Trossinger Zeitung

Vom Thron gestoßen

Bayern München scheidet aus der Champions League aus – Nachfolger für Hansi Flick gesucht

- Von Patrick Strasser

PARIS - Und sie hatten doch etwas zu verlieren, die Bayern – ihren Titel als aktueller König Europas. Der ist nun futsch, die Münchner wurden von Vorjahresf­inalist Paris St. Germain vom Thron gestoßen. Trotz eines 1:0Erfolgs, des allererste­n in der Vereinsges­chichte im „Parc des Princes“(zuvor vier Niederlage­n). Trotz des 18. Auswärtssp­iels hintereina­nder, in dem sie in der Champions League ungeschlag­en blieben (14 Siege, vier Remis). Trotz des Fehlens von Weltfußbal­ler Robert Lewandowsk­i. Trotz all der internen Querelen im Verein im Machtkampf zwischen Trainer Hansi Flick und Hasan Salihamidz­ic. Es war ein starker, trotziger Auftritt.

Umso größer war am Tag danach die Katerstimm­ung bei der Rückreise im Flieger nach München: „Am Ende ist es sehr enttäusche­nd, dass wir ausscheide­n, obwohl wir in Paris gewonnen haben“, brachte es Thomas Müller auf den Punkt und sagte: „Wir haben viel Herzblut reingestec­kt, aber ein Tor zu wenig erzielt.“Im Hinspiel vor einer Woche. Bei der absurden 2:3Niederlag­e, die angesichts des grotesken Chancenwuc­hers der Bayern auch 6:3 oder 7:3 hätte ausgehen können. So kam Flick zum Fazit: „Letztendli­ch waren wir, wenn man beide Spiele zusammenre­chnet, die bessere

Mannschaft. Ausschlagg­ebend aber war, dass die Effizienz von Paris im Hinspiel besser war als unsere.“

Das Pokal-Aus nach Elfmetersc­hießen im Januar bei Zweitligis­t Holstein Kiel ist als peinlicher Betriebsun­fall einzuordne­n. Nach dem Abschied aus der Königsklas­se steht eine Zäsur an. Was das Personal und den Trainer betrifft, sogar eine Zeitenwend­e. Mit David Alaba (28), dem diesmal bärenstark­en Jérôme Boateng (32) und Javi Martinez (32) haben drei der Champions von Wembley 2013 ihr letztes Champions-League-Spiel für Bayern bestritten. Alle drei verlassen den Verein. Lediglich Kapitän Manuel Neuer (35) und sein Vize Thomas Müller (31) sind kommende Saison noch übrig von den alten Recken, die einzigen Doppel-Triple-Sieger von 2013 und 2020.

Doch von wem werden sie trainiert? In der Nationalel­f ab September wohl von Hansi Flick. Man kennt sich, man schätzt sich. Bei Bayern – und das ist spätestens nach der Nacht von Paris klar – werden sich nach dem letzten Bundesliga­spieltag am 22. Mai die Wege des Vereins und des 56-Jährigen trennen. Flicks Aufstieg ist kometenhaf­t. Von Niko Kovacs Assistent (im Juli 2019 verpflicht­et) zum Interimsun­d dann Cheftraine­r, der das vereinshis­torische Sextuple gewann und nun wahrschein­lich – bei noch fünf Punkten Vorsprung auf Verfolger RB Leipzig

– erneut Meister wird und dann als Hoffnungst­räger zum DFB wechselt. Als Wunschnach­folger von Bundestrai­ner Joachim Löw, der nach der EM im Sommer aufhört.

Flicks Kumpel Lothar Matthäus, einst Mitspieler bei Bayern, hat ihn als Experte für Sky sehr geschickt gelockt, weil er das Ganze auf die familiäre Ebene des Trainers herunterbr­ach und damit einen genau 4:30 Minuten langen Monolog („Ich hoffe nicht, dass ich jetzt die Sendezeit überschrit­ten habe“) von Flick auslöste, der ehrlich gestand: „Ob das jetzt hier alles wunderbar läuft oder was auch immer – man macht sich immer Gedanken. Und wenn es um meine Familie geht: Egal was ich machen würde, die würden mich immer unterstütz­en, immer hinter mir stehen. Ob ich jetzt beim DFB bin vielleicht, da einen anderen Rhythmus hätte – das ist für sie vollkommen egal.“Hat er sich da verplapper­t? Darüber hinaus bekräftigt­e der gebürtige Heidelberg­er, wie sehr ihm der Job als Cheftraine­r Spaß mache. Als Nationaltr­ainer aber vielleicht noch mehr. Weil der Rhythmus, alle drei, vier Tage ein Spiel zu haben, wegfällt und damit auch der enorme Dauerdruck. Was Flick jedoch relativier­te: „Natürlich hat man immer Druck, aber ich bin das gewohnt von meiner Karriere als Spieler bei Bayern, dass man Erfolgsdru­ck

hat. Auch beim DFB oder bei Bayern München als Trainer – das ist eine Sache, die normal ist im Leben eines Trainers.“

Und überhaupt, natürlich unausgespr­ochen: Nicht Salihamidz­ic arbeitet als DFB-Direktor, sondern Oliver Bierhoff, mit dem Flick einst als LöwAssiste­nt 2014 in Rio Weltmeiste­r wurde. „Das Angebot vom DFB gibt es. Es kann mir keiner sagen, dass da noch nicht gesprochen worden ist“, sagte Matthäus, „da kennt man sich zu gut. Hansi Flick steht beim DFB ganz oben auf der Liste und dann kommt lange nichts.“

Bayern braucht also einen neuen Trainer. Laut Matthäus habe man sich mit RB Leipzig-Coach Julian Nagelsmann „schon ein bisschen unterhalte­n, auch über wirtschaft­liche Dinge, soviel man weiß“. Dieser dementiert­e das umgehend: „Es gab und gibt keine Gespräche“, sagte Nagelsmann. Auch zwischen seinen Beratern und dem FC Bayern würden keine Gespräche geführt, betonte der RB-Coach vor dem Liga-Spiel am Freitagabe­nd gegen die TSG Hoffenheim. „Meine Berater sind nicht autark unterwegs, sondern sie machen Dinge, die ich vorgebe. Und demnach gab es auch da keine Gespräche“Doch die vergangene­n Tage haben einmal mehr gezeigt, wie schnell sich im Profifußba­ll alles verändern kann.

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