Musizieren und mit dem Smartphone filmen
Der Tuttlinger Andreas Brand startet im Rahmen des Musiklusion-Projekts einen Online-Wettbewerb
TUTTLINGEN - Musizieren mit Menschen mit Beeinträchtigungen – diese Idee steht hinter dem Projekt „Musiklusion“. Insbesondere geht es dabei darum, dass geistig und körperlich Beeinträchtigte selbst Instrumente ausprobieren dürfen. Der Tuttlinger Andreas Brand hat dafür mit Beschäftigten der Tuttlinger Behindertenhilfeeinrichtung Lebenshilfe spezielle Instrumente entwickelt. Jetzt geht er mit dem Wettbewerb „Grenzenlose Konzerte“in die nächste Runde der Musiklusion – und dabei sind alle gefragt. SZ-Redakteurin Dorothea Hecht hat ihn dazu befragt.
Herr Brand, Sie rufen zu einem Online-Musikwettbewerb auf. Das war ursprünglich in dem Projekt nicht vorgesehen. Wie kam es nun dazu?
Das Ziel von „Musiklusion“ist es, Menschen mit Beeinträchtigungen einen aktiven Zugang zum Musizieren mittels digitaler Technologien zu ermöglichen und in inklusiven Ensembleformaten aufzutreten. Letzteres erscheint coronabedingt auf lange Sicht sehr utopisch. Weil das Projekt aber an Fördermittel des Landes gebunden ist und diese sich nicht ewig verlängern lassen, ist aus der Not eine Tugend entstanden und wir haben unsere Idee angepasst.
Wie soll der Wettbewerb ablaufen?
Erstmal: Jeder kann mitmachen. Ob nun mit Beeinträchtigungen oder ohne. Aufgabe ist es, mit dem eigenen Smartphone zu filmen, wie zu einem unserer bereitgestellten Videos musiziert wird. In unseren Videos präsentieren wir unsere Instrumente, zum Beispiel das „Disklavier“, ein herkömmliches Klavier mit einer Datenschnittstelle, das über ein iPad wie von Geisterhand spielt. Außerdem haben wir mit einem eigenen technologischen Konzept mit Studierenden und Lehrenden vom Campus Tuttlingen ein Schlagzeug motorisiert. Und eine motorisierte Gitarre werden wir demnächst auch in der Lebenshilfe testen. In den Musikvideos sind die Projektgestaltenden aus der Lebenshilfe an den Instrumenten zu erleben. Wir sind davon überzeugt, dass das ein kreativer Nährboden ist, sich zu beteiligen. Bei dem Wettbewerb geht es um Spaß und darum, sich mit kulturellen Inhalten auseinanderzusetzen trotz Corona. Wir wollen damit nicht zuletzt auch Kreativ- und Kulturschaffende ansprechen, die derzeit ein Berufs-Delta durchleben – vielleicht können wir einen Impuls setzen, ein kleines Trostpflaster sozusagen.
Zu gewinnen gibt es Geldbeträge. Wer entscheidet über die Sieger? Es gibt Jurypreise und zwei Publikumspreise. In der Jury sind Raul Krauthausen, der als Aktivist für Inklusion bekannt ist, und Sandra Fietkau, Professorin für Inklusion an der EH Ludwigsburg als Externe dabei. Dazu sind einige Akteure von vor
Ort vertreten, zum Beispiel Martin ten Bosch, Geschäftsführer der Lebenshilfe Tuttlingen, Projektbeteiligte
und ich. Die Jury prämiert drei Preise und stellt eine Auswahl für den Publikumspreis zusammen. Über die Publikumspreise wird dann öffentlich auf Facebook und bei Instagram über Likes abgestimmt.
Raul Krauthausen ist nun wirklich kein Unbekannter – wie kamen Sie denn an ihn ran?
Das war tatsächlich relativ einfach, man kann über seine Website Termine mit ihm vereinbaren. Wir hatten einen kurzen Videochat, er fand das Projekt inspirierend und hat sofort zugesagt, in der Jury mitzumachen. Ich freue mich total, dass er dabei ist!
Sie haben den Anspruch, den Wettbewerb nicht nur lokal zu veranstalten, sondern so weitreichend wie möglich. Wie wollen Sie die Leute erreichen?
Ich streue es in allen Kanälen, die ich erreiche, von Kultur- und Bildungseinrichtungen über Behindertenbeauftragte bis hin zu Verbänden. Durch die digitale Ausrichtung lässt sich der Teilnehmerkreis nicht einschränken, und das ist auch gut so. Eine Person aus Wien hat zum Beispiel schon geschrieben. Die Hürden sind niedrig gesetzt, man kann einfach ein Smartphone nehmen und sich beim Musizieren filmen. Genauso gut darf man auch mit einer Bohrmaschine zur Musik spielen, oder ein selbst gebautes Instrument zeigen – das ist alles ok. Wir wollen bunte, vielfältige Beiträge, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Weitere Infos zum Wettbewerb gibt es unter https://wettbewerb.musiklusion.de. Dort können bis zum 31. Mai die Videos hochgeladen werden. Im Juni prämiert die Jury die Beiträge, zu gewinnen gibt es je einmal 300, 200 und 100 Euro. Im Anschluss wird über die zwei Publikumspreise abgestimmt, die mit je 100 Euro dotiert sind.