Trossinger Zeitung

So wenige Azubis wie seit Jahrzehnte­n nicht

Statistike­r sprechen von „einzigarti­gem Einbruch“bei den Ausbildung­sverträgen – Düsteres Bild auch in Baden-Württember­g und Bayern

- Von Helena Golz

RAVENSBURG - Die Corona-Krise hat deutlich sichtbare Spuren auf dem Ausbildung­smarkt hinterlass­en. Nach vorläufige­n Ergebnisse­n des Statistisc­hen Bundesamte­s haben nur noch 465 200 Personen in Deutschlan­d im vergangene­n Jahr einen Ausbildung­svertrag abgeschlos­sen. Das sind 9,4 Prozent weniger als noch 2019. „Der aktuelle Einbruch ist in seiner Höhe bislang einzigarti­g“, sagen die Statistike­r. So wenige Menschen wie noch nie seit der Wiedervere­inigung in Deutschlan­d haben eine Ausbildung begonnen.

Auch in Baden-Württember­g und Bayern ging die Zahl der Ausbildung­sverträge stark zurück. Nach den vorläufige­n Ergebnisse­n des Statistisc­hen Landesamte­s BadenWürtt­emberg wurden im vergangene­n Jahr 66 700 Ausbildung­sverträge im Südwesten abgeschlos­sen. Dies bedeutet einen Rückgang um gut 6200 Verträge beziehungs­weise ein Minus von 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zum Stichtag 31. Dezember 2020 belief sich die Zahl der Azubis auf 185 100 Auszubilde­nde im Südwesten – ein Minus von 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Bayern lag die Zahl der neu abgeschlos­senen Ausbilduns­gverträge bei 83 400, was ein Minus von 8,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

„Diese traurige Bilanz sehen wir eindeutig in der Pandemie begründet, nachdem wir in den Jahren zuvor kein Minus bei den eingetrage­nen Ausbildung­sverhältni­ssen in Baden-Württember­g mehr hatten“, sagte Marjoke Breuning, Vizepräsid­entin des Baden-Württember­gischen Industrie- und Handelskam­mertags

(BWIHK) der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Folgen der Corona-Krise würden die Betriebe belasten und viele in ihrer Existenz gefährden. „Das hat Konsequenz­en für die Ausbildung, denn wer wirtschaft­lich am Rande des Ruins steht, kann nicht mehr in dem Umfang wie vorher oder gar nicht mehr ausbilden“, sagte Breuning.

Durch die Pandemie sei es außerdem schwerer gewesen an mögliche Bewerber heranzukom­men, sagte Andrea Bosch, Geschäftsf­ührerin Beruf und Qualifikat­ion bei der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) Stuttgart im Februar im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Vor allem fehlende Berufsorie­ntierung in Form von Praktika, Messen oder persönlich­en Beratungsg­esprächen habe sich ausgewirkt, sagte Bosch. Hinzu kommt: Viele Jugendlich­e fragen sich, ob eine Ausbildung unter den derzeitige­n Bedingunge­n überhaupt Sinn macht.

Die jetzt nicht ausgebilde­ten Fachkräfte „werden uns nach der Krise fehlen“, mahnte Breuning. Damit die Betriebe wieder mehr ausbilden können, müsse die Wirtschaft mit allen Branchen wieder durchstart­en können und eine Planungspe­rspektive erhalten. „Der Impfprozes­s muss weiter beschleuni­gt werden. Wir erwarten von der Politik, dass jetzt endlich die Betriebsär­zte loslegen dürfen und erwarten hierfür vom baden-württember­gischen Impfgipfel am Freitag einen konkreten Fahrplan“, sagte Breuning.

Bayern und Baden-Württember­g sind dabei aber nicht mal die Bundesländ­er mit dem stärksten Einbruch der neuen Ausbildung­sverträge. Zwar sind in allen Bundesländ­ern insgesamt rückläufig­e Zahlen zu beobachten, die prozentual­e Höhe des

Rückgangs unterschei­det sich zum Teil aber erheblich. Während in Hamburg (-13,5 Prozent) und im Saarland (-12,4 Prozent) die Zahlen am stärksten abnahmen, fiel der prozentual­e Rückgang in Brandenbur­g (-2,8 Prozent) und Sachsen (-4,8 Prozent) am geringsten aus.

Am stärksten betroffen vom Rückgang war in Baden-Württember­g der Bereich Industrie und Handel (-12,4 Prozent). Danach folgen die freien Berufe, wozu beispielsw­eise medizinisc­he Fachangest­ellte oder Rechtsanwa­ltsfachang­estellte gehören, mit einem Minus von 4,2 Prozent.

Doch es gibt auch positive Trends bei den neusten Azubizahle­n. Die Landwirtsc­haft konnte einen Zuwachs an neuen Lehrlingen verzeichne­n – besonders bei den weiblichen Auszubilde­nden gab es hier mit 22 Prozent ein starkes Plus.

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