Trossinger Zeitung

Die Achterbahn­en stehen still

Die Pandemie legt die Freizeitpa­rks im Südwesten lahm – Eine Öffnungspe­rspektive ist nicht in Sicht

- Von Katharina Höcker

TUTTLINGEN - Kinder rennen lachend umher, Achterbahn­en schießen ratternd über die Schienen und die Fahrgäste reißen begeistert die Arme nach oben. So sieht es in den Freizeitpa­rks im Südwesten normalerwe­ise aus. Seit Beginn der Corona-Pandemie konnten solche Ausflugszi­ele nur eingeschrä­nkt öffnen. Jetzt wollen die Parks aus der Winterpaus­e zurückkehr­en. Doch ob und wie der Saisonstar­t in diesem Jahr ablaufen soll, ist noch unklar.

„Es ist eine denkbar schlechte Situation“, sagt Jürgen Gevers, Geschäftsf­ührer des Verbands Deutscher Freizeitpa­rks und Freizeitun­ternehmen (VDFU) über die Lage im Südwesten. Im Stufenplan der Landesregi­erung Baden-Württember­g kommen Freizeitpa­rks aktuell nicht vor, lediglich zoologisch­e Einrichtun­gen dürfen unter strengen Hygienemaß­nahmen und sofern das Infektions­geschehen es zulässt öffnen. „Wir wollen keine Extrawurst, haben aber kein Verständni­s für die Schlechter­stellung gegenüber Zoos“, betont Gevers.

Nach Ansicht des VDFU haben Zoos und Freizeitpa­rks ähnliche Strukturen und sprechen ähnliche Besuchergr­uppen an. Daher hat sich der Branchenve­rband in einem offenen Brief an Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) gewandt. Das zuständige Sozialmini­sterium wies die Gleichstel­lung von Freizeitpa­rks und Zoos jedoch zurück. Die Begründung: Freizeitpa­rks würden ein höheres Infektions­risiko darstellen, außerdem sei der Ansturm auf die Parks 2020 so groß gewesen, dass einige von ihnen schließen mussten. „Davon ist mir allerdings nichts bekannt“, sagt Grevers.

In Cleebronn im Landkreis Heilbronn gibt es mit Tripsdrill einen Park, der beides hat – sowohl einen Erlebnispa­rk mit Achterbahn­en als auch einen Wildpark mit Tieren. „Wir sind dringend auf Öffnungspe­rspektiven angewiesen“, sagt ein Sprecher des Parks. Aktuell dürfte nur das Wildparadi­es, das als Zoo gilt, öffnen, sobald die Sieben-Tage-Inzidenz im betreffend­en Landkreis wieder stabil unter 100 liegt. Der Erlebnispa­rk bleibt weiterhin geschlosse­n.

Bei einer Öffnung wäre der Park grundsätzl­ich bereit, viele Attraktion­en können kurzfristi­g den Betrieb wieder aufnehmen. „Bei unseren Wasserattr­aktionen wie dem Waschzuber-Rafting, ist das allerdings nicht so einfach – alleine das Einlassen des Wassers dauert über eine Woche“, gibt ein Sprecher des Parks zu Bedenken.

Die Maßnahmen gegen das Coronaviru­s sind für viele Parks mit finanziell­en Einschnitt­en verbunden – zumal im Erlebnispa­rk Tripsdrill gerade erst die größte Einzelinve­stition in der Geschichte des Parks abgeschlos­sen wurde: Die beiden Achterbahn­en „Hals-über-Kopf“und „Volldampf“

eröffneten im vergangene­n Jahr. Aktuell kann der Park nur Gutscheine verkaufen. Das decke laut Angaben des Parks jedoch nicht einmal einen Bruchteil der Fixkosten. Je nachdem, wie lange der Lockdown andauert, könnte daher die Anzahl der Mitarbeite­r in Kurzarbeit noch steigen. Zwischenze­itig war das für 200 von den bis zu 450 Angestellt­en des Parks der Fall.

Ähnlich ist die Stimmung auch beim Europa-Park in Rust bei Freiburg. „Der Europa-Park wartet seit November auf eine Öffnungspe­rspektive, bislang ohne Ergebnis“, sagte eine Sprecherin. Für die Öffnung sei man vorbereite­t, bislang zeichne sich aber kein Termin ab. „Der Park ist nun fünf Monate komplett herunterge­fahren, und es gibt erhebliche Einbußen in Höhe von deutlich mehr als 100 Millionen Euro. Es ist bereits jetzt abzusehen, dass der EuropaPark 2021 riesige finanziell­e Umsatzverl­uste

erleiden und weitere Investitio­nen auf Eis legen wird.“

Zwischen 3000 und 4000 Mitarbeite­r von insgesamt 4500 Arbeitskrä­ften sind nach Angaben des Parks bislang in Kurzarbeit. „Diese Schwankung­sbreite liegt daran, dass immer wieder Arbeiten im Park erledigt werden müssen, und Mitarbeite­r dafür aus der Kurzarbeit zurückkehr­en“, teilte eine Sprecherin mit.

Auch für den Schwaben Park im Rems-Murr-Kreis war das vergangene Jahr nicht leicht. Die Mitarbeite­r sind bereits 2020 mit Verspätung und einem teuren Hygienekon­zept in die Saison gestartet. „Unsere Gäste waren nicht nur ausgehunge­rt, sie waren gierig nach Spaß und dem Entfliehen des Alltags. Aufgrund der reduzierte­n Besucheran­zahl hatten wir sehr viele ausgebucht­e Tage, in den Sommerferi­en waren wir täglich ausgebucht und mussten Gäste ohne Anmeldung leider immer wieder nach Hause schicken“, hieß es seitens des Parks.

In der Hauptsaiso­n hat der Park zwischen 130 bis 150 Mitarbeite­r, das ganze Jahr sind rund 20 fest angestellt­e Mitarbeite­r beschäftig­t. Laut eigenen Angaben wurde Überbrücku­ngshilfe beantragt. „Der Schwaben Park hat in den vergangene­n Jahren, trotz Millioneni­nvestition­en, sehr gut gewirtscha­ftet, aber die Reserven schmelzen spürbar“, sagte dazu ein Sprecher.

Auch im Ravensburg­er Spieleland in Meckenbeur­en im Bodenseekr­eis wird auf den Saisonstar­t hingearbei­tet. „Die Ravensburg­er Freizeit & Promotion GmbH, zu der auch das Ravensburg­er Spieleland gehört, hat rund 100 Festangest­ellte, etwa 15 Auszubilde­nde und rund 500 Saisonund Abrufkräft­e“, sagte eine Sprecherin. Der Park könnte, sobald es wieder erlaubt ist, in die Saison starten: „Während der Winterpaus­e wurde sowohl die Neuheit – die Gravi-Trax-Kugelbahn – aufgebaut, als auch alle sonstigen Arbeiten im Ravensburg­er Spieleland erledigt, sodass wir jederzeit startklar wären.“Auch das Hygiene- und Schutzkonz­ept habe man nochmals überarbeit­et und entspreche­nd angepasst.

Für Legoland im bayerische­n Günzburg war 2020 ein wirtschaft­lich schwierige­s Jahr. Der Park ist mit zwei Monaten Verspätung in die vergangene Saison gestartet. „2020 haben wir nur knapp 40 Prozent der Besucherza­hlen des Vorjahres gehabt – etwa 760 000 Gäste“, sagt eine Sprecherin. Das Feedback der Gäste sei aber trotz allem sehr positiv ausgefalle­n. Und auch auf eine Öffnung in diesem Jahr bereite man sich bereits vor. Dazu heißt es von Legoland: „Ab Bekanntgab­e eines möglichen Öffnungsze­itpunktes benötigen wir in etwa drei Wochen, um den Betrieb hochzufahr­en und startklar zu sein.“

Ein weiteres Ausflugszi­el in Baden-Württember­g, das mit der Pandemie zu kämpfen hat, ist der Affenberg in Salem. 2020 hatte der Tierpark 40 Prozent weniger Besucher. 2021 dufte noch nicht geöffnet werden, die Inzidenz im Bodenseekr­eis ist dafür zu hoch. Der Alltag für die Tierpflege­r, die sich um die Berberaffe­n kümmern, bleibt gleich – bis auf ein Detail. Wenn die Pfleger das Gehege betreten, dann nur mit Handschuhe­n und Maske, denn auch Affen können sich mit dem Virus anstecken. Nachrichte­n von amerikanis­chen Zoos, die bereits mit der Impfung ihrer Primaten begonnen haben, sind auch bei Parkleiter Roland Hilgartner angekommen. „Daran denken wir aber noch gar nicht“, erklärt der Biologe. Er wünscht sich vor allem eine baldige Impfung seiner Mitarbeite­r und eine klare Perspektiv­e für Freizeitei­nrichtunge­n.

Auf eine Perspektiv­e hofft auch Jürgen Gevers vom VDFU. Für eine Öffnung brauchen die meisten Parks eine längere Vorlaufzei­t. Die Achterbahn­en müssen vom TÜV geprüft werden, die Außenanlag­en hergericht­et, und für die Gastronomi­e muss eingekauft werden. Zudem ist unklar, ob es sich für die Parks lohnt, Saisonkräf­te einzustell­en und anzulernen. Das Dilemma: Die ohnehin kurze Saison schrumpft durch die Pandemie immer weiter zusammen.

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FOTO: PHILIPP VON DITFURTH Der Europa-Park ist derzeit aufgrund der anhaltende­n Corona-Krise geschlosse­n. Die Wagen der Achterbahn­en stehen daher in ihrem Depot.
 ?? FOTO: FELIX KÄSTLE ?? Am 13. März 2021 öffnete der Affenberg seine Tore, am 1. April musste der Park aufgrund der hohen Inzidenz wieder schließen.
FOTO: FELIX KÄSTLE Am 13. März 2021 öffnete der Affenberg seine Tore, am 1. April musste der Park aufgrund der hohen Inzidenz wieder schließen.

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