Impfstoffmangel und Kritik an Schulen
Erstes Bundesland bremst Impfkampagne – Deutsches Bildungssystem schlecht benotet
BERLIN - Neue Entwicklungen bei Impfstofflieferungen und harsche Kritik an Deutschlands Bildungssystem in der Corona-Krise – die Entwicklungen zur Pandemie im Überblick.
Umgang mit Astrazeneca
Die Bedeutung der Corona-Impfstoffe von Biontech und Moderna für die Impfkampagne nimmt weiter zu: Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beschlossen, dass Menschen unter 60 Jahren, die als erste Dosis Astrazeneca erhalten haben, in der Regel bei der Zweitimpfung Biontech oder Moderna bekommen sollen. Dies solle zwölf Wochen nach der Erstimpfung geschehen, „übergangsweise“aber auch ab der neunten Woche. Hintergrund sind Fälle von Thrombosen im Gehirn nach einer Impfung mit Astrazeneca. Laut Robert-Koch-Institut haben fast 3,9 Millionen Menschen eine Erstimpfung mit dem britisch-schwedischen Vakzin bekommen. Mehr als zwei Millionen davon sollen laut Gesundheitsministerium unter 60 Jahren sein. Sie müssen nun aus den Lieferungen von Biontech und Moderna versorgt werden. Was das bedeuten kann, hat am Mittwoch Brandenburg klargemacht: Erstimpfungen mit Biontech und Moderna wurden auf Null gefahren, um die Kompensation der Zweitimpfungen von Astrazeneca realisieren zu können.
Impfstofflieferungen
Entlastung durch den eigentlich für Mitte April erwarteten Impfstoff von Johnson & Johnson lässt derweil auf sich warten: Der Hersteller hatte wegen derselben Thrombosengefahr den Marktstart in Europa aufgeschoben. Die Behörden in den USA hatten zuvor ein Aussetzen der Impfungen empfohlen. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wirbt deshalb dafür, für das Vakzin des Tübinger Unternehmens Curevac, das in der EU erst im Mai/Juni zugelassen werden dürfte, eine deutsche Notfallzulassung zu erteilen. Der Impfstoff ähnele den Produkten von Biontech und Moderna.
Vorgehen der EU
Die EU will sich laut ihrer Chefin Ursula von der Leyen bei den Bestellungen auf Vakzine konzentrieren, die ihren Wert unter Beweis gestellt hätten – nämlich mRNA-basierte Impfstoffe wie die von Biontech und Moderna. Ursprünglich hatte es in vielen EULändern eine große Skepsis gegenüber der noch neuen mRNA-Technologie gegeben. Weshalb besonders viel Vakzin von Astrazeneca bestellt wurde – mit den bekannten negativen Folgen. Dänemark hat dauerhaft den Einsatz von Astrazeneca gestoppt. Entsprechend froh war Ursula von der Leyen, mitteilen zu können, dass Biontech bis Ende Juni zusätzlich 50 Millionen Dosen an die EU liefern wird, davon neun Millionen nach Deutschland.
Schlechte Noten für die Schule
Auf die Herausforderungen durch die Corona-Krise haben andere Länder zum Teil besser reagiert als Deutschland. Das geht aus einer Analyse der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, die am Mittwoch vorgestellt wurde. Laut OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher haben zum Beispiel Spanien und Portugal den Distanzunterricht vielfältiger gestaltet als Deutschland. Dort hat man Kinder und Jugendliche als Alternative zum Präsenzunterricht nicht nur online unterrichtet, sondern dafür auch Mobilfunk, Fernsehen und sogar Radio eingesetzt. Schulen in Estland und Tschechien seien schon vor der Pandemie digital besser ausgestattet gewesen als die Bildungseinrichtungen hierzulande. Japan und Neuseeland sei es gelungen, in der Notsituation viele Lehrkräfte aus dem Ruhestand zu holen.
Am deutschen Bildungssystem lobte Schleicher die im Vergleich mit anderen Ländern relativ geringen Zeiten, in denen der Unterricht komplett gestrichen wurde. Außerdem bewertete er positiv, dass an Prüfungen grundsätzlich festgehalten wurde. Laut Deutschem Lehrerverband sind infolge der Pandemie bisher pro Schulkind im Schnitt 400 bis 600 Unterrichtsstunden entfallen. Der OECD-Bildungsdirektor wies auf eine Studie aus den USA hin, die belegt, dass vor allem Lernschwache unter den Pandemiebedingungen zu leiden hätten.
Mit einem bundesweiten Aufholprogramm könne es gelingen, Lernrückstände aufzuholen, ist Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) überzeugt. Eine solche Schülernachhilfe soll vom Bund mit rund einer Milliarde Euro gefördert werden und in den Herbstferien starten.