Trossinger Zeitung

Die wunderlich­e Wurst-Amnesie

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Die zutiefst menschlich­e Fähigkeit, sich selbst zu betrügen, ist gerade in Ernährungs­fragen sehr weit verbreitet. Darauf deutet auch eine Befragung einer Unternehme­nsberatung in Sachen Fleischkon­sum hin. Die daraus resultiere­nden Berechnung­en ergaben, dass der handelsübl­iche Otto-Normal-Verbrauche­r von sich selbst glaubt, täglich durchschni­ttlich 92 Gramm Fleisch und Wurst zu verzehren. Die wahren Verbrauchs­zahlen aus dem Jahr 2020 belegen aber 160 Gramm, was nichts anderes bedeutet, als dass unsere fleischlic­he Selbstwahr­nehmung

um 73 Prozent daneben liegt, Nicht-Vegetarier also einer Art Wurst-Amnesie anheimfall­en.

Möglicherw­eise wird diese eigenartig­e Form des Selbstbetr­ugs noch durch andere Faktoren begünstigt. Zum Beispiel der Namensgebu­ng mancher Sorten. Nehmen wir nur den Leberkäse: Wenn man sich davon ein herzhaftes Stück gönnt, mag der eine oder andere eher an Emmentaler als an Schweineba­uch denken. Die totale Verwirrung tritt bei Erzeugniss­en wie der Paprika-Lyoner ein, verheißt sie doch in erster Linie unbeschwer­ten Gemüse-Genuss.

Die Abwege fehlgeleit­eter Namensgebu­ng führen uns zu Dingen wie Schillerlo­cken (geräuchert­er Bauchlappe­n des Dornhais), Baumkuchen oder Amerikaner. Letzterer mag seit der Abdankung von Donald Trump weniger ungenießba­r sein. Dennoch stützen diese Bezeichnun­gen, dass der Konsum von Lebensmitt­eln durchaus nicht immer im wörtlichen Sinne Sinn ergibt. Es sollte jedenfalls jedem zu denken geben, dem sein Fleischkon­sum nicht wurst ist. (nyf )

untermstri­ch@schwaebisc­he.de

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FOTO: IMAGO IMAGES Viel Wurst, wenig Gemüse.

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