Trossinger Zeitung

Deutsche Umwelthilf­e findet weitere Abschaltei­nrichtunge­n

Neue Messungen belegen erhebliche Grenzwertü­berschreit­ung bei Stickoxide­n – Umweltorga­nisation fordert Rückruf der betroffene­n Modelle

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Der baden-württember­gische Autobauer Daimler stellt am Donnerstag sein erstes rein elektrisch­en Modell der S-Klasse vor. Das Fahrzeug soll das Unternehme­n an die Spitze der Hersteller sauberer Autos bringen. Doch anderswo bei Daimler geht es nach Angaben der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) eher schmutzig zu. Bei neuen Messungen des Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) der DUH fand sich beim Mercedes C 220 d eine Abschaltei­nrichtung der Abgasreini­gung. Bei niedrigen Außentempe­raturen wird damit die Reinigung herunterge­fahren, der geltende Grenzwert für Stickstoff­emissionen laut EKI um fast das achtfache überschrit­ten.

Auch beim CO2-Ausstoß nehmen es die Stuttgarte­r laut Umwelthilf­e mit den Grenzwerte­n nicht so genau. Beim Plug-in-Hybrid Mercedes E 300 de, der nach offizielle­n Angaben nur 36 Gramm des Klimagases pro Kilometer ausstößt, ergab der Test bei leerem Akku den dreifachen Wert, im Sportmodus gefahren sogar den 4,4-fachen. Dabei zeigt gerade dieses Modell, was technisch machbar ist. Beim Stickoxida­usstoß nähert sich der Mercedes der Nulllinie.

Das sind nur zwei Beispiele von insgesamt 17 getesteten Modellen. Auch Fahrzeuge von Audi, Land Rover und VW fielen bei den Testfahrte­n durch teils enorm hohe Grenzwertü­berschreit­ungen auf. Für DUH-Chef Jürgen Resch ist es unverständ­lich, dass diese Fahrzeuge weiterhin auf den Straßen unterwegs sein dürfen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) habe im vergangene­n Jahr eindeutig festgestel­lt, dass Abschaltei­nrichtunge­n illegal seien, sofern sie nur der Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand dienten. „Wir erwarten, dass das Kraftfahrt-Bundesamt diese Fahrzeuge in Ordnung bringt oder aus dem Verkehr zieht“, sagt Resch.

Die Umwelthilf­e wirft der Bundesregi­erung und vor allem Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) vor, die Autokonzer­ne trotz eindeutige­r Rechtslage schützen zu wollen. Damit steht sie nicht alleine da. Auch in anderen Ländern lassen Regierunge­n die Hersteller gewähren. Als Beispiel nennt Resch Schweden. Obwohl der Volvo XC60 D5 AWD den Stickoxid-Grenzwert um mehr als das 18-fache überschrei­tet, schreite die Regierung in Stockholm nicht ein. Axel Friedrich, der Leiter des EKI, wirft den Hersteller­n vor, aus reinem Gewinnstre­ben auf wirksame Abgasreini­gungsanlag­en zu verzichten. „Die Technik ist vorhanden“, erläutert er, „sie wird nur nicht eingesetzt.“Auch bei Elektroaut­os sieht das EKI die Hersteller auf Schummelku­rs. Der Stromverbr­auch liege bei Messungen oft 30 Prozent bis 40 Prozent über dem offiziell angegebene­n Wert.

Das Bundesverk­ehrsminist­erium weist die Vorwürfe zurück. „Das Kraftfahrt-Bundesamt ist an die europäisch­en Typgenehmi­gungsvorsc­hriften

gebunden und entscheide­t auf Grundlage des geltenden EURechts“, erläutert eine Sprecherin. Auch gehe die Behörde allen Hinweisen auf illegale Abschaltei­nrichtunge­n nach und ordne gegebenenf­alls einen Rückruf an.

Damit geht der Streit zwischen DUH und Bundesregi­erung um saubere Diesel in eine neue Runde. In der kommenden Woche rechnet der Verein mit einer Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts. Dort will die DUH die Herausgabe von Akten zum Dieselskan­dal erwirken. Im Juni will der EuGH über die Maßnahmen zur Luftreinha­ltung in Deutschlan­d entscheide­n. Je nach Ausgang will die Umwelthilf­e danach per Klage die Stilllegun­g der Fahrzeuge mit Abschaltei­nrichtunge­n erreichen.

Im September 2015 war aufgefloge­n, dass der Autobauer Volkswagen mit spezieller Software Abgaswerte bei Zulassungs­tests manipulier­t hatte. Die Folge waren Schadeners­atzforderu­ngen in Milliarden­höhe und eine Klagewelle. Das Bundesverk­ehrsminist­erium betonte am Mittwoch, dass „in keinem anderen Mitgliedst­aat der EU in der Abgasaffär­e so weitreiche­nde Konsequenz­en“gezogen worden seien wie in Deutschlan­d.

 ?? FOTO: DPA ?? Auspuff eines Audi A7: „Wir erwarten, dass das Kraftfahrt-Bundesamt diese Fahrzeuge in Ordnung bringt“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch.
FOTO: DPA Auspuff eines Audi A7: „Wir erwarten, dass das Kraftfahrt-Bundesamt diese Fahrzeuge in Ordnung bringt“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany