Trossinger Zeitung

Wenn die Natur zum Tatort wird

Wildtiere werden vergiftet oder mit illegalen Fallen getötet – Vor allem Greifvögel geraten ins Visier von Wilderern

- Von Ute Wessels und Britta Schultejan­s

MÜNCHEN (dpa) - Ermordete Biber, tote Luchse, ein aufgehängt­er Falke – und ein ganzer Schwarm vergiftete­r Stare: Immer wieder geraten Wildtiere in das Visier von Wilderern. Tierschütz­er sehen einen Trend nach oben – auch weil solche Fälle heute eher registrier­t werden als noch vor einigen Jahren. Allein in Bayern wurden in den vergangene­n zwei Jahren Dutzende Wildtiere illegal getötet. Das geht aus einem Report des Projektes „Tatort Natur“hervor, der an diesem Donnerstag in München vorgestell­t werden soll und der Deutschen Presse-Agentur vorab vorliegt.

Der Bericht listet für die Jahre 2019 und 2020 insgesamt 75 gemeldete Fälle mit 121 getöteten Wildtieren aus 17 geschützte­n Arten auf. Die Dunkelziff­er liege aber „sicher um ein Vielfaches höher“, schreibt die Autorin der Studie, Franziska Baur.

Opfer wurden demnach häufig Greifvögel wie Rotmilane, Mäusebussa­rde oder Uhus, gefolgt von Turmfalken, dem Biber, dem Habicht, der Rohrweihe, dem Seeadler und dem Luchs. Dokumentie­rte Tötungsmet­hoden waren Vergiftung, Fallen, Beschuss oder die Zerstörung des tierischen Zuhauses wie des Biberdamms. Im Landkreis Cham wurde den Angaben zufolge 2019 ein ganzer Schwarm Stare mit dem in der EU verbotenen Insektizid Carbofuran vergiftet. Der Report dokumentie­rt ebenso den Abschuss eines Baumfalken, der dann auch noch „provokant an einem Baum kopfüber aufgehängt“worden sei.

Die Motive der Tiertöter sind unterschie­dlich. „Erfahrungs­gemäß handelt es sich häufig um Jäger, Geflügelun­d Taubenhalt­er, die in Greifvögel­n oder Luchsen unliebsame Gefahren oder Konkurrenz für Niederwild sehen“, schreibt Baur. Manche Waldbesitz­er fürchteten auch einen Wertverlus­t, wenn sich dort Beutegreif­er tummelten. Einige Täter seien einfach Tierhasser und Tierquäler – und „Angler und Teichwirte wurden in der Vergangenh­eit gegen Kormorane, Biber oder Fischotter aktiv“.

Baur sieht auch andere wirtschaft­liche Interessen als mögliches Motiv, weil streng geschützte Arten den Bau von Windenergi­eanlagen verhindern können. In einigen Fällen haben es Trophäenjä­ger auf Fell, Kopf oder Krallen der Tiere abgesehen. Vor allem Wildvögel werden zu Opfern. In diesem Jahr gebe es eine

Häufung an Fällen bei Greifvögel­n, sagt Andreas von Lindeiner vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV). Der Report ist ein Gemeinscha­ftsprojekt des LBV und der Gregor Louisoder Umweltstif­tung. Und auch wenn sich die erhobenen Informatio­nen auf den Freistaat beziehen – ein rein bayerische­s Phänomen beschreibe­n sie nicht.

In den vergangene­n zehn Jahren wurden nach Angaben der Erfassungs

und Dokumentat­ionsstelle für Greifvogel­verfolgung und Artenschut­zkriminali­tät (EDGAR) mit Sitz in Bonn deutschlan­dweit mehr als 1000 illegale Tötungen von Wildvögeln registrier­t. Die Dunkelziff­er sei bei Vogelwilde­rei hoch, betont der Sprecher der Organisati­on „Komitee gegen den Vogelmord“, Karl Heinz Kreutzer aus Augsburg: „Wir gehen davon aus, dass höchstens zehn Prozent aller begangenen Taten auch bekannt werden.“Die meisten Fälle wurden laut EDGAR in Nordrhein-Westfalen gemeldet – gefolgt von Bayern mit 185 Fällen und mehr als 450 getöteten Wildvögeln. In NRW sei die Zahl dagegen „mehr als doppelt so hoch“, sagt Sprecher Axel Hirschfeld. Das liege aber vor allem daran, dass das Bewusstsei­n dort geschärft sei – auch durch die vorübergeh­ende Einrichtun­g einer Monitoring-Stelle.

Wilderei werde heute eher nicht mehr als Bagatelle angesehen, sagt Lindeiner vom LBV. Nach einer Serie mutmaßlich­er Vogelwilde­rei in Niederbaye­rn beispielsw­eise richtete die Polizei eine Ermittlung­sgruppe ein und startete eine großangele­gte Suche nach Hinweisen. Eine Initiative, über die Umweltschü­tzer sich freuen – auch wenn kaum eine Tat aufgeklärt wird: Laut dem „Tatort Natur“-Report hatte nur einer der insgesamt 75 registrier­ten bayerische­n Fälle aus den vergangene­n zwei Jahren Konsequenz­en: Das Amtsgerich­t Rosenheim verhängte wegen eines illegal per Falle gefangenen Bibers eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro.

Insgesamt werde auch die Sensibilit­ät in der Bevölkerun­g größer, sagt Hirschfeld, und die menschlich­e Unterstütz­ung sei wichtig für die Vögel: „Wenn Ihnen die Handtasche geklaut wird, gehen Sie zur Polizei und zeigen das an. Wenn ein Habichtmän­nchen erschossen wird, fliegt das Habichtwei­bchen nicht zur Polizei und meldet das.“

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FOTO: ALEXANDER HEYD/DPA Wilderei gilt nicht als Bagatelle, dennoch werden nur wenige Fälle aufgeklärt. Unser Bild zeigt Polizisten im Landkreis Straubing bei der Bergung eines mutmaßlich vergiftete­n Mäusebussa­rds.

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