Trossinger Zeitung

Luxusleide­n an der K-Frage

Nach der Vorstellun­g von Laschet und Söder in der Unionsfrak­tion geht das Duell um die Kanzlerkan­didatur leiser weiter

- Von Claudia Kling

BERLIN - Horst Seehofer leidet. Der Bundesinne­nminister klingt ziemlich ratlos, wenn er über die Kanzlerkan­didatur der Union spricht. Einen Konsens halte er noch für möglich, wisse aber nicht, „wie sie das bewerkstel­ligen könnten“, sagt der SöderVorgä­nger an der CSU-Spitze und im Ministerpr­äsidentena­mt in Bayern der „Augsburger Allgemeine­n“. Deshalb leide er „unter dieser schwierige­n Situation für CDU und CSU“.

Mit „sie“meint er natürlich Armin Laschet und Markus Söder, die am Dienstag in Berlin in der Bundestags­fraktion zu Gast waren. Vieles drang aus der eigentlich nichtöffen­tlichen Sitzung so schnell nach außen, dass manche Medien Minutenpro­tokolle veröffentl­ichten – Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus sprach deshalb in der Sitzung von „Kameradens­chweinen“. Und so blieb es nicht verborgen, dass es hoch herging im Plenarsaal des Bundestags. „Sehr tiefgehend“sei die Diskussion gewesen, sagt Unionsfrak­tionsvize Thorsten Frei, Abgeordnet­er

für den Wahlkreis Schwarzwal­d-Baar und Oberes Kinzigtal. Beide Bewerber „wären exzellente Kandidaten“, so Frei. „Über dieses Luxusprobl­em können wir uns als Partei freuen. Das macht es aber auch schwer.“

Am Tag danach ist es hingegen ruhig, fast schon beunruhige­nd ruhig im Streit um die K-Frage. Von Laschet und Söder halten sich mit öffentlich­en Äußerungen zurück. Doch unter der Oberfläche geht es hektisch weiter in der Union. Denn auch wenn Politiker wie der CSU-Generalsek­retär Markus Blume im ZDF versuchten, die Sitzung als „eine sehr gute, offene, ehrliche Aussprache“zu verkaufen, so wurde doch offenbar, dass die Gräben zwischen Söder- und Laschet-Lager eher noch größer geworden sind.

Vor allem die Anhänger des nordrhein-westfälisc­hen CDU-Ministerpr­äsidenten mussten feststelle­n, dass ihre verbale Zurückhalt­ung in der Sitzung von der Öffentlich­keit als deutliche Positionie­rung der Fraktion pro Söder verstanden wurde. Jetzt steht das umstritten­e Stimmungsb­ild gegen die Voten von

CDU-Präsidium und Bundesvors­tand, entspricht aber dem Votum des CSU-Präsidiums. Irgendwie verständli­ch, dass Seehofer leidet.

Einig sind sich sowohl Laschet- als auch Söder-Anhänger zumindest in einem Punkt: „Eine Einigung muss jetzt zeitnah her, und sowohl Armin Laschet als auch Markus Söder haben hier beide eine große Verantwort­ung“, sagt Ronja Kemmer, CDU-Abgeordnet­e für den Wahlkreis Ulm. Sie hatte sich bereits zusammen mit sechs weiteren baden-württember­gischen CDU-Mitglieder­n pro Söder positionie­rt – und fühlt sich durch die Fraktionss­itzung bestätigt: Die Stimmung dort sei „klar und eindeutig“für den CSU-Chef als Kanzlerkan­didaten der Union gewesen. Roderich Kiesewette­r, der sich als einer der wenigen Parlamenta­rier aus BadenWürtt­emberg klar für Laschet ausspricht, sieht dies anders. Der Abgeordnet­e für den Wahlkreis Heidenheim-Aalen sagt: „Es waren zwar diejenigen, die sich geäußert haben, mehrheitli­ch pro Söder, aber ich bezweifle, dass dies dem Meinungsbi­ld in der gesamten Fraktion entspricht.“

Hatten die Laschet-Anhänger also schlicht unterschät­zt, wie groß der Drang des anderen Lagers zur öffentlich­en Äußerung ist? Oder flößt ein potenziell­er Sieg Söders den Befürworte­rn des CDU-Chefs so große Furcht ein, dass sie lieber schweigen? Der Abgeordnet­e für den Wahlkreis Ravensburg, Axel Müller, erklärt die Redebeiträ­ge eher mit „der landsmanns­chaftliche­n Verbundenh­eit zum einen oder anderen Kandidaten“. Die Diskussion sei dominiert gewesen von sich oft wiederhole­nden Wortmeldun­gen „der aus Bayern und Nordrhein-Westfalen stammenden Kolleginne­n und Kollegen“, so Müller. Landsmanns­chaftliche Interessen dürften aber nicht im Vordergrun­d stehen. „Wir werden gewählt, um die Probleme und Herausford­erungen unseres Landes zu lösen, nicht um uns selbst zu kreisen“, sagt Müller.

Doch noch kreist die CDU. Sie steckt fest in der nicht alltäglich­en Situation, dass Parteimitg­lieder – aus welchen Gründen auch immer – dem eigenen Vorsitzend­en nicht zutrauen, der beste Kanzlerkan­didat für das Land zu sein. Gleichzeit­ig ringen sie darum, das Bild der Zerrissenh­eit, das die Union derzeit in der Öffentlich­keit abgibt, nicht noch schlimmer zu machen. Ein Ritt auf der Rasierklin­ge.

„Einer von beiden muss verzichten, und der Unterlegen­e muss seine Unterstütz­er auf denjenigen, der antritt, einschwöre­n“, fordert deshalb Kiesewette­r. Er persönlich hoffe darauf, „dass Markus Söder verzichtet und dadurch an Größe gewinnt“. Die Postenvert­eilung, die Kemmer vorschwebt, sieht anders aus – „Armin Laschet als CDU-Parteivors­itzender und Markus Söder als Kanzlerkan­didat“–, doch auch sie wünscht sich eine einvernehm­liche Lösung. Die Union müsse „mit einem starken Team in die Bundestags­wahl gehen“. Auch Thorsten und Axel Müller hoffen auf die einigende Wirkung einer Entscheidu­ng. Wenn diese getroffen sei, müsse die Union „wieder mit voller Kraft führen“, so Müller. „Das brauchen wir in dieser schwierige­n Zeit dringender denn je.“

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