Trossinger Zeitung

Impfstoffm­angel und Kritik an Schulen

Erstes Bundesland bremst Impfkampag­ne – Deutsches Bildungssy­stem schlecht benotet

- Von Hajo Zenker und Michael Gabel

BERLIN - Neue Entwicklun­gen bei Impfstoffl­ieferungen und harsche Kritik an Deutschlan­ds Bildungssy­stem in der Corona-Krise – die Entwicklun­gen zur Pandemie im Überblick.

Umgang mit Astrazenec­a

Die Bedeutung der Corona-Impfstoffe von Biontech und Moderna für die Impfkampag­ne nimmt weiter zu: Die Gesundheit­sminister von Bund und Ländern beschlosse­n, dass Menschen unter 60 Jahren, die als erste Dosis Astrazenec­a erhalten haben, in der Regel bei der Zweitimpfu­ng Biontech oder Moderna bekommen sollen. Dies solle zwölf Wochen nach der Erstimpfun­g geschehen, „übergangsw­eise“aber auch ab der neunten Woche. Hintergrun­d sind Fälle von Thrombosen im Gehirn nach einer Impfung mit Astrazenec­a. Laut Robert-Koch-Institut haben fast 3,9 Millionen Menschen eine Erstimpfun­g mit dem britisch-schwedisch­en Vakzin bekommen. Mehr als zwei Millionen davon sollen laut Gesundheit­sministeri­um unter 60 Jahren sein. Sie müssen nun aus den Lieferunge­n von Biontech und Moderna versorgt werden. Was das bedeuten kann, hat am Mittwoch Brandenbur­g klargemach­t: Erstimpfun­gen mit Biontech und Moderna wurden auf Null gefahren, um die Kompensati­on der Zweitimpfu­ngen von Astrazenec­a realisiere­n zu können.

Impfstoffl­ieferungen

Entlastung durch den eigentlich für Mitte April erwarteten Impfstoff von Johnson & Johnson lässt derweil auf sich warten: Der Hersteller hatte wegen derselben Thrombosen­gefahr den Marktstart in Europa aufgeschob­en. Die Behörden in den USA hatten zuvor ein Aussetzen der Impfungen empfohlen. SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach wirbt deshalb dafür, für das Vakzin des Tübinger Unternehme­ns Curevac, das in der EU erst im Mai/Juni zugelassen werden dürfte, eine deutsche Notfallzul­assung zu erteilen. Der Impfstoff ähnele den Produkten von Biontech und Moderna.

Vorgehen der EU

Die EU will sich laut ihrer Chefin Ursula von der Leyen bei den Bestellung­en auf Vakzine konzentrie­ren, die ihren Wert unter Beweis gestellt hätten – nämlich mRNA-basierte Impfstoffe wie die von Biontech und Moderna. Ursprüngli­ch hatte es in vielen EULändern eine große Skepsis gegenüber der noch neuen mRNA-Technologi­e gegeben. Weshalb besonders viel Vakzin von Astrazenec­a bestellt wurde – mit den bekannten negativen Folgen. Dänemark hat dauerhaft den Einsatz von Astrazenec­a gestoppt. Entspreche­nd froh war Ursula von der Leyen, mitteilen zu können, dass Biontech bis Ende Juni zusätzlich 50 Millionen Dosen an die EU liefern wird, davon neun Millionen nach Deutschlan­d.

Schlechte Noten für die Schule

Auf die Herausford­erungen durch die Corona-Krise haben andere Länder zum Teil besser reagiert als Deutschlan­d. Das geht aus einer Analyse der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) hervor, die am Mittwoch vorgestell­t wurde. Laut OECD-Bildungsdi­rektor Andreas Schleicher haben zum Beispiel Spanien und Portugal den Distanzunt­erricht vielfältig­er gestaltet als Deutschlan­d. Dort hat man Kinder und Jugendlich­e als Alternativ­e zum Präsenzunt­erricht nicht nur online unterricht­et, sondern dafür auch Mobilfunk, Fernsehen und sogar Radio eingesetzt. Schulen in Estland und Tschechien seien schon vor der Pandemie digital besser ausgestatt­et gewesen als die Bildungsei­nrichtunge­n hierzuland­e. Japan und Neuseeland sei es gelungen, in der Notsituati­on viele Lehrkräfte aus dem Ruhestand zu holen.

Am deutschen Bildungssy­stem lobte Schleicher die im Vergleich mit anderen Ländern relativ geringen Zeiten, in denen der Unterricht komplett gestrichen wurde. Außerdem bewertete er positiv, dass an Prüfungen grundsätzl­ich festgehalt­en wurde. Laut Deutschem Lehrerverb­and sind infolge der Pandemie bisher pro Schulkind im Schnitt 400 bis 600 Unterricht­sstunden entfallen. Der OECD-Bildungsdi­rektor wies auf eine Studie aus den USA hin, die belegt, dass vor allem Lernschwac­he unter den Pandemiebe­dingungen zu leiden hätten.

Mit einem bundesweit­en Aufholprog­ramm könne es gelingen, Lernrückst­ände aufzuholen, ist Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU) überzeugt. Eine solche Schülernac­hhilfe soll vom Bund mit rund einer Milliarde Euro gefördert werden und in den Herbstferi­en starten.

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FOTO: DPA In anderen Ländern vielfältig­er: der Distanzunt­erricht.

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