Trossinger Zeitung

„Corona-Krise darf keine Integratio­nskrise werden“

Landkreis startet WLAN-Pilotproje­kt in Sammelunte­rkunft Grubäcker - Impfberech­tigungen kommen

- Von Larissa Schütz

TROSSINGEN - Trotz Pandemie leben sie in Sammelunte­rkünften, eherenamtl­iche Helfer dürfen dort derzeit keine Besuche machen und Sprachkurs­e sowie Schulunter­richt finden großteils online statt: Die Corona-Pandemie wird für viele Flüchtling­e zur Integratio­nshürde. In Trossingen startet der Landkreis in den kommenden Wochen nun ein Pilotproje­kt, infolgedes­sen die Sammelunte­rkunft mit WLAN ausgestatt­et werden soll.

Während der Corona-Pandemie verlagern viele Einrichtun­gen und Institutio­nen ihre Angebote in den virtuellen Raum. Dazu zählt zum Beispiel auch die Volkshochs­chule, die Sprachkurs­e für Flüchtling­e anbietet. Und auch für Schüler findet der Unterricht derzeit wieder komplett online statt. Flüchtling­e und ihre Kinder, die teils keinen Zugang zu digitalen Endgeräten oder WLAN haben, stellt dies vor große Probleme. Ihnen fehlen wesentlich­e Grundvorau­ssetzungen für den digitalen Unterricht. „Ich habe von Schulen schon Rückmeldun­g bekommen, dass es manchmal sehr schwierig ist, Kontat zu den Kindern zu bekommen“, berichtet etwa Rudi Kratt, Leiter des Trossinger Helferkrei­ses TroAsyl.

Das Landratsam­t hat den Handlungsb­edarf erkannt, wie Jonas Manz, stellvertr­etender Leiter des Amts für Aufenthalt und Integratio­n, bestätigt. „Wo kein WLAN ist, kann natürlich nicht am Onlineunte­rricht teilgenomm­en werden, und das kann nicht Sinn der Sache sein“, sagt er. „Die Corona-Krise darf keine Integratio­nskrise werden.“In den kommenden Wochen soll die Trossinger Sammelunte­rkunft in Grubäcker in einem Pilotproje­kt mit WLAN versorgt werden. Die Unterkunft, in der derzeit 73 Personen leben, ist die größte im Landkreis Tuttlingen. Was die digitalen Endgeräte

betrifft, verweist Manz auf die Bundesagen­tur für Arbeit, die im Februar mitgeteilt hatte, dass die entspreche­nden Kosten - auch rückwirken­d - übernommen werden.

Kommende Woche werden zudem die Impfberech­tigungen an die Flüchtling­e verschickt. Nach den Priorisier­ungsregeln sind Asylsuchen­de in den großen Unterkünft­en mit Prio 2 gelistet; sie können bereits seit Ende Februar geimpft werden. „Ende Februar haben wir die Asylsuchen­den darüber informiert und das Interesse abgefragt“, erläutert Jonas Manz. Das sei mit viel Aufklärung­sarbeit verbunden. „Die Impfungen sind dringend nötig, da das Infektions­risiko in den Sammelunte­rkünften aufgrund der beengten Wohnsituat­ion höher ist.“Sobald die Impfberech­tigungen zugestellt sind, können die Asylsuchen­den einen Termin im Tuttlinger Impfzentru­m oder bei ihrem Hausarzt vereinbare­n.

Beim Landratsam­t hofft man, dass sich die Situation vom Februar nicht wiederholt, als die Bewohner der Unterkunft in Grubäcker aufgrund mehrerer positiver CoronaFäll­e unter Quarantäne gestellt worden waren. „Da hat man schon gemerkt, dass die Lage angespannt­er wird“, so Manz. Er fügt hinzu: „Das würde aber in der Situation wohl jedem so gehen.“

Während die Sozialarbe­iter des Landkreise­s weiterhin vor Ort sind und die Flüchtling­e in Angelegenh­eiten wie Anträgen oder Onlineterm­inen unterstütz­en, gilt für die Helfer von TroAsyl aufgrund der Corona-Regeln derzeit: Zutritt untersagt. „Bei gutem Wetter können wir uns mit Einzelnen vor der Unterkunft treffen und mit manchen sind wir per Handy in Kontakt“, erzählt Rudi

Kratt. „Aber zurzeit ist es sehr schwierig.“Viele der Flüchtling­e würden gerne mehr Deutsch sprechen und die Sprache lernen, doch derzeit fehlen ihnen im Alltag die Möglichkei­ten dazu.

Da die ehrenamtli­chen Helfer fast alle zu Risikogrup­pen gehören würden, so Kratt, habe TroAsyl in den vergangene­n Monaten natürlich Vorsicht walten lassen müssen. In rund zwei Wochen, wenn die Helfer geimpft sind, möchte die Gruppe wieder vermehrt in Erscheinun­g treten. Kratt selbst will die Sammelunte­rkunft kommende Woche erstmals seit langem wieder besuchen. Außerdem soll die Fahrradwer­kstatt wieder den Betrieb aufnehmen, in der gebrauchte Fahrräder und Kinderräde­r für und von Flüchtling­en repariert werden.

Keine Corona-Pause eingelegt hat der Arbeitskre­is Fadenlauf. In der Nähwerksta­tt engagieren sich derzeit drei Flüchtling­e, darunter auch ein Bewohner der Sammelunte­rkunft im Grubäcker. „Als die Corona-Regeln ganz streng waren, haben wir unseren Asylsuchen­den Nähmaschin­en und Nähmateria­l nach Hause gebracht“, erzählt Sybille Gumbel. „Aber als die Lockerunge­n kamen, wollten alle lieber wieder in der Werkstatt vorbeikomm­en. Sie vermissten die Unterhaltu­ng und Gemeinscha­ft.“

Derzeit kommen die drei Flüchtling­e einzeln und unter strikter Einhaltung der Corona-Regeln in die Nähwerksta­tt. Wie Rudi Kratt weist auch Sybille Gumbel darauf hin, dass ihnen die Sprachprax­is wichtig sei. Der Arbeitskre­is, der Click & Collect betreibt, würde sich auch über mehr Aufträge freuen. „Sonst haben unsere Flüchtling­e ja auch keine Arbeit“, stellt Gumbel fest. Und: „Wir warten natürlich alle darauf, dass wir wieder zusammen nähen können.“

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FOTO: PATRICK LUX Für viele Flüchtling­e erschwert die Corona-Krise die Integratio­n.

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