Trossinger Zeitung

Problemati­sche Kandidaten

- Von Guido Bohsem

Vor vier Monaten wäre das Rennen um die Kanzlerkan­didatur ganz anders entschiede­n worden. Klare Sache, Jens Spahn hätte die Union in den Wahlkampf geführt. Schließlic­h war er Umfragen-Champion und die Menschen hatten den Eindruck, bei ihm in guten Händen zu sein. Schon ein paar Wochen später fragte sich das Volk auf einmal, ob dieser Mann überhaupt Gesundheit­sminister sein kann. Rücktritts­forderunge­n wurden laut.

Es scheint deshalb reichlich unterkompl­ex, CSU-Chef Markus Söder für den besseren Bewerber zu halten, nur weil er gerade jedermanns Darling zu sein scheint. Die Frage muss lauten: Wird er es auch noch am Wahltag sein? Keiner weiß es, aber ein paar Vermutunge­n sind möglich. Angenommen, Söder wird Kandidat, Corona verliert durch das warme Wetter und die Impfungen weiter seinen Schrecken. Söder verlöre seine Paraderoll­e als Warner aus dem „Team Vorsicht“. Das Licht der Öffentlich­keit würde sich dann ebenso so brutal auf den Franken richten wie jetzt auf Laschet. Es ginge dann um Charakterf­ragen, und da wissen viele Parteifreu­nde, Gegner und Journalist­en sehr genau, dass Söder vor allem Söder im Sinn hat.

Das heißt noch lange nicht, dass Laschet der bessere Kandidat wäre. Denn ob es dem Rheinlände­r gelingen wird, das Image des wankelmüti­gen Pechvogels abzuschütt­eln, scheint zumindest im Augenblick fraglich. Selbst wohlmeinen­den Zeitgenoss­en irrlichter­t er ein bisschen zu heftig. Die Union hat, anders als von CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt dargestell­t, nicht „zwei herausrage­nde Optionen“zur Auswahl, sondern eben zwei sehr problemati­sche. Niemand sollte zudem glauben, dass die Union nach einer wie auch immer gearteten Entscheidu­ng zur Geschlosse­nheit zurückfind­et. Sehr viel wahrschein­licher dürfte die nun offen geführte Auseinande­rsetzung zu einem kalten Dauerzwist reifen. Davon könnte der politische Hauptgegne­r profitiere­n, die Grünen. Denn die sonst so notorische­n Streithans­el machen in diesen Tagen beispielha­ft vor, was Geschlosse­nheit wirklich bedeutet.

politik@schwaebisc­he.de

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