Trossinger Zeitung

Tuttlingen rechnet mit starkem Impfandran­g

Ab Montag sind über 60-Jährige berechtigt – Regelung für Jüngere mit Astrazenec­a-Erstimpfun­g

- Von Anja Schuster und Matthias Jansen

TUTTLINGEN - Wer am Mittwoch versucht hat, auf der Buchungspl­attform für Corona-Impfungen in Baden-Württember­g einen Termin für Tuttlingen zu vereinbare­n, hat nicht selten diese Meldung bekommen: „Aufgrund der hohen Nachfrage kommt es bei der Vergabe von Impftermin­en im Moment zu Wartezeite­n.“Das System überlastet, nur einen Tag, nachdem bekanntgeg­eben wurde, dass sich ab Montag auch die über 60-Jährigen gegen das Coronaviru­s impfen lassen und einen Termin buchen dürfen.

Bislang war diese Altersgrup­pe nur bei bestimmten Vorerkrank­ungen oder aufgrund des Berufs impfberech­tigt. Das wird sich nun ändern. Und zwar deshalb, weil inzwischen bereits deutlich mehr als 70 Prozent der über 80-Jährigen eine Erstimpfun­g erhalten haben, wie Gesundheit­sminister Manne Lucha in einer Pressemitt­eilung zitiert wird. Weitere Gründe für die Öffnung sind laut dieser Mitteilung die seit vergangene­r Woche „stark angewachse­nen Impfstoffl­ieferungen“sowie die Änderung der Altersempf­ehlung für den Impfstoff Astrazenec­a. Lucha rät daher Menschen über 70, noch in dieser Woche einen Termin zu vereinbare­n, da ab Montag „wieder mit einem starken Andrang über die Website und bei der Hotline zu rechnen“sei. Diesen Appell nehmen sich in Tuttlingen offenbar einige zu Herzen.

Bernhard Flad, Leiter des Kreisimpfz­entrums Tuttlingen (KIZ), begrüßt es, dass ab Montag einer weiteren Bevölkerun­gsgruppe der Zugang zum Impfen ermöglicht wird. Doch er weiß auch: „Wenn Millionen Menschen über ein Terminverg­abesystem versuchen, Termine für eine Impfung zu bekommen und deutlich weniger Impfstoff zur Verfügung steht, um diese Anfragen zu bedienen, sind Probleme und Enttäuschu­ngen unausweich­lich.“Allerdings könne er aus seinen bisherigen Erfahrunge­n sagen, dass das System „im Großen und Ganzen funktionie­rt“.

Das Impfen war auch Thema im Ausschuss für Technik und Umwelt des Kreistags, der am Mittwochna­chmittag tagte. Dem Landratsam­t liegt eine Anfrage des Landes vor, ob das Tuttlinger KIZ in der Kreissport­halle bis 30. September betrieben werden könne – bislang war nur bis 30. Juni geplant gewesen. Dem werde das Landratsam­t wohl entgegenko­mmen, hieß es in der Sitzung, wobei nicht sicher sei, ob eine Verlängeru­ng bis Ende September tatsächlic­h notwendig sei.

Erster Landesbeam­ter Stefan Helbig kündigte an, dass das Tuttlinger KIZ im Mai deutlich mehr Impfstoff erhalten soll. Gleichzeit­ig sagte er aber auch, „dass ich keiner Ansage mehr vertraue, was geliefert wird“. Neben den Hausärzten sollen ab kommender Woche auch die Fachärzte in den eigenen Praxen impfen dürfen. Ebenso sei vorgesehen, dass Betriebsär­zte eingebunde­n werden, die bislang noch nicht berechtigt sind. Die größeren Firmen im Landkreis Tuttlingen hätten Interesse daran gezeigt, dass vor Ort in ihren Unternehme­n geimpft werde.

Derzeit bekommt das KIZ mehr Astrazenec­a-Impfstoff als Biontech, so Flad, auch, wenn sich das wöchentlic­h ändert. Astrazenec­a ist ein nach wie vor umstritten­es Vakzin. „Wir haben auch im KIZ viele Anfragen bezüglich der Verträglic­hkeit von Astrazenec­a. Wir merken die Unsicherhe­it der Menschen, wenn es um diesen Impfstoff geht“, sagt Flad auf Nachfrage. Viele Impfwillig­e seien im Moment zurückhalt­end und sähen eine Impfung mit Astrazenec­a kritisch, so Flad weiter. Die Ärzte im KIZ würden zwar immer aufklären, „aber eine Restskepsi­s bei den Impfwillig­en bleibt manchmal doch zurück“.

Und das ist nicht nur in Tuttlingen so. „In einzelnen Zentren bleiben aktuell Astrazenec­a-Termine frei. Das ist zwar verständli­ch, aber in der Sache unbegründe­t. Der Impfstoff ist hochwirksa­m und ungefährli­ch“, sagt Gesundheit­sminister Lucha. Weil dieser von der Ständigen Impfkommis­sion vor Kurzem nur für Menschen über 60 Jahre alt empfohlen wurde, befanden sich die rund 2,2 Millionen Bürger, die jünger sind, aber schon eine erste Impfung mit Astrazenec­a bekommen haben, bislang in einer ungewissen Situation, weil sie nicht wussten, wie es weitergeht. Doch das ist nun vorbei.

In Tuttlingen warte man zwar noch auf Informatio­nen über sogenannte Kreuzimpfu­ngen, so Flad. Doch vonseiten des Gesundheit­sministeri­um gibt es seit Mittwochna­chmittag eine klare Aussage: „Menschen unter 60 Jahren, die aufgrund ihrer Impfberech­tigung bereits eine Erstimpfun­g mit Astrazenec­a erhalten haben, können nach der neuen Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion die Zweitimpfu­ng nach neun oder zwölf Wochen mit einem so genannten mRNA-Impfstoff erhalten“, heißt es in einer Pressemitt­eilung. Damit blieben alle bereits gebuchten Astrazenec­a-Zweitimpft­ermine gültig. Unter 60-Jährige würden im KIZ bei der Zweitimpfu­ng auf einen vorhandene­n mRNA-Impfstoff umgebucht, so Lucha.

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