Luxusleiden an der K-Frage
Nach der Vorstellung von Laschet und Söder in der Unionsfraktion geht das Duell um die Kanzlerkandidatur leiser weiter
BERLIN - Horst Seehofer leidet. Der Bundesinnenminister klingt ziemlich ratlos, wenn er über die Kanzlerkandidatur der Union spricht. Einen Konsens halte er noch für möglich, wisse aber nicht, „wie sie das bewerkstelligen könnten“, sagt der SöderVorgänger an der CSU-Spitze und im Ministerpräsidentenamt in Bayern der „Augsburger Allgemeinen“. Deshalb leide er „unter dieser schwierigen Situation für CDU und CSU“.
Mit „sie“meint er natürlich Armin Laschet und Markus Söder, die am Dienstag in Berlin in der Bundestagsfraktion zu Gast waren. Vieles drang aus der eigentlich nichtöffentlichen Sitzung so schnell nach außen, dass manche Medien Minutenprotokolle veröffentlichten – Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus sprach deshalb in der Sitzung von „Kameradenschweinen“. Und so blieb es nicht verborgen, dass es hoch herging im Plenarsaal des Bundestags. „Sehr tiefgehend“sei die Diskussion gewesen, sagt Unionsfraktionsvize Thorsten Frei, Abgeordneter
für den Wahlkreis Schwarzwald-Baar und Oberes Kinzigtal. Beide Bewerber „wären exzellente Kandidaten“, so Frei. „Über dieses Luxusproblem können wir uns als Partei freuen. Das macht es aber auch schwer.“
Am Tag danach ist es hingegen ruhig, fast schon beunruhigend ruhig im Streit um die K-Frage. Von Laschet und Söder halten sich mit öffentlichen Äußerungen zurück. Doch unter der Oberfläche geht es hektisch weiter in der Union. Denn auch wenn Politiker wie der CSU-Generalsekretär Markus Blume im ZDF versuchten, die Sitzung als „eine sehr gute, offene, ehrliche Aussprache“zu verkaufen, so wurde doch offenbar, dass die Gräben zwischen Söder- und Laschet-Lager eher noch größer geworden sind.
Vor allem die Anhänger des nordrhein-westfälischen CDU-Ministerpräsidenten mussten feststellen, dass ihre verbale Zurückhaltung in der Sitzung von der Öffentlichkeit als deutliche Positionierung der Fraktion pro Söder verstanden wurde. Jetzt steht das umstrittene Stimmungsbild gegen die Voten von
CDU-Präsidium und Bundesvorstand, entspricht aber dem Votum des CSU-Präsidiums. Irgendwie verständlich, dass Seehofer leidet.
Einig sind sich sowohl Laschet- als auch Söder-Anhänger zumindest in einem Punkt: „Eine Einigung muss jetzt zeitnah her, und sowohl Armin Laschet als auch Markus Söder haben hier beide eine große Verantwortung“, sagt Ronja Kemmer, CDU-Abgeordnete für den Wahlkreis Ulm. Sie hatte sich bereits zusammen mit sechs weiteren baden-württembergischen CDU-Mitgliedern pro Söder positioniert – und fühlt sich durch die Fraktionssitzung bestätigt: Die Stimmung dort sei „klar und eindeutig“für den CSU-Chef als Kanzlerkandidaten der Union gewesen. Roderich Kiesewetter, der sich als einer der wenigen Parlamentarier aus BadenWürttemberg klar für Laschet ausspricht, sieht dies anders. Der Abgeordnete für den Wahlkreis Heidenheim-Aalen sagt: „Es waren zwar diejenigen, die sich geäußert haben, mehrheitlich pro Söder, aber ich bezweifle, dass dies dem Meinungsbild in der gesamten Fraktion entspricht.“
Hatten die Laschet-Anhänger also schlicht unterschätzt, wie groß der Drang des anderen Lagers zur öffentlichen Äußerung ist? Oder flößt ein potenzieller Sieg Söders den Befürwortern des CDU-Chefs so große Furcht ein, dass sie lieber schweigen? Der Abgeordnete für den Wahlkreis Ravensburg, Axel Müller, erklärt die Redebeiträge eher mit „der landsmannschaftlichen Verbundenheit zum einen oder anderen Kandidaten“. Die Diskussion sei dominiert gewesen von sich oft wiederholenden Wortmeldungen „der aus Bayern und Nordrhein-Westfalen stammenden Kolleginnen und Kollegen“, so Müller. Landsmannschaftliche Interessen dürften aber nicht im Vordergrund stehen. „Wir werden gewählt, um die Probleme und Herausforderungen unseres Landes zu lösen, nicht um uns selbst zu kreisen“, sagt Müller.
Doch noch kreist die CDU. Sie steckt fest in der nicht alltäglichen Situation, dass Parteimitglieder – aus welchen Gründen auch immer – dem eigenen Vorsitzenden nicht zutrauen, der beste Kanzlerkandidat für das Land zu sein. Gleichzeitig ringen sie darum, das Bild der Zerrissenheit, das die Union derzeit in der Öffentlichkeit abgibt, nicht noch schlimmer zu machen. Ein Ritt auf der Rasierklinge.
„Einer von beiden muss verzichten, und der Unterlegene muss seine Unterstützer auf denjenigen, der antritt, einschwören“, fordert deshalb Kiesewetter. Er persönlich hoffe darauf, „dass Markus Söder verzichtet und dadurch an Größe gewinnt“. Die Postenverteilung, die Kemmer vorschwebt, sieht anders aus – „Armin Laschet als CDU-Parteivorsitzender und Markus Söder als Kanzlerkandidat“–, doch auch sie wünscht sich eine einvernehmliche Lösung. Die Union müsse „mit einem starken Team in die Bundestagswahl gehen“. Auch Thorsten und Axel Müller hoffen auf die einigende Wirkung einer Entscheidung. Wenn diese getroffen sei, müsse die Union „wieder mit voller Kraft führen“, so Müller. „Das brauchen wir in dieser schwierigen Zeit dringender denn je.“