„Corona-Krise darf keine Integrationskrise werden“
Landkreis startet WLAN-Pilotprojekt in Sammelunterkunft Grubäcker - Impfberechtigungen kommen
TROSSINGEN - Trotz Pandemie leben sie in Sammelunterkünften, eherenamtliche Helfer dürfen dort derzeit keine Besuche machen und Sprachkurse sowie Schulunterricht finden großteils online statt: Die Corona-Pandemie wird für viele Flüchtlinge zur Integrationshürde. In Trossingen startet der Landkreis in den kommenden Wochen nun ein Pilotprojekt, infolgedessen die Sammelunterkunft mit WLAN ausgestattet werden soll.
Während der Corona-Pandemie verlagern viele Einrichtungen und Institutionen ihre Angebote in den virtuellen Raum. Dazu zählt zum Beispiel auch die Volkshochschule, die Sprachkurse für Flüchtlinge anbietet. Und auch für Schüler findet der Unterricht derzeit wieder komplett online statt. Flüchtlinge und ihre Kinder, die teils keinen Zugang zu digitalen Endgeräten oder WLAN haben, stellt dies vor große Probleme. Ihnen fehlen wesentliche Grundvoraussetzungen für den digitalen Unterricht. „Ich habe von Schulen schon Rückmeldung bekommen, dass es manchmal sehr schwierig ist, Kontat zu den Kindern zu bekommen“, berichtet etwa Rudi Kratt, Leiter des Trossinger Helferkreises TroAsyl.
Das Landratsamt hat den Handlungsbedarf erkannt, wie Jonas Manz, stellvertretender Leiter des Amts für Aufenthalt und Integration, bestätigt. „Wo kein WLAN ist, kann natürlich nicht am Onlineunterricht teilgenommen werden, und das kann nicht Sinn der Sache sein“, sagt er. „Die Corona-Krise darf keine Integrationskrise werden.“In den kommenden Wochen soll die Trossinger Sammelunterkunft in Grubäcker in einem Pilotprojekt mit WLAN versorgt werden. Die Unterkunft, in der derzeit 73 Personen leben, ist die größte im Landkreis Tuttlingen. Was die digitalen Endgeräte
betrifft, verweist Manz auf die Bundesagentur für Arbeit, die im Februar mitgeteilt hatte, dass die entsprechenden Kosten - auch rückwirkend - übernommen werden.
Kommende Woche werden zudem die Impfberechtigungen an die Flüchtlinge verschickt. Nach den Priorisierungsregeln sind Asylsuchende in den großen Unterkünften mit Prio 2 gelistet; sie können bereits seit Ende Februar geimpft werden. „Ende Februar haben wir die Asylsuchenden darüber informiert und das Interesse abgefragt“, erläutert Jonas Manz. Das sei mit viel Aufklärungsarbeit verbunden. „Die Impfungen sind dringend nötig, da das Infektionsrisiko in den Sammelunterkünften aufgrund der beengten Wohnsituation höher ist.“Sobald die Impfberechtigungen zugestellt sind, können die Asylsuchenden einen Termin im Tuttlinger Impfzentrum oder bei ihrem Hausarzt vereinbaren.
Beim Landratsamt hofft man, dass sich die Situation vom Februar nicht wiederholt, als die Bewohner der Unterkunft in Grubäcker aufgrund mehrerer positiver CoronaFälle unter Quarantäne gestellt worden waren. „Da hat man schon gemerkt, dass die Lage angespannter wird“, so Manz. Er fügt hinzu: „Das würde aber in der Situation wohl jedem so gehen.“
Während die Sozialarbeiter des Landkreises weiterhin vor Ort sind und die Flüchtlinge in Angelegenheiten wie Anträgen oder Onlineterminen unterstützen, gilt für die Helfer von TroAsyl aufgrund der Corona-Regeln derzeit: Zutritt untersagt. „Bei gutem Wetter können wir uns mit Einzelnen vor der Unterkunft treffen und mit manchen sind wir per Handy in Kontakt“, erzählt Rudi
Kratt. „Aber zurzeit ist es sehr schwierig.“Viele der Flüchtlinge würden gerne mehr Deutsch sprechen und die Sprache lernen, doch derzeit fehlen ihnen im Alltag die Möglichkeiten dazu.
Da die ehrenamtlichen Helfer fast alle zu Risikogruppen gehören würden, so Kratt, habe TroAsyl in den vergangenen Monaten natürlich Vorsicht walten lassen müssen. In rund zwei Wochen, wenn die Helfer geimpft sind, möchte die Gruppe wieder vermehrt in Erscheinung treten. Kratt selbst will die Sammelunterkunft kommende Woche erstmals seit langem wieder besuchen. Außerdem soll die Fahrradwerkstatt wieder den Betrieb aufnehmen, in der gebrauchte Fahrräder und Kinderräder für und von Flüchtlingen repariert werden.
Keine Corona-Pause eingelegt hat der Arbeitskreis Fadenlauf. In der Nähwerkstatt engagieren sich derzeit drei Flüchtlinge, darunter auch ein Bewohner der Sammelunterkunft im Grubäcker. „Als die Corona-Regeln ganz streng waren, haben wir unseren Asylsuchenden Nähmaschinen und Nähmaterial nach Hause gebracht“, erzählt Sybille Gumbel. „Aber als die Lockerungen kamen, wollten alle lieber wieder in der Werkstatt vorbeikommen. Sie vermissten die Unterhaltung und Gemeinschaft.“
Derzeit kommen die drei Flüchtlinge einzeln und unter strikter Einhaltung der Corona-Regeln in die Nähwerkstatt. Wie Rudi Kratt weist auch Sybille Gumbel darauf hin, dass ihnen die Sprachpraxis wichtig sei. Der Arbeitskreis, der Click & Collect betreibt, würde sich auch über mehr Aufträge freuen. „Sonst haben unsere Flüchtlinge ja auch keine Arbeit“, stellt Gumbel fest. Und: „Wir warten natürlich alle darauf, dass wir wieder zusammen nähen können.“