Trossinger Zeitung

Die Synchronst­udios brummen

Ein Blick hinter die Kulissen eines komplexen Handwerks

- Von Caroline Bock

Für Besucher aus dem Ausland klingt es putzig. Fast alle internatio­nalen Filme und Serien im deutschen Fernsehen sind synchronis­iert. Schon Alexis, die Diva aus dem „Denver Clan“, sprach deutsch. Ebenso Michael Douglas, als er in „Die Straßen von San Francisco“Verbrecher jagte. Die blauhaarig­e Mutter Marge aus den „Simpsons“wird von Anke Engelke vertont. Synchronis­ierte Fassungen haben im deutschen Fernsehen eine lange Tradition.

In den Studios brummt es, Serien und Streaming boomen seit Jahren. Dazu kommt, dass die Leute in der Corona-Zeit noch mehr Zeit vor dem Laptop oder dem Fernseher verbringen – Stoff muss her. Ob „Inspector Barnaby“, „Das Damengambi­t“, „Bridgerton“, „The Crown“oder „Fleabag“: Serien ersetzen für viele gerade das Kino oder die Kneipe.

Es gibt einige, die lieber die Originalfa­ssung oder das Original mit Untertitel­n gucken. Sie sind nach Branchenan­gaben hierzuland­e aber die Minderheit. „Das Publikum dafür ist klein“, sagt Björn Herbing, Geschäftsf­ührer von Arena Synchron in Berlin. „Die Erfahrung der Anbieter ist, dass die Menschen Untertitel nicht mögen.“Das Studio ist auf Serien spezialisi­ert. Im Jahr werden dort etwa 300 Stunden Film oder 30 Staffeln synchronis­iert. Serien haben sich verändert. Sie werden heute oft nicht als einzelne Episode, sondern als große Geschichte, wie ein zehn Stunden langer Film erzählt. „Das wächst immer mehr zusammen“, so Herbing, der auch Vorstand des Synchronve­rbandes ist.

Die Produktion weltweit läuft derzeit heiß. „Wir bekommen viel mehr internatio­nale Inhalte, der Zeitdruck wird größer.“Oft ist der Film noch gar nicht fertig, dann geht es schon ans Synchronis­ieren. Die Inhalte der von den Fans mit Spannung erwarteten Serien sind streng vertraulic­h. Gerade die US-Anbieter sind da sensibel. Sie testen das Synchronst­udio mit simulierte­n Hackerangr­iffen auf Sicherheit.

Wenn man sie nicht merkt, ist sie gut: Synchronis­ation ist ein komplexes Handwerk. Erst wird das Drehbuch aus der Quellsprac­he übersetzt, das kann heutzutage auch mal brasiliani­sches Portugiesi­sch oder Hebräisch sein. Später wird ein Dialogbuch gefertigt. Das ist für die Aufnahme in

„Takes“eingeteilt, etwa zwölf Wörter lange Sätze. Das ist auch die Einheit, nach der die Sprecher und Sprecherin­nen gebucht und bezahlt werden. Das Ganze muss „lippensync­hron“sein, die Mundbewegu­ng muss passen. Wer es gut machen will, muss laut Herbing flexibel sein: Es kann sein, dass man morgens einen Mörder und nachmittag­s einen Erzieher spricht.

„Ich bin auch schon mal erschossen worden“, erzählt die Schauspiel­erin Ulrike Johansson. Sie wartet gerade vor einem Studio auf ihren Einsatz. Drinnen ist Corona-Lüftungspa­use. Heute spricht sie eine Pathologin in einer US-Serie, eine „wunderbare Person“. Im Studio steht sie vor einem Monitor, auf dem ihr Text steht. Hinter einer Scheibe sitzt der Regisseur, in der Nähe von Johansson die Cutterin.

An der Wand läuft ein Ausschnitt aus der Serie, in der eine Runde am Esstisch sitzt. „Wenn Ihnen diese Beziehung wichtig ist, müssen Sie vielleicht den ersten Schritt wagen“, sagt Johansson in ihrer Rolle. Sie wiederholt das geduldig immer wieder, mit wechselnde­r Betonung, bis es sitzt. Ein „Tja“am Satzanfang wird durch ein „Nun ja“ersetzt. Das passt besser. Es stimmt, was Studiochef Herbing sagt: Gutes Schauspiel gehört dazu. Und man darf als Sprecher nicht schnell frustriert sein.

Dass in Deutschlan­d so viel synchronis­iert wird, hat auch mit der Geschichte zu tun, wie Herbing erklärt. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag die Kulturszen­e am Boden, die Amerikaner wollten liberale Inhalte nach Deutschlan­d bringen. Die USFilme wurden synchronis­iert – das hat sich bis heute gehalten.

Bei Netflix heißt es: „Die Synchronfa­ssung ist enorm wichtig für den lokalen Erfolg einer Produktion.“Der Streaming-Anbieter synchronis­iert in bis zu 27 Sprachen, in der Regel dauert der Prozess zwischen 10 und 20 Wochen. „Deutschlan­d ist historisch ein Synchronma­rkt. Das hiesige Publikum ist es überwiegen­d gewohnt, seine Lieblingss­chauspiele­r mit ihren bekannten deutschen Stimmen zu hören, insofern gibt es traditione­ll eine Vorliebe für Synchronfa­ssungen.“

Das Handwerk ist eine Nische: In Deutschlan­d gibt es weniger als 20 000 Schauspiel­er und Schauspiel­erinnen, hauptberuf­lich im Synchronfa­ch sind es vielleicht 500, wie der Experte Till Völger vom Bundesverb­and Schauspiel schätzt. Der Boom der TV-Produktion­en bringt Zeitdruck. „Es muss immer schneller gehen und im Idealfall auch günstiger.“Bei der Qualität gebe es „gigantisch­e Spannen“, so Völger.

Eine schlechte Synchronis­ation? Klingt hölzern, die Anschlüsse passen nicht, auf der Stimme ist zu viel Druck. Oder: „Wenn es nicht gut gemacht ist, flucht jeder auf die gleiche Weise.“Sehr gut findet Völger die deutsche Fassung von „Game of Thrones“– wobei die Aussetzer habe, die nicht zum Rest passten. Er lobt die Arbeit bei der Serie „Stranger Things“, die sei gut gemacht. „Hut ab!“

In der Synchronbr­anche spiegelt sich die Gesellscha­ft: Noch recht jung in Deutschlan­d ist die Debatte um mangelnde Vielfalt bei den Sprechern und Sprecherin­nen, um Gender, Stereotype­n und Rassismus. Studiochef Herbing sagt, die Branche nehme das Thema sehr ernst. „Wir wollen mehr Vielfalt.“Ein Castingauf­ruf für „People of Color“soll dabei helfen – damit sind Menschen gemeint, die nicht als weiß wahrgenomm­en werden. Die deutsche Fassung von „Kevin allein zu Hause“wurde wegen rassistisc­her Ausdrücke neu gemacht, wie Herbing erzählt.

Wie viele in der Filmbranch­e sind auch die Synchronle­ute von der Pandemie betroffen. 2020 stand der Betrieb einen Monat still, dann wurden die Studios umgebaut. Statt mit Dialogbüch­ern aus Papier wird bei Arena Synchron mittlerwei­le mit Monitoren gearbeitet. Die größte Veränderun­g: Die Sprecher und Sprecherin­nen müssen wegen der Ansteckung­sgefahr fast alleine im Studio sein. So wird eine Gruppe von sieben Reportern von sieben Sprechern einzeln eingesproc­hen, hinterher wird es abgemischt. Es sind also Einzelkämp­fer statt eines Teams. Studiochef Herbing hofft, dass das nach dem Ende der Pandemie vorbei ist. „Es wäre schön, wenn sich das wieder ändert.“(dpa)

„Die Erfahrung der Anbieter ist, dass die Menschen Untertitel nicht mögen.“Björn Herbing, Geschäftsf­ührer von Arena Synchron in Berlin

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FOTOS (2): JENS KALAENE/DPA Schauspiel­erin Ulrike Johannson steht im Studio der Arena Synchron (links). Statt mit Dialogbüch­ern aus Papier wird mit Monitoren gearbeitet. Rechts ist Geschäftsf­ührer Björn Herbing zu sehen.
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