Wenn der göttliche Schnee schmilzt
Klimawandel bedroht uralte Kultur in Uganda – Ruwenzori-Berge gelten als Heilige Stätten
KIGALI (KNA) - Was tun, wenn der Vater wegschmilzt? Die Bakonzo sind ein Volk von etwa einer Million Menschen. Sie leben an den Hängen der Ruwenzori-Berge, einem Nationalpark an der Grenze zwischen Uganda und der Demokratischen Republik Kongo. Die Kultur der Bakonzo ist eng verwoben mit der Natur des Felsmassivs. An heißen Quellen, den Flüssen, Sümpfen und nicht zuletzt im Schnee und Eis, die die Gipfel überziehen, haben die Bakonzo ihre Heiligen Stätten errichtet, an denen sie seit Jahrhunderten Rituale durchführen. Doch die uralte Kultur ist in Gefahr. Der Klimawandel droht wegzuschmelzen, was die Bakonzo als Ursprung allen Lebens ansehen.
„Nzururu ist der Vater der heiligen Bakonzo-Geister Kitasamba und Nyabibuya. Er wird als gottähnlich verehrt“, berichtet Richard Taylor, Geograf am University College London. Von 2003 bis 2007 leitete er Expeditionen in die ugandische Bergregion, um das Voranschreiten der Eisschmelze auf dem dritthöchsten Gipfel Afrikas zu untersuchen. Die Erkenntnisse waren verheerend: Waren 1906 noch mehr als 6,5 Quadratkilometer der Ruwenzori-Berge von Gletschern bedeckt gewesen, war es 2003 gerade noch einer. Laut Experten könnten Eis und Schnee binnen zwei bis drei Jahrzehnten komplett verschwinden.
Was das für das lokale Bergvolk bedeute? „Wir können sagen, dass wir mit der Schmelze von Eis und Schnee unterhalb des Gipfels das Verschwinden ihres Gottes beobachten“, so Taylor. Zudem könnte die Wirtschaftsentwicklung leiden, etwa wenn Touristen ausblieben. Lokale Bergführer berichten, noch vor wenigen Jahren „keinen einzigen Felsen“erblickt zu haben. Doch statt Schneemassen wartet mancherorts nur noch kalter Stein auf Besucher.
Seit 1991 ist das Gebirge im Westen Ugandas Nationalpark, seit 1994 Unesco-Weltnaturerbe. „Der Ruwenzori-Berg-Nationalpark bietet atemberaubende Blicke auf Gletscher und schneebedeckte Hügel, nur wenige Kilometer vom Äquator“, heißt es von der zuständigen UNAgentur. Zudem ist das Bergland eine der wichtigsten Quellen des Nils.
Nun ist das Naturjuwel bedroht. Und das gleich an mehreren Fronten. 2012 wütete an den Hängen einer der bisher schlimmsten Waldbrände und erreichte erstmals Höhen von 4000 Meter. Bis sich Baum- und Buschland davon erholen, dürfte es noch mindestens zehn Jahre dauern. Die fehlende Vegetation führte, gemeinsam mit untypischen Regenfällen, zu Fluten und Erdabgängen. Erst vergangenes Jahr traten fünf Flüsse über die Ufer. Mehrere Tausend Häuser, auch Schulen, wurden zerstört.
„Diese Veränderung trifft auch Kulturstätten und deren Werte und Traditionen“, schreibt die CrossCultural Foundation of Uganda (CCFU). Die Organisation in der Hauptstadt Kampala erforschte vor Kurzem etliche der Heiligen Orte der
Bakonzo, um zu verstehen, wie der Klimawandel ihre Tradition beeinflusst. Mehrere dieser Plätze seien bereits „verschwunden“.
An einem Wasserfall etwa, an dem ein Richter unter Begleitung von Trommel und Xylophon über Landdispute entschied, wuschen die Fluten einen Schrein samt Instrumenten weg. Eine heiße Quelle, an der Krankheiten geheilt wurden, ist unter Schlamm begraben. Hinzu kommen selbstgeschaffene Probleme, etwa illegale Abholzung oder Verunreinigung der Flüsse durch Müll.
Eine neue Datenbank der heiligen Quellen, Bäche, Wasserfälle und Mündungen hat einen praktischen Nutzen: Sie soll den Grundstein für ihren Schutz legen. So beriet die CCFU mit den Bakonzo-Gemeinden, mit welchen Bäumen nach dem Brand wiederaufgeforstet werden soll. Bambus und einheimische Bäume sollen künftig Sintfluten verhindern und den Boden stärken.
Geograph Taylor sieht die Bemühungen positiv, macht zugleich aber auf das globale Problem aufmerksam: „Da die globale Erwärmung den Gletscherschwund in den Ruwenzori-Bergen verursacht, können lokale und nationale Initiativen zwar bestimmt bei der Anpassung an Veränderungen helfen. Doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie den Gletscher retten.“
Um Ugandas und andere tropische Alpinregionen rund um die Welt zu konservieren, brauche es einen globalen Ansatz. Von dem sei man aber weit entfernt.