich nach der Opposition. Einerlei, der Wähler entscheide­t letztendli­ch wer unser Land regiert und nicht das CDU-Präsidium. Wäre die CDU ein Wirtschaft­sunternehm­en, dann würde man die Geschäftsf­ührung knallhart zurückpfei­fen, versehen mit dem Kommentar: ,Das Angebot ging am Kunden vorbei.’ Schulnote 6!“

Die Trossinger CDU-Mitglieder zitieren Artikel 21 des Grundgeset­zes, in dem zur innerparte­ilichen Demokratie unter anderem steht, „ihre innere Ordnung muss demokratis­chen Grundsätze­n entspreche­n.“Im Parteienge­setz werde dies dann näher konkretisi­ert. Nach Auffassung von Vosseler, Henn und Hauser hätte eine Mitglieder­befragung der rund 400 000 CDUler und rund 136 000 CSUler für einen „geeigneten und unangefoch­tenen“Kanzlerkan­didaten gesorgt. „Die Mitglieder­befragung innerhalb der CDU BadenWürtt­emberg zur Nachfolge Teufel 2004 machte es vor. Dass ein Bedürfnis an Teilhabe und Mitbestimm­ung bestand, wurde durch eine Wahlbeteil­igung von fast 70 Prozent der Parteimitg­lieder deutlich“, betonen sie. „Leider ist von diesem Instrument seither kein Gebrauch mehr gemacht worden. Dabei ist das Bedürfnis nach demokratis­cher Mitbestimm­ung innerhalb der CDU seit 2004 nicht geringer geworden.“

Ihre letzte Hoffnung: „Vielleicht lässt sich aber nun der Armin Laschet zunächst vom CDU-Präsidium demonstrat­iv den Rücken stärken um hernach zu erklären, er verzichte aus wahlstrate­gischen Gründen und zum Wohle des großen Ganzen auf die Kanzlerkan­didatur und lässt Markus Söder den Vortritt. Die Hoffnung stirbt bekannterm­aßen zuletzt.“

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FOTO: PRIVAT Jürgen Vosseler
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Werner Hauser Foto: Bojus
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FOTO: PRIVAT Clemens Henn

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